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Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

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<strong>Die</strong> <strong>vorgezogenen</strong> <strong>Parlamentswahlen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e <strong>2007</strong> 63<br />

175 Abgeordneten die stärkste politische Kraft s<strong>in</strong>d, aber sie stellen sich doch zähneknirschend auf die Rolle<br />

<strong>der</strong> zukünftigen Opposition e<strong>in</strong>, wenn denn die demokratischen Kräfte zusammenhalten und sich nicht ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>dividieren<br />

lassen werden.<br />

Es ist auch e<strong>in</strong> Sieg <strong>der</strong> Demokratie, weil das extrem unterschiedliche Wählerverhalten <strong>in</strong> den Regionen<br />

des Landes Zeichen <strong>der</strong> Entkrampfung zeigt. Zwar s<strong>in</strong>d die großen politischen Parteien nach wie vor <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie regional verwurzelt, aber die Grenzen s<strong>in</strong>d durchlässiger geworden. BJUT und Unsere Ukra<strong>in</strong>e haben <strong>in</strong><br />

vielen Gebieten im Osten und Süden Stimmen h<strong>in</strong>zugewonnen und die Partei <strong>der</strong> Regionen im Westen und<br />

im Zentrum. <strong>Die</strong> demokratischen Parteien konnte z. B. ihren Stimmenanteil im Gebiet Charkiw gegenüber<br />

<strong>der</strong> Wahl vom März 2006 von 18,6 % auf 24,5 % steigern und im Gebiet Odessa von 16,3 % auf 20,2 %.<br />

Umgekehrt legte die Partei <strong>der</strong> Regionen im Gebiet W<strong>in</strong>niza von 8,1 % auf 12,5 % und im Gebiet Sumi von<br />

10,9 % auf 15,7 % zu.<br />

E<strong>in</strong>deutiger Wahlsieger ist BJUT, d. h. Julia Timoschenko persönlich, die ihren Stimmenanteil um 8,4 %<br />

und damit um weit mehr als alle an<strong>der</strong>en politischen Gruppierungen steigern konnte. BJUT gewann nicht nur<br />

prozentual Stimmen h<strong>in</strong>zu, son<strong>der</strong>n auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> absoluten Zahl <strong>der</strong> Wähler. <strong>Die</strong> beiden an<strong>der</strong>en großen<br />

Parteien verloren <strong>in</strong> absoluten Zahlen Wählerstimmen. Julia Timoschenko for<strong>der</strong>t seit Jahren konsequent<br />

den Wandel, Reformen und Aufbruch. Der ukra<strong>in</strong>ische Wähler hat also deutlich gemacht, dass er nicht den<br />

status quo, son<strong>der</strong>n Verän<strong>der</strong>ungen will.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs gaben nur 30,7 % <strong>der</strong> Wähler BJUT ihre Stimme. E<strong>in</strong>e mögliche Mehrheitskoalition mit Unsere<br />

Ukra<strong>in</strong>e-Selbstverteidigung des Volkes wird über 228 von 450 Abgeordneten im Parlament verfügen. Wird<br />

diese hauchdünne Mehrheit angesichts <strong>der</strong> notorischen Unzuverlässigkeit und weit verbreiteten Käufl ichkeit<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> politischen Klasse ausreichen, um die dr<strong>in</strong>gend notwendigen Reformen anzupacken und e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Stabilität und Berechenbarkeit <strong>der</strong> ukra<strong>in</strong>ischen Politik zu sichern?<br />

Etwas Weiteres kommt h<strong>in</strong>zu: Ganz oben auf <strong>der</strong> Agenda notwendiger Reformschritte stehen Verfassungsän<strong>der</strong>ungen.<br />

<strong>Die</strong> hastig und handwerklich miserabel gearbeitete Verfassungsrevision vom Dezember 2004 hat<br />

sich als unzureichend und unpraktikabel erweisen und wesentlich zur Krise des Jahres <strong>2007</strong> beigetragen. Alle<br />

politischen Kräfte s<strong>in</strong>d sich über die Notwendigkeit von Än<strong>der</strong>ungen an <strong>der</strong> Verfassung e<strong>in</strong>ig, <strong>in</strong>haltlich gehen<br />

die Vorstellungen allerd<strong>in</strong>gs weit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Verfassungsän<strong>der</strong>ungen setzen e<strong>in</strong>e zwei Drittel Mehrheit im<br />

Parlament voraus. Ohne E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Partei <strong>der</strong> Regionen gibt es also ke<strong>in</strong>e Aussicht auf Erfolg.<br />

Präsident Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko s<strong>in</strong>d zum Entgegenkommen bereit und auch dies<br />

markiert e<strong>in</strong>en Fortschritt gegenüber <strong>der</strong> ersten orangen Regierung im Januar 2005, als ke<strong>in</strong> Versuch gemacht<br />

wurde, die damaligen Wahlverlierer Janukowitsch und die Partei <strong>der</strong> Regionen durch Angebote zur Zusammenarbeit<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen. Frau Timoschenko hat jetzt <strong>der</strong> Partei <strong>der</strong> Regionen als Opposition e<strong>in</strong>e Art Mitregierung<br />

vorgeschlagen: Übernahme des Postens e<strong>in</strong>es stellvertretenden M<strong>in</strong>isterpräsidenten und <strong>der</strong> Funktionen<br />

von stellvertretenden M<strong>in</strong>istern. Ob dies jedoch praktikabel und im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Demokratieför<strong>der</strong>ung ratsam<br />

ist, muss bezweifelt werden. Es ist wie so häufi g die Tendenz, von e<strong>in</strong>em Extrem <strong>in</strong>s an<strong>der</strong>e zu verfallen:<br />

vom Nullkompromiss zu e<strong>in</strong>er Konsensdemokratie nach Schweizer Muster, wozu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e alle Voraussetzungen<br />

fehlen.<br />

Ob und wie die Partei <strong>der</strong> Regionen <strong>in</strong> die zukünftige politische Arbeit e<strong>in</strong>bezogen werden kann, wird jedenfalls<br />

mitentscheiden über den Erfolg e<strong>in</strong>er möglichen Regierung Timoschenko. Es gibt Elemente für Geme<strong>in</strong>samkeiten:<br />

Wirtschaftsreformen, Steuerreform, Dezentralisierung und Verwaltungsreform <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e,<br />

Annäherung an die EU, Vermeidung des Topos Beitritt zur Nato. An<strong>der</strong>erseits hat sich Frau Timoschenko<br />

stets durch e<strong>in</strong>e große Hartnäckigkeit und Pr<strong>in</strong>zipienfestigkeit ausgezeichnet. Sie wird und muss Anstrengungen<br />

zur Bekämpfung <strong>der</strong> Korruption unternehmen, sie wird und muss versuchen, Licht <strong>in</strong> das undurchdr<strong>in</strong>gliche<br />

Dunkel <strong>der</strong> Gasgeschäfte mit Russland zu br<strong>in</strong>gen und überhaupt mehr Transparenz im Verhältnis von<br />

Politik und Wirtschaft durchzusetzen. Damit wird sie die durch Dollarmillionen zementierten Interessen <strong>der</strong><br />

Lobbys gefährlich herausfor<strong>der</strong>n, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei <strong>der</strong> Regionen verschanzt haben.<br />

Während die Ukra<strong>in</strong>e auf dem ste<strong>in</strong>igen Weg zu e<strong>in</strong>er demokratischen Ordnung quälend langsam voranschreitet,<br />

und noch Wochen brauchen wird, um e<strong>in</strong>en neuen M<strong>in</strong>isterpräsidenten zu bestimmen, hat Put<strong>in</strong><br />

bekannt gegeben, er werde <strong>in</strong> Zukunft statt Präsident möglicherweise M<strong>in</strong>isterpräsident <strong>in</strong> Russland se<strong>in</strong>. Jedenfalls<br />

entscheidet <strong>in</strong> Russland <strong>der</strong> Präsident über se<strong>in</strong>e Nachfolge und nicht <strong>der</strong> Wähler, <strong>der</strong> lediglich akklamiert.<br />

Hier wird <strong>in</strong> großer Schärfe <strong>der</strong> Abstand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Demokratieentwicklung deutlich.

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