15.12.2012 Aufrufe

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

14 Heiko Ple<strong>in</strong>es (Hg.)<br />

Noch ke<strong>in</strong> Licht am Ende des Tunnels.<br />

Ist die Transformation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e gescheitert?<br />

Dr. Iris Kempe, Centrum für angewandte Politikforschung an <strong>der</strong> Ludwig Maximilians Universität<br />

München<br />

Im April <strong>2007</strong> ist die Ukra<strong>in</strong>e erneut <strong>in</strong> das Blickfeld <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Öff entlichkeit geraten. Präsident Viktor<br />

Juschtschenko verkündete am 2. April die Aufl ösung des Parlaments und setzte Neuwahlen für den 27. Mai<br />

an. Allerd<strong>in</strong>gs begab er sich dabei auf das Glatteis unklarer konstitutioneller Regelungen. Das Parlament stellte<br />

sich nach Auszug <strong>der</strong> pro-westlichen Parteien mehrheitlich h<strong>in</strong>ter den Premier Viktor Janukowitsch, tagte weiter<br />

und rief das Verfassungsgericht für e<strong>in</strong>e Klärung <strong>der</strong> unklaren konstitutionellen Fragen an. Beide Seiten, die<br />

Anhänger von Juschtschenko und Janukowitsch, versuchten gesellschaftliche Massenproteste auf den Straßen<br />

von Kiew zu ihrer Unterstützung zu mobilisieren.<br />

<strong>Die</strong> gegenwärtige Situation er<strong>in</strong>nert manche Kommentatoren an die Zeiten <strong>der</strong> orangen Revolution als die<br />

Anhänger Viktor Juschtschenkos erfolgreich für freie und faire Wahlen kämpften und die Anhänger Viktor<br />

Janukowitschs versuchten, den E<strong>in</strong>fl uss und die Interessen <strong>der</strong> amtierenden Adm<strong>in</strong>istration aufrecht zu halten.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs unterscheidet sich <strong>der</strong> gegenwärtige Machtkampf fundamental von dem im Dezember 2004, als die<br />

beiden Viktors und mit ihnen die Massen auf den Strassen <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e um demokratische Grundwerte rangen.<br />

Derzeit ähnelt die Ukra<strong>in</strong>e eher den beiden Amtsperioden Leonid Kutschmas, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>zelne Akteure<br />

und Interessengruppen die Ukra<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ierten und auch Mittel wie Korruption o<strong>der</strong> die gewaltsame Beseitigung<br />

ihrer politischen Gegner als Mittel zum Macherhalt e<strong>in</strong>setzten. Aufgrund <strong>der</strong> Verletzungen <strong>der</strong> Medienfreiheit<br />

drohte damals <strong>der</strong> Europarat mehrfach mit dem Ausschluss <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e. Pavel Lazarenko, e<strong>in</strong>er<br />

<strong>der</strong> damaligen Premierm<strong>in</strong>ister wurde <strong>in</strong> den USA wegen Geldwäsche zu e<strong>in</strong>er rechtskräftigen Haftstrafe von<br />

neun Jahren verurteilt.<br />

Es wäre verfrüht, bereits jetzt von e<strong>in</strong>em Scheitern <strong>der</strong> Transformation zu sprechen. Vielmehr bedarf es e<strong>in</strong>er<br />

nüchternen Analyse <strong>der</strong> Lage. <strong>Die</strong> orange Revolution 2004 wirkte wie e<strong>in</strong> Systemwechsel aus dem Bil<strong>der</strong>buch.<br />

Der demokratische Kandidat wurde im Wahlkampf beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, sogar vergiftet, überlebte, und wurde schließlich<br />

nur durch Manipulationen besiegt. Doch an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den Jahren zuvor stand das Volk auf, Gerichte und<br />

Medien schlugen sich auf dessen Seite, hun<strong>der</strong>ttausende harrten fröhlich-feiernd und for<strong>der</strong>nd aus, die drohende<br />

Spaltung des Landes konnte verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden und zum Schluss siegte die Demokratie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em spektakulären<br />

Triumph pünktlich zu Weihnachten. Aus e<strong>in</strong>em Appendix Russlands schien über Nacht e<strong>in</strong> selbstbewusster,<br />

sympathischer europäischer Staat geworden zu se<strong>in</strong>.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs beg<strong>in</strong>nen die eigentlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen erst nach den demokratischen Wahlen. Juschtschenko<br />

vere<strong>in</strong>te nur e<strong>in</strong>e knappe Mehrheit h<strong>in</strong>ter sich und ihm blieb durch die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verfassung zu e<strong>in</strong>er<br />

parlamentarischen Demokratie nur e<strong>in</strong> knappes Zeitfenster von e<strong>in</strong>em Jahr se<strong>in</strong>e Vollmachten für die Transformation<br />

des Landes zu nutzen. Aber auch, wenn die orangene Revolution bereits richtungsweisende Standards<br />

für e<strong>in</strong>e demokratische Gesellschaft gesetzt hat – etwa im Bereich <strong>der</strong> Medienberichterstattung und bei <strong>der</strong><br />

Durchführung von freien und fairen Wahlen – darf dies nicht darüber h<strong>in</strong>wegtäuschen, dass die Wahl Juschtschenkos<br />

zunächst nicht viel mehr als e<strong>in</strong> Vorschuss war und für die unter hohem politischen Druck im Dezember<br />

2004 am Runden Tisch ausgehandelte Verfassungsreform <strong>der</strong> breite gesellschaftliche Konsens fehlte.<br />

Der Erfolg <strong>der</strong> orangen Revolution g<strong>in</strong>g maßgeblich darauf zurück, dass es <strong>der</strong> Opposition gelungen war,<br />

sich zu e<strong>in</strong>em Reformteam unter <strong>der</strong> Führung von Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko zusammenzuschließen.<br />

<strong>Die</strong>se Koalition war nur von kurzer Dauer. Zu Unstimmigkeiten kam es h<strong>in</strong>sichtlich des wirtschaftlichen<br />

Reformkurses. Während Premierm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Timoschenko für Elemente e<strong>in</strong>er staatlich gelenkten<br />

Wirtschaft votierte, orientiert sich Präsident Juschtschenko an Leitl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>er liberalen Wirtschaftspolitik.<br />

So schlug Timoschenko zunächst vor, die Privatisierung von rund 3000 Betrieben zu überprüfen, um sie<br />

gegebenenfalls rückgängig zu machen. Juschtschenko sprach dagegen nur von <strong>der</strong> Reprivatisierung von 30<br />

Unternehmen, vor allem aus <strong>der</strong> Metall<strong>in</strong>dustrie, <strong>der</strong>en Privatisierung <strong>in</strong>transparent verlaufen war. Der Konfl<br />

ikt zwischen den beiden Flügeln des Oppositionslagers erreichte mit <strong>der</strong> Entlassung <strong>der</strong> Premierm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

Anfang September 2005 se<strong>in</strong>en Höhepunkt. <strong>Die</strong>ser Konfl ikt ist zugleich Indiz für die <strong>in</strong>sgesamt fehlende<br />

Transformationsperspektive und den nur schwach entwickelten und wi<strong>der</strong>sprüchlichen Reformkurs. Neben<br />

den Schwächen bei <strong>der</strong> wirtschaftlichen Umgestaltung gelang es nicht, das Erbe <strong>der</strong> Kutschma Vergangen-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!