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Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

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26 Heiko Ple<strong>in</strong>es (Hg.)<br />

Krisenbewältigung auf ukra<strong>in</strong>isch: E<strong>in</strong>igung ohne Kompromiss?<br />

(Mai <strong>2007</strong>)<br />

Nico Lange, Außenstelle Kiew <strong>der</strong> Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

Zusammenfassung<br />

Nach <strong>der</strong> Krise ist bekanntlich vor <strong>der</strong> Krise. Politik und Gesellschaft <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e leiden <strong>in</strong>zwischen<br />

seit Jahren periodisch unter von den politischen Eliten herbeigeführten krisenhaften Zuspitzungen<br />

<strong>der</strong> Machtkonfl ikte. Mit <strong>der</strong> Aufl ösung des Parlaments durch Präsident Viktor Juschtschenko und <strong>der</strong><br />

Ansetzung von Neuwahlen erreichten die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen kürzlich e<strong>in</strong>en neuen Höhepunkt.<br />

Trotz langwieriger Verhandlungen zur Aufl ösung <strong>der</strong> Pattsituation zeigen sich die Konfl iktparteien<br />

bisher kaum dazu bereit, von ihren Positionen abzurücken. <strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Kompromissfähigkeit<br />

<strong>der</strong> ukra<strong>in</strong>ischen politischen Eliten vollzieht sich langsam und schmerzvoll.<br />

Der bisherige Verlauf <strong>der</strong> Krise<br />

Entfesselt wurde die jetzige Krise durch den Erlass des Präsidenten vom 02. April <strong>2007</strong>, mit dem Juscht schenko<br />

das Parlament aufl öste und vorgezogene Neuwahlen für den 27. Mai ansetzte. Vorher bewerkstelligte die regierende<br />

Koalition aus Partei <strong>der</strong> Regionen, Sozialisten und Kommunisten zahlreiche Wechsel von Oppositionsabgeordneten<br />

<strong>in</strong>s Regierungslager und kündigte öff entlich bereits vollmundig an, auf diese Weise e<strong>in</strong>e verfassungsän<strong>der</strong>nde<br />

Mehrheit von 300 Abgeordneten zustande zu br<strong>in</strong>gen. In Reaktion darauf verkündete Präsident<br />

Juschtschenko se<strong>in</strong>en verfassungsrechtlich streitbaren Erlass.<br />

<strong>Die</strong> Regierungskoalition verweigerte die Aufl ösung des Parlaments, <strong>der</strong> Werchowna Rada, und 53 Abgeordnete<br />

reichten Verfassungsklage e<strong>in</strong>. Das Verfassungsgericht nahm die Klage an und beriet ab dem 17. April täglich.<br />

Während <strong>der</strong> Sitzungen wurden schwerwiegende Korruptionsvorwürfe gegen die berichterstattende Richter<strong>in</strong><br />

Susanna Stanik erhoben. <strong>Die</strong> Opposition sprach dem Gericht die Unabhängigkeit ab und war bemüht,<br />

den Konfl ikt mit neuerlichen Massenaktionen aus dem Gerichtssaal wie<strong>der</strong> auf die Straße zu tragen.<br />

Am 26. April unterzeichnete Juschtschenke e<strong>in</strong>en weiteren Präsidialerlass. Er annullierte das Dokument<br />

vom 02. April, löste das Parlament erneut auf und setzte den Term<strong>in</strong> für die Neuwahlen nunmehr auf den 24.<br />

Juni fest. Juschtschenko reagierte damit zum e<strong>in</strong>en auf die unter an<strong>der</strong>em auch durch den Europarat geäußerte<br />

Kritik, dass <strong>der</strong> Term<strong>in</strong> im Mai e<strong>in</strong>e zeitgerechte Vorbereitung <strong>der</strong> Wahlen und e<strong>in</strong>e Chancengleichheit <strong>der</strong><br />

Parteien nicht garantieren könne. Zum an<strong>der</strong>en entzog er mit <strong>der</strong> Annullierung dem Verfassungsgericht den<br />

Verhandlungsgegenstand. Auch gegen den Erlass vom 26. April reichten die Parlamentarier <strong>der</strong> Regierungskoalition<br />

bereits wie<strong>der</strong> Verfassungsklage e<strong>in</strong>.<br />

Das ukra<strong>in</strong>ische Verfassungsgericht wurde durch die Krise mittlerweile jedoch stark beschädigt. Hatte es<br />

<strong>in</strong> den Monaten vorher die Chance verpasst, sich durch Urteilsfi ndung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> zahlreichen bereits vorliegenden<br />

Verfahren als politische und moralische Letzt<strong>in</strong>stanz zu etablieren, steht es nunmehr gänzlich ohne<br />

Autorität da. Präsident Juschtschenko entließ <strong>in</strong>nerhalb des vergangenen Monats <strong>in</strong>sgesamt drei Richter per<br />

Erlass, die sich jedoch aufgrund des fragwürdigen Urteils e<strong>in</strong>es Prov<strong>in</strong>zgerichts weiter im Amt sehen. Nachdem<br />

schließlich auch noch <strong>der</strong> vorsitzende Richter Iwan Dombrowskij zurücktrat, übernahm <strong>der</strong> eigentlich<br />

vom Präsidenten entlassene Verfassungsrichter Waleri Pschenitschni jetzt sogar den Vorsitz des Gremiums.<br />

E<strong>in</strong>e Entscheidung dieses Verfassungsgerichts wird auf ke<strong>in</strong>erlei Akzeptanz stoßen und scheidet als Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Konfl iktlösung aus.<br />

Während des gesamten Verlaufs <strong>der</strong> Krise bestanden bisher, trotz immer neuer Verschärfungen <strong>der</strong> Situation,<br />

gut funktionierende Kommunikationsmechanismen zwischen Präsident und Premier. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung<br />

schien bereits mehrfach möglich, nachdem Viktor Janukowitsch Zugeständnisse <strong>in</strong> allen strittigen Punkten,<br />

abgesehen von den Neuwahlen, angekündigt hatte. Es entstand jedoch <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck, dass <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong>,<br />

mittlerweile als »Kriegspartei« bezeichnete, engere Kreis <strong>der</strong> Präsidialadm<strong>in</strong>istration, sich mit e<strong>in</strong>er Lösung<br />

nicht zufrieden geben wollte, die ke<strong>in</strong>e Neuwahlen be<strong>in</strong>haltet.<br />

Am 04. Mai vollzog sich dann e<strong>in</strong>e erste Wende: Premier Janukowitsch stimmte nach e<strong>in</strong>em erneuten<br />

Gespräch mit Juschtschenko öff entlich den Neuwahlen zu. E<strong>in</strong>e Arbeitsgruppe aller Parlamentsfraktionen erarbeitet<br />

seitdem Vorlagen für den nötigen gesetzlichen Rahmen. Das Parlament soll nach Abschluss <strong>der</strong> Vorar-

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