15.12.2012 Aufrufe

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

58 Heiko Ple<strong>in</strong>es (Hg.)<br />

bereit ist. Bei <strong>der</strong> Verhandlung um Posten und auch bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Festlegung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik<br />

könnte es allerd<strong>in</strong>gs zu Konfl ikten <strong>in</strong>nerhalb von Unsere Ukra<strong>in</strong>e kommen. Erschwert würden<br />

diese Verhandlungen, wenn <strong>der</strong> Block Litw<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Koalitionsverhandlungen e<strong>in</strong>bezogen würde. <strong>Die</strong>se Option<br />

würde <strong>der</strong> orangen Koalition e<strong>in</strong>e stabile Parlamentsmehrheit sichern. Wladimir Litw<strong>in</strong> würde aber wahrsche<strong>in</strong>lich,<br />

genau wie Olexan<strong>der</strong> Moroz bei den vorhergehenden Koalitionsverhandlungen, auf dem Posten des Parlamentspräsidenten<br />

bestehen. Moroz war <strong>der</strong> Posten damals verweigert worden, was wohl die zentrale Ursache<br />

für se<strong>in</strong>en Seitenwechsel war.<br />

Ebenso hatten die damaligen Koalitionsverhandlungen die Opposition verärgert, da das orange Lager die<br />

Leitung aller Parlamentsausschüsse unter sich ausmachte. <strong>Die</strong> Regierungskoalition unter Leitung <strong>der</strong> Partei <strong>der</strong><br />

Regionen hatte <strong>der</strong> Opposition dann h<strong>in</strong>gegen entsprechend ihres Stimmenanteils auch Parlamentsausschüsse<br />

zugestanden. <strong>Die</strong> aktuellen Äußerungen von Präsident Juschtschenko bezüglich Verhandlungen mit <strong>der</strong> Partei<br />

<strong>der</strong> Regionen s<strong>in</strong>d deshalb wohl vorrangig so zu verstehen, dass die berechtigten Ansprüche <strong>der</strong> Opposition<br />

auch beachtet werden müssen.<br />

<strong>Die</strong> entscheidende Frage wird aber se<strong>in</strong>, ob Block Timoschenko und Unsere Ukra<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, geme<strong>in</strong>sam<br />

konstruktiv Politik zu gestalten. Beides s<strong>in</strong>d Wahlblöcke, die e<strong>in</strong>e Vielzahl recht unterschiedlicher Parteien<br />

eher lose zusammenfassen. Damit stellt sich angesichts <strong>der</strong> knappen Mehrheit die Frage, ob alle Mitglie<strong>der</strong> auf<br />

e<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>geschworen werden können. Durch das Verbot von Fraktionswechseln können Parlamentsabgeordnete<br />

nun vergleichsweise gut diszipl<strong>in</strong>iert werden. Alle<strong>in</strong> die Abwesenheit von drei Abgeordneten bei e<strong>in</strong>er<br />

zentralen Abstimmung würde e<strong>in</strong>er orangen Koalition (ohne Litw<strong>in</strong>) aber schon die Mehrheit kosten.<br />

H<strong>in</strong>zu kommen die schweren <strong>in</strong>haltlichen Diff erenzen vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik. Während Präsident<br />

Juschtschenko im Herbst 2005 die M<strong>in</strong>isterpräsident<strong>in</strong> Timoschenko nach <strong>der</strong> alten Verfassung noch e<strong>in</strong>fach<br />

entlassen konnte, ist jetzt e<strong>in</strong> Misstrauensvotum des Parlaments erfor<strong>der</strong>lich und die Stellung <strong>der</strong> M<strong>in</strong>isterpräsident<strong>in</strong><br />

auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politikgestaltung gestärkt. Präsident Juschtschenko und Unsere Ukra<strong>in</strong>e werden also<br />

viele Kompromisse e<strong>in</strong>gehen müssen, wenn die orange Koalition dieses Mal von Dauer se<strong>in</strong> soll. Ob sie diese<br />

Zerreisprobe aushalten, darf bezweifelt werden.<br />

Demokratisierung als langer Weg<br />

Wenn Demokratisierung nicht als e<strong>in</strong>maliger sensationeller Sieg <strong>der</strong> demokratischen Kräfte gegen die Diktatur<br />

verstanden wird, son<strong>der</strong>n als langer Lernprozess, <strong>in</strong> dem Politiker, Bürokraten, Journalisten, Wähler nicht nur<br />

freie Wahlen sicherstellen son<strong>der</strong>n Kontroll-, Informations- und Diskussionsfunktionen übernehmen, dann war<br />

<strong>der</strong> Verlauf <strong>der</strong> <strong>vorgezogenen</strong> Parlamentswahl hoff entlich mal wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Schritt <strong>in</strong> die richtige Richtung.<br />

Wenn es sich die zentralen politischen Akteure nicht spontan noch an<strong>der</strong>s überlegen, womit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e<br />

lei<strong>der</strong> immer gerechnet werden muss, dann wird die Durchführung demokratischer Wahlen langsam zur<br />

Rout<strong>in</strong>e. In <strong>der</strong> Defi nition des Politikwissenschaftlers Juan L<strong>in</strong>z ist e<strong>in</strong>e Demokratie konsolidiert, wenn gilt:<br />

»Democracy is the only game <strong>in</strong> town.« Zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rhetorik aller wesentlichen politischen Kräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Ukra<strong>in</strong>e gilt dies jetzt. In ihren Handlungen lei<strong>der</strong> bisher noch nicht immer.<br />

In dieser Perspektive ist <strong>der</strong> größte Sieg <strong>der</strong> Orangen Revolution die Integration von Viktor Janukowitsch<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> demokratisches System. Wenn sich die Partei <strong>der</strong> Regionen mit ihrer denkbar knappen Wahlnie<strong>der</strong>lage<br />

und e<strong>in</strong>er konstruktiven Oppositionsrolle wirklich abfi ndet, dann ist dies e<strong>in</strong> größerer Schritt <strong>in</strong> Richtung<br />

Demokratisierung als er von e<strong>in</strong>er dauerhaften orangen Koalition je hätte geleistet werden können.<br />

Über den Autor:<br />

Prof. Dr. Heiko Ple<strong>in</strong>es vertritt <strong>der</strong>zeit an <strong>der</strong> Universität Bremen die Professur »Vergleichende Analyse politischer<br />

Systeme«. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an <strong>der</strong> Forschungsstelle Osteuropa (z.Z. beurlaubt).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!