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„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung

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• die ausgeprägten genossenschaftlichen Binnenbeziehungen im Dorf, die sich sowohl<br />

auf die Nutzung rein gemeindlicher Einrichtungen (Gemeinweide, Anger etc.) als<br />

auch vorwiegend individuell genutzter Flächen erstreckten (Acker),<br />

• die enge Bindung agrarischer Existenz an die naturräumlichen Voraussetzungen,<br />

• die starke soziale Differenzierung der dörflich-ländlichen Bevölkerung mit <strong>eine</strong>m<br />

hohen und weiter steigenden Anteil klein- und nichtbäuerlicher<br />

Bevölkerungsgruppen, die in hohem Maße auf gewerbliche Tätigkeiten angewiesen<br />

waren.<br />

Zwar gab es hinsichtlich der konkreten Ausprägung dörflicher Existenz und<br />

Abhängigkeit <strong>eine</strong> Fülle von regionalen und lokalen Besonderheiten, die selbst <strong>eine</strong><br />

Typisierung erschweren, aber es lässt sich ein Grundmuster erkennen, in dem die<br />

genannten Elemente in unterschiedlicher Ausprägung unter wechselnder Beziehung<br />

zueinander zu erkennen sind.<br />

Gleichwohl sollte nicht übersehen werden, dass es auch vor 1800 Veränderung in<br />

der agrarischen Welt gab, wie die nordwestdeutsche Agrarverfassung ebenso wie die<br />

internationalen Wirtschaftsbeziehungen belegen, denen der ländliche Raum<br />

unterworfen war (vgl. unten Kapitel Dorf und Landwirtschaft vor der<br />

Industrialisierung) und die, soweit die Vermutung in <strong>eine</strong>m fließenden Prozess in die<br />

erste Reformphase übergingen.<br />

1. <strong>„Bauernbefreiung“</strong> und „liberale Agrarreformen“<br />

Die in dem Titel dieses Bandes genannten Bezeichnungen Agrarreformen und<br />

Bauernbefreiung können zu Irritationen Anlass geben, handelt es sich doch um<br />

konkurrierende bzw. gegenseitig ausschließende Begriffe. Es gibt dennoch gute<br />

Gründe, beide Begriffe zu benutzen. Um deren Bedeutungsgehalt richtig einschätzen<br />

zu können, ist es notwendig, sich ihrer historiographischen Dimension zu<br />

vergegenwärtigen. Von „Bauernbefreiung” sprach Georg Friedrich Knapp, damals<br />

Hochschullehrer am Staatswissenschaftlichen Seminar in Straßburg, zum ersten Mal<br />

1887, als er in s<strong>eine</strong>m Werk mit dem bezeichnenden Titel „Über die Bauernbefreiung<br />

und den Ursprung der Landarbeiter in den älteren Theilen Preußens“ die preußischen<br />

Agrarreformen <strong>eine</strong>r kritischen Prüfung unterzog. 5 Ausgehend von <strong>eine</strong>r Analyse der<br />

früheren Zustände und ersten Reformansätze im 18. Jahrhundert widmete er sich<br />

speziell den aus dem Oktoberedikt von 1807 hervorgegangenen Reformgesetzen in<br />

den Preußen. 6 Das Oktoberedikt, vor allem jedoch das Edikt von 1811 und die<br />

Deklaration zu diesem Edikt von 1816 schufen zwar trotz massiver adeliger<br />

Gegenwehr die Voraussetzungen für die Auflösung der Gutsherrschaft als intensivster<br />

Form feudaler Herrschaft in Europa. 7 Die Befreiung fand jedoch unter Bedingungen<br />

statt, die vornehmlich den Gutsherren nützte und den Bauern gegenüber ihren<br />

ehemaligen Herren kaum Schutz bot.<br />

5<br />

KNAPP (1887). Die neueste Gesamtdarstellung unter Ausklammerung der<br />

Gemeinheitsteilungen und Verkoppelungen bietet DIPPER (1980), dort S. XX-XX ein<br />

Überblick zur Forschungsgeschichte. Die bislang umfassendste neuere Studie bietet<br />

HARNISCH (1984), siehe jetzt auch ACHILLES (1993).<br />

6 Deshalb findet sich der Hinweis auf die Entwicklung in den „älteren Theilen” Preußens<br />

im Titel der Arbeit.<br />

7 Allerdings wurde die Gutsherrschaft in anderen Territorien, wie im benachbarten<br />

Mecklenburg noch intensiver ausgeübt, Mager, Mecklenburg.<br />

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