„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung
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18. Jahrhunderts, wie z.B. 1755 in Göttingen, änderte sich das. 5 Die nun einsetzende<br />
systematische theoretische Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft zielte vor allem<br />
auf <strong>eine</strong> Hebung der Einkünfte des eigenen Staates und klammerte damit Aspekte des<br />
internationalen Handels weitgehend aus. 6 Die Landwirtschaft spielte allein deshalb in<br />
der Arbeit bedeutender Kameralisten <strong>eine</strong> zentrale Rolle, weil sie der wichtigste<br />
ökonomische Bereich der Volkswirtschaft war. Die Analyse der Kameralisten legte <strong>eine</strong><br />
Reihe von Schwachstellen der agrarischen Wirtschaft bloß. Bemängelt wurden die<br />
mangelnde Effektivität, die unzureichende Bodenbearbeitung, die unzureichend<br />
eingeführte Fruchtwechselwirtschaft, die genossenschaftlichen Nutzungsrechte und die<br />
naturalen Belastungen der abhängigen bäuerlichen Betriebe. J. H. G. von Justi nannte<br />
folgende Problembereiche:<br />
• <strong>eine</strong> zu enge Siedlungsweise, weshalb er <strong>eine</strong> Auflockerung der Dörfer bzw.<br />
Aussiedlung der Höfe forderte,<br />
• zu schmale und zu lange Ackerstreifen,<br />
• die gemeinschaftlichen Weiderechte auf Brach- und Stoppelfelder, die aufgehoben<br />
und statt dessen Gemeinheitsteilungen und Verkoppelungen durchgeführt werden<br />
sollten,<br />
• <strong>eine</strong> teilweise übermäßige Größe von Rittergütern (und teilweise auch von<br />
Bauerngütern),<br />
• die feudale Abhängigkeit der Bauern, insbesondere die Dienstpflicht,<br />
• <strong>eine</strong> schlechte Wirtschaftsführung seitens der Bauern. 7<br />
Die Bedeutung der Kameralisten bestand aber nicht allein darin, Mängel aufzulisten<br />
und Verbesserungsvorschläge zu erstellen, sondern in ihrer Vermittlungsfunktion als<br />
akademische Lehrer und Autoren wichtiger kameralistischer Werke. 8 Die Adressaten<br />
ihrer Arbeiten waren nicht die Bauern, sondern Beamte, Gutsbesitzer, Pastoren und<br />
Lehrer. Allein ihnen wurde <strong>eine</strong> modernisierende Funktion innerhalb der<br />
frühneuzeitlichen Landwirtschaft zugewiesen, woran sich bis in das 20. Jahrhundert nur<br />
wenig änderte. 9<br />
1. Refor m der Landwir tschaft<br />
Nicht so sehr die einzelnen Reformmaßnahmen selbst, sondern <strong>eine</strong> grundsätzliche<br />
und intensive Beschäftigung mit der Landwirtschaft war das Kennzeichen des<br />
18. Jahrhunderts. Sie blieb nicht allein auf die Universitäten beschränkt, sondern<br />
erfasste weite Bevölkerungsgruppen. Wichtige Mittler zwischen Wissenschaft und<br />
Öffentlichkeit waren die seit der Mitte des Jahrhunderts überall gegründeten<br />
5 Einen knappen ideengeschichtlichen Einblick bietet FRAUENDORFER (1963), 116-126 zu der<br />
Hausväterliteratur und 126-141 zu den Kameralisten. Siehe auch DITTRICH (1974) , 35-122.<br />
6<br />
FRAUENDORFER (1963), 126-141; GAGLIARDO (1969), 37 f.<br />
7 Justi, Abhandlung von denen Hindernissen <strong>eine</strong>r blühenden Landwirtschaft, hier nach<br />
ABEL (1978a), 282.<br />
8 Die Aufstellung kameralistischer Schriften bei DITTRICH (1974), 125-145 ist leider<br />
unvollständig. Einen immer noch brauchbaren Überblick bietet ABEL (1978a), 280-289, der<br />
den Durchbruch zur wissenschaftlichen Landbauwissenschaft auf die Jahre 1727 und 1753<br />
bis 1759 legt (ebd., S. 281). Siehe auch die älteren Darstellungen von Zielenziger,<br />
Kameralisten und TAUTSCHER (1947). Einen Überblick zur niedersächsischen<br />
Landwirtschaft bietet ACHILLES (1987), außerdem ACHILLES (1987).<br />
9<br />
ACHILLES (1994).<br />
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