„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung
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Eine vollständig entschädigungslose Befreiung der Bauern war indes ohnehin<br />
illusorisch, denn selbst in den von Frankreich dominierten bzw. beeinflussten Gebieten<br />
des Rheinbundes wurde zur gleichen Zeit lediglich die persönliche Abhängigkeit<br />
(Leibeigenschaft) entschädigungslos aufgehoben.<br />
Die Festlegung von Landabtretungen an der Stelle von Geldzahlungen (wie in den<br />
französischen dominierten oder beeinflussten Gebieten Deutschlands) war angesichts<br />
der unleugbaren Geldknappheit ostelbischer Bauern verständlich. Allerdings bedeutete<br />
die Abtretung von der Hälfte bis zu <strong>eine</strong>m Drittel des Landes, dass die bäuerliche<br />
Bevölkerung besonders schwer betroffen wurde, zumal der Bauernschutz nicht weiter<br />
bestand. Die Konsequenzen aus diesem Reformansatz waren nach Knapps Ansicht<br />
unverkennbar: Die Bauern wurden gleichsam doppelt befreit, denn neben den<br />
bisherigen feudalen Belastungen verloren sie zudem ihr Land, wodurch <strong>eine</strong> nicht<br />
geringe Anzahl von ihnen zu Landarbeitern herab gestuft wurden. Gleichzeitig waren<br />
die bisherigen Gutsbesitzer zwar ihrer alten feudalen Rechte enthoben, konnten aber<br />
ihre ökonomischen und politischen Rechte weitgehend sichern.<br />
Knapp verband mit s<strong>eine</strong>r Darstellung der Agrarreformen <strong>eine</strong> heftige Kritik an<br />
<strong>eine</strong>m liberalen Staat, der nicht nach den sozialen Folgen s<strong>eine</strong>r Aktivitäten fragte, und<br />
damit millionenfaches Elend auslösen konnte <strong>–</strong> ein Elend, welches zu Beginn s<strong>eine</strong>s<br />
Jahrhunderts die dörfliche Bevölkerung, gegen dessen Ende die Arbeiterbevölkerung<br />
erfasste.<br />
S<strong>eine</strong> Analyse hielt allerdings <strong>eine</strong>r kritischen Überprüfung nicht stand, was nicht<br />
verhinderte, dass die preußischen Reformen in Folge des Oktoberedikts lange Zeit als<br />
gleichsam idealtypische Form der Bauernbefreiung verstanden wurden. S<strong>eine</strong> Schüler,<br />
unter ihnen Werner Wittich, untersuchten in den folgenden Jahrzehnten bis zum<br />
Ersten Weltkrieg die Verhältnisse in anderen Territorien Deutschlands und gelangten<br />
zu <strong>eine</strong>m wesentlich milderen Befund, denn hier kam es nicht zu den Landabtretungen<br />
wie in den älteren Teilen Preußens, somit auch nicht zu <strong>eine</strong>r massenhaften Entstehung<br />
<strong>eine</strong>s Landarbeiterproletariats. 8<br />
Damit konzentrierte sich die Forschung weiter auf die altpreußischen Reformen<br />
und konnte bald das von Knapp skizzierte Bild in wichtigen Elementen korrigieren.<br />
S<strong>eine</strong> Annahme, erst durch die Reformen sei <strong>eine</strong> nennenswerte Landarbeiterschaft<br />
entstanden, konnte widerlegt werden, denn schon im 18. Jahrhundert nahm die Zahl<br />
der Landarbeiter erkennbar zu. 9 Auch s<strong>eine</strong> Vermutung, die Bauern seien die<br />
eindeutigen Verlierer der Reformen gewesen, ließ sich in dieser pauschalen Form nicht<br />
aufrecht erhalten. Knapps Thesen müssen vor allem in drei Bereichen korrigiert<br />
werden:<br />
• Eine stärkere Landarbeiterschaft gab es schon im 18. Jahrhundert,<br />
• die Befreiung der Gutsbauern in Folge des Oktoberedikts bis zum<br />
Regulierungsedikt von 1816 betraf nur <strong>eine</strong>, wenngleich starke Minderheit der<br />
gesamten bäuerlichen Bevölkerung,<br />
• für <strong>eine</strong> Bewertung der bäuerlichen Landverluste müssen neben den eigentlichen<br />
Landregulierungen zusätzlich die Veränderungen in Folge der Gemeinheitsteilungen<br />
und Verkoppelungen berücksichtigt werden. 10<br />
Genau 70 Jahre nach Knapp veröffentlichte Werner Conze <strong>eine</strong>n Aufsatz, in dem er<br />
<strong>eine</strong> inhaltliche und begriffliche Ausweitung vornahm. Conze berücksichtigte dabei,<br />
8 Schüler nennen, WITTICH (1896), LUDWIG (1896).<br />
9 Beleg!<br />
10 Dazu zusammenfassend HARNISCH (1984).<br />
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