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„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung

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feststellen. 142 Selbst dort, wo es wie in den Ländern des Kurfürstentums Hannover<br />

nicht zur Ausbildung des Absolutismus kam, 143 nahm die staatliche Kontrolle des<br />

bäuerlichen Besitzes zu Lasten der adeligen Grundherren weiter zu. Diese Ausweitung<br />

staatlicher Eingriffe war für den agrarischen Sektor insofern von Bedeutung, als sich<br />

hier das Bestreben artikulierte, die adeligen Zwischengewalten nach und nach zu<br />

entmachten, und <strong>eine</strong> umfassende und direkte Eingriffsmöglichkeit auf alle ländlichen<br />

Untertanen zu erreichen. 144 Über die genauen Elemente dieses Veränderungsprozesses<br />

sind wir noch unzureichend informiert, aber es gibt Hinweise darauf, daß die Struktur<br />

der nordwestdeutschen Grundherrschaft mit der Gemengelage feudaler Rechte und<br />

kl<strong>eine</strong>n gutswirtschaftlichen Betrieben, der geringen Zahl von adeligen Gerichten und<br />

dem seit dem Ende des 16. Jahrhunderts durchgesetzten Bauernschutz dieser Tendenz<br />

zur Ausdehnung staatlicher Handlungsräume entgegenkam. 145 Hierdurch wurde den<br />

Privatgrundherren ein Teil ihrer elementaren sozialen und ökonomischen Rechte<br />

genommen und vermutlich die Position des Adels geschwächt. Es ist aber noch<br />

weiteren Untersuchungen vorbehalten, das Ausmaß und die Reichweite dieser<br />

staatlichen Eingriffe präziser zu ermitteln. Die Bedeutung dieser Eingriffe dürfte<br />

vermutlich weniger in ihrem Umfang, sondern in ihrer inhaltlichen Richtung zu sehen<br />

sein, denn hier artikulierte sich <strong>eine</strong> Agrarpolitik an, die <strong>eine</strong>rseits in der Tradition des<br />

Bauernschutzes des 16. Jahrhunderts stand und andererseits schon Elemente der<br />

Reformpolitik des 19. Jahrhunderts enthielt. Unzureichend ist bislang die Frage<br />

beantwortet, wie der hannoversche Adel auf diese Politik reagierte.<br />

Trotz der offenkundigen Einschränkung privatgrundherrlicher Rechte blieb die<br />

ständische Struktur der Gesamtgesellschaft vorerst unantastbar, was im hannoverschen<br />

Staat um so mehr galt, als hier der Adel im 18. Jahrhundert zentrale politische<br />

Funktionen übernommen hatte und ihm kein ortsanwesender handlungsfähiger<br />

Landesherr gegenüberstand. 146 Damit ist ein aus landesherrlicher Sicht zentrales<br />

Dilemma der Reformen angesprochen: Die politischen Strukturen setzten <strong>eine</strong> enge<br />

Abstimmung mit den ständischen Zwischengewalten, speziell dem Adel voraus,<br />

wodurch <strong>eine</strong> einheitliche Reformpolitik entscheidend behindert bzw. in ihrer Richtung<br />

und ihren Inhalten verändert wurde. Ebenfalls nicht deckungsgleich mit der staatlichen<br />

Reformpolitik war die Position der Bauern, deren Widerstand gegen Ausweisungen für<br />

neue Anbauernstellen schon angesprochen wurde. 147 In letzter Konsequenz bedeutete<br />

dies, dass der Versuch, die agrarischen Verhältnisse entsprechend den fiskalischen und<br />

staatlichen Interessen neu zu ordnen, die vorhandene gesellschaftliche Ordnung nach<br />

und nach verändern musste. Das musste zwangsläufig auch zu <strong>eine</strong>r neuen<br />

Finanzverwaltung führen die aber erst im 19. Jahrhundert realisiert wurde.<br />

Die Frage ist, ob nicht analog zur Entwicklung im 16. Jahrhundert die Erhöhung<br />

von Steuern einherging mit <strong>eine</strong>r effektiveren Verwaltung der Domäne. Der 30jährige<br />

Krieg hatte zumindest <strong>eine</strong> erhöhten Finanzbedarf zur Folge, der sich sofort in neuen<br />

bzw. erhöhten Steuern niederschlug. 148 Während die grundherrlichen bzw. domanialen<br />

Einnahmen weitgehend stagnierten, expandierten die Steuern weiter und wurden erst<br />

142 WITTICH (1896); gibt es auch noch Neueres? Weitgehend danach auch mehrfach Achilles,<br />

zuletzt inACHILLES (1982), 5.<br />

143 Entsprechende Ansätze des 17. Jahrhunderts fanden nach der Übernahme der englischen<br />

Krone k<strong>eine</strong> Fortsetzung im 18. Jahrhundert.<br />

144 Darauf hat schon vor 100 Jahren Werner Wittich hingewiesen.<br />

145 Bislang nur ROTHE (1998).<br />

146 Lampe?<br />

147 DEIKE, DEIKE (1994), etwa S. 58-62.<br />

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