„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung
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ausschlaggebender Maßstab für politische Macht und gesellschaftliche Wertschätzung,<br />
einzige Quelle der sozialen Sicherheit und damit Angelpunkt der sozialen Logik. Wer<br />
nicht genügend Kulturland besaß, um sich und s<strong>eine</strong> Familie ernähren zu können, galt<br />
als arm. Der Grundbesitz spiegelte sich im Speisezettel, er entschied über die<br />
Möglichkeit, <strong>eine</strong> Familie gründen zu können, und er war vielfach ausschlaggebend bei<br />
der Partnerwahl.“ 1<br />
Die Nutzung des Bodens war seit Generationen bis in die kleinsten Details geregelt<br />
worden: von der dörflichen Bevölkerung und von den Grundherren, die ein Interesse<br />
daran hatten, dass bestimmte soziale und wirtschaftliche Verhältnisse auf den Dörfern<br />
bestehen blieben.<br />
Betrachtet man alte Flurkarten, so lässt sich an <strong>eine</strong>m kl<strong>eine</strong>n Detail sofort<br />
erkennen, ob sie vor oder nach den Agrarreformen, in diesem Fall den<br />
Gemeinheitsteilungen und Verkoppelungen, entstanden sind. 2 Vor den Reformen gab<br />
es so gut wie k<strong>eine</strong> gerade Linie im Dorf und in der Feldmark: die Wege und Felder<br />
verliefen meistens in gekrümmter Form und passten sich dem Geländeverlauf an.<br />
Ganz anders dagegen das Bild nach den Reformen: nun dominierten exakt<br />
ausgerichtete gerade Wege, Gräben und Felder; lediglich innerhalb der Dörfer gab es<br />
weiter das geordnete Chaos der Vorreformzeit, da die Flurbereinigung die Siedlungen<br />
(meist) ausschloß. 3<br />
Die dem Gelände angepassten Wege signalisieren die enge Beziehung von<br />
ländlichem Wohnen, Arbeiten und Leben zur umgebenden Natur. Diese Beziehung<br />
stellte um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein ausgeklügeltes, fein aufeinander<br />
abgestimmtes System dar, das allerdings auf Störungen jeder Art empfindlich<br />
reagierte. 4 Im wesentlichen basierte es auf <strong>eine</strong>r sehr differenzierten Anpassung der<br />
Menschen an die natürlichen und naturnahen Bedingungen. Dabei hatten sie schon seit<br />
langem in die natürlichen Verhältnisse eingegriffen, was vorrangig zu Lasten des<br />
Waldes gegangen war. Vor allem in der großen Rodungsphase des Hochmittelalters war<br />
<strong>eine</strong> erhebliche Ausdehnung der von Menschen besiedelten Fläche gelungen, und der<br />
Wald vor allem auf die Höhenlagen zurückgedrängt worden. 5 Allerdings hatte die<br />
große Krise des Hochmittelalters, beginnend mit dem frühen 14. Jahrhundert,<br />
erheblich verschärft durch die seit der Mitte des Jahrhunderts Europa heimsuchende<br />
Pest, ergänzt um Fehden und Auseinandersetzungen, die Menschen zu <strong>eine</strong>m Rückzug<br />
aus den größeren Höhenlagen der Mittelgebirge gezwungen. 6<br />
1<br />
PFISTER (1995), Kap. 4.1.1, Anfang.<br />
2 Statt älterer Darstellungen sei jetzt verwiesen auf SEEDORF, MEYER (1996), S. 93-140;<br />
detaillierte regionale Darstellungen liegen für den Kreis Rotenburg/Wümme vor; <strong>eine</strong><br />
neuere Zusammenfassung bieten die Erläuterungshefte der Historisch-Landeskundlichen<br />
Exkursionskarten von Niedersachsen etwa SEEDORF (1989), dort insbes. S. 34-117.<br />
3 Gegenbeispiel Schwaförden; Dorferneuerung Schwaförden, Christiane Cordes; wo habe<br />
ich das?<br />
4 Auf die mittelalterlichen Grundlagen verweist etwa HAUPTMEYER (1997), insbes. S. 1045-<br />
1054; allgemein KÜSTER (1996), XX, <strong>eine</strong>n Überblick der älteren Forschung bietet HENKEL<br />
(1983). Außerdem gibt es <strong>eine</strong> Fülle regionaler Sonderstudien; <strong>eine</strong>n guten räumlich<br />
begrenzten Überblick bieten die Beiträge in den Erläuterungsheften der Historischlandeskundlichen<br />
Exkursionskarte für Niedersachsen, etwa SEEDORF (1989). In<br />
allgem<strong>eine</strong>rem Zusammenhang lesenswert DIPPER (1994), 9-41 („Die Herrschaft der<br />
Natur“).<br />
5 HAUPTMEYER (1997), S. 1065-1068.<br />
6