„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung
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musste den geringen Landbesitz kompensieren und wurde durch die<br />
genossenschaftlichen Nutzungsrechte erleichtert. Dagegen war die Schw<strong>eine</strong>haltung an<br />
Mastrechte gebunden, die nur bei den größeren Hofstellen mit entsprechenden<br />
Eichenbeständen vorhanden waren. Erklärungsbedürftig bleibt allerdings die bis zu<br />
den Kleinstellen reichende Pferdehaltung.<br />
Die in dem <strong>kurze</strong>n Textauszug aufgeführten Flurbezeichnungen (Weddigeloh,<br />
Finkenstelle, Luuckflüße) lassen die vorindustrielle Flur als ein komplexes, durch<br />
unterschiedliche Nutzungsrechte und Zuordnungen differenziertes Gebilde<br />
hervortreten, dessen wahre Bedeutung sich nur denjenigen erschloss, die das Gebiet<br />
aus eigener Anschauung kannten. 148<br />
Neben Wehrbleck gab es noch die beiden Vollmeier in Nordholz (12 bzw. 5 ½<br />
Malter Aussaat) und fünf Stellen in Strange nördlich von Wehrbleck. Diese Siedlung<br />
entstand auf <strong>eine</strong>r Sanddüne am Moor (daher der Flurname Strange), diente den<br />
Wehrblecker Bauern als gemeinsames Weiderevier (Anger) und wurde gegen den<br />
teilweise erbitterten Widerstand der Wehrblecker Einwohner im 18. Jahrhundert weiter<br />
ausgebaut. 149 Bis 1769 150 entstanden hier sechs Stellen, die allesamt als Brinksitzer bzw.<br />
Beibauern eingestuft wurden und mit Ausnahme des ersten Brinksitzers (3 Malter<br />
Aussaat) über kein eigenes Land verfügten. In Wehrbleck selbst nahm die Stellenzahl<br />
bis 1769 um ebenfalls sechs auf nunmehr 24 Stellen zu.<br />
Das Siedlungsgebiet um Wehrbleck wies damit in der zweiten Hälfte des<br />
18. Jahrhunderts das Nebeneinander von drei Siedlungsformen auf: <strong>eine</strong>n Doppelhof,<br />
<strong>eine</strong> relativ geschlossene Bauernsiedlung und <strong>eine</strong> Nachsiedlung. Unverkennbar war<br />
zudem die Zunahme der Kleinstellen seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert,<br />
womit <strong>eine</strong> Entwicklung fortgesetzt wurde, die schon im 16. Jahrhundert begonnen<br />
hatte.<br />
Angesichts der ungünstigen naturräumlichen Voraussetzungen <strong>–</strong> Heide und Moor<br />
prägten in erster Linie die Siedlungslandschaft, während die Ackerflächen relativ klein<br />
und den älteren Hofstellen vorbehalten waren <strong>–</strong> erhebt sich die Frage, welche<br />
wirtschaftliche Grundlage die Kleinstellen hatten. Gewiß nutzten sie die<br />
genossenschaftlichen Flächen zur Viehhaltung, was den erwähnten Widerstand der<br />
alten Siedler gegen die neuen Stellen provozierte, stachen Torf und arbeiteten teilweise<br />
bei den Bauern. Das allein dürfte aber nicht ausgereicht haben. Als weitere<br />
Erwerbsquelle taucht in den Quellen der „Hollandgang“ auf. 151 Eine Aufstellung von<br />
1767 nennt aus Wehrbleck 15 Männer, die nach Holland gingen um zu „baggern”<br />
(Torfstechen), Gras zu mähen oder Gartenarbeit zu verrichten. 152 Die meisten<br />
verließen ihren Ort Mitte April und kehrten im Juni und Juli zurück. Sie verdienten<br />
Brutto zwischen 18 und 40 Reichstaler (rt.), wovon nach Abzug der Lebensmittel 153 ,<br />
der Reisekosten und der Kleidungskosten 6 bis 21 rt. Übrig blieben. Insgesamt betrug<br />
der Nettoverdienst, der auf diese Weise in das Dorf kam, über 200 rt. Bis auf zwei<br />
Neubauer handelte es sich im übrigen um Häusler, die in den landesherrlichen<br />
Registern um dieses Zeit nicht erwähnt werden. Damit ist also die Frage, welche<br />
Existenzgrundlage die kl<strong>eine</strong>n Stätten hatten, nur zu <strong>eine</strong>m Teil zu beantworten.<br />
148 Allgemein zur Flurnamenforschung SCHEUERMANN (1995).<br />
149 NHStAH Hann. 74 Sulingen 1495. Allgemein CORDES (1981), XX.<br />
150 Ebd. (Nachträge).<br />
151 Hierzu BÖLSKER-SCHLICHT (1987); TACK (1902), EIYNCK (1993).<br />
152 NHStAH Hann. 74 Sulingen 1536.<br />
153 Fast alle nahmen zwischen 40 und 50 Pfd. Speck und etwas Fahrgeld mit.<br />
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