„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung
„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung
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I. Statt <strong>eine</strong>s Vorworts<br />
Im Jahre 1831 <strong>–</strong> in Deutschland zeigten sich Anzeichen revolutionärer Gesinnung und<br />
Tendenzen <strong>–</strong> brach auch im bis dahin ruhigen Königreich Hannover <strong>eine</strong> neue Zeit an.<br />
Sie kündigte sich u.a. dadurch an, dass über grundlegende Dinge wie die Reform der<br />
Landwirtschaft heftig gestritten wurde. Im Mittelpunkt stand dabei die Aufhebung der<br />
bisherigen bäuerlichen Unfreiheit, weniger umstritten war die Aufhebung der<br />
Gemeinweiden, der Angerflächen, der gem<strong>eine</strong>n Marken. Nur <strong>eine</strong>r verweigerte sich<br />
der Annahme, dass die neuen Zeiten unwiederbringlich angebrochen seien, und <strong>eine</strong><br />
genossenschaftliche Nutzung der Feldmarken <strong>eine</strong>r alten, rückständigen Zeit angehöre.<br />
Salomon Philipp Gans aus Celle stemmte sich in <strong>eine</strong>r 1831 in Braunschweig<br />
publizierten Schrift geradezu gegen den Zug der Zeit. S<strong>eine</strong> Schrift war betitelt mit<br />
„Ueber die Verarmung der Städte und des Landmannes und den Verfall der städtischen<br />
Gewerbe im nördlichen Deutschland, insbesondere im Königreiche Hannover. Versuch<br />
<strong>eine</strong>r Darstellung der allgem<strong>eine</strong>n Hauptursache dieser unglücklichen Erscheinungen<br />
und der Mittel zur Abhülfe derselben“.<br />
Eine s<strong>eine</strong>r Klagen bestand darin, dass die Gemeinheitsteilungen und<br />
Verkoppelungen, wir würden heute sagen, die Flurbereinigung, zu schnell und ohne die<br />
Mitsprache der Bauern durchgeführt werde. Gewiss habe sie Vorteile, aber auch<br />
Nachteile wie die „Isolirung des Landmannes in der Aufhebung des freundlichen<br />
nachbarlichen Verhältnisses und Ertödtung alles Gemeinsinnes. “ 1 Gans sah etwas, was<br />
sein Kritiker nicht sehen wollten oder konnten 2 : durch die Reformen, welche im<br />
19. Jahrhundert in Niedersachsen durchgeführt wurden, erfolgte <strong>eine</strong> Umgestaltung der<br />
Landwirtschaft, die nicht nur zu <strong>eine</strong>r Steigerung der Produktivität führte, sondern die<br />
weit reichende Konsequenzen sowohl für die landwirtschaftlichen Betriebe selbst, die<br />
dörfliche Bevölkerung und die gesamte Gesellschaft hatten. Der Fortschritt brachte<br />
zwar auch Vorteile mit sich, er führte aber auch zur Zerstörung von Strukturen, die bis<br />
dahin über Jahrhunderte das Leben auf dem Lande geprägt hatten. Diese Zerstörung,<br />
die inzwischen fast 200 Jahre zurück liegt, hat bis heute wirkende Folgen, erschwert sie<br />
es uns doch heute so sehr das Verständnis dieser untergegangenen ländlichen Welt. Die<br />
Rekonstruktion dieser Welt vor den Reformen und mehr noch die Bewertung dieser<br />
Welt <strong>–</strong> war sie wirklich so reformbedürftig wie oft von zeitgenössischen Kritikern<br />
formuliert wurde? -- ist ein mühseliges Geschäft, <strong>eine</strong> Herausforderung, die immer<br />
wieder nur zu Zwischenergebnissen führen kann.<br />
II. Die <strong>„Bauernbefreiung“</strong> <strong>–</strong> <strong>eine</strong> <strong>kurze</strong> <strong>Einführung</strong><br />
Gegenstand dieses Buches ist die Befreiung der Bauern von Abhängigkeiten, die sie in<br />
ihrer Wirtschaftsführung und ihrem gesamten Leben stark eingrenzten und zudem<br />
vielfältige Lasten und Belastungen zur Folge hatten. Diese Abhängigkeiten lassen sich<br />
in zwei Gruppen einteilen:<br />
1. Solche von Herren, die den Bauern das Land zur Bebauung überlassen hatten und<br />
nun sowohl darüber bestimmten, wie das Land genutzt wurde, als auch<br />
Dienstleistungen und Abgaben von den Höfen einforderten. Diese Herrschaftsrechte<br />
waren durchaus unterschiedlich. Wir fassen diese Abhängigkeiten knapp als „feudale<br />
1 GANS (1831), 56-58.<br />
2 BARING (1831).<br />
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