15.12.2012 Aufrufe

„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung

„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung

„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kehren wir aber noch einmal zu den Ernteerträgen zurück, denn deren Höhe wurde<br />

nicht allein von der Bodengüte beeinflusst, sondern in hohem Maße von äußeren<br />

Einflüssen, insbesondere vom Wetter und Ungezieferbefall. Beide Faktoren<br />

verursachten von Jahr zu Jahr starke Schwankungen bei den Ernteerträgen. 39<br />

Bei mehrjährigen Missernten schaukelten sich die Mindererträge schnell zu<br />

extremen Krisen auf, die dadurch verschärft wurden, dass ab der zweiten Missernte<br />

Saatgetreide fehlte. Die unzureichenden Verkehrsverbindungen erschwerten außerdem<br />

den billigen Ankauf von Getreide aus anderen Regionen, verhinderten aber nicht, dass<br />

das Getreide dem Preis folgte, also von den Produzenten, größeren Bauern,<br />

Gutspächtern und dem Adel, dorthin verkauft wurde, wo die Nachfrage und die<br />

Kaufkraft am höchsten waren. 40<br />

Diese periodisch wiederkehrenden und bis in das 19. Jahrhundert hinein<br />

anhaltenden Krisenphasen, die auf dem starken kurzfristigen Rückgang des<br />

Getreideangebots beruhten, sollten nicht über Fortschritte hinweg täuschen. Für die<br />

zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts können wir davon ausgehen, dass gemessen an den<br />

Aussaatmengen zwischen dem 3. und dem 10., in Ausnahmefällen auch dem 12. Korn<br />

geerntet werden konnte. Im ersten Fall bedeutete dies, dass nach Abzug der Aussaat<br />

und der Abgaben für den Grundherrn kaum noch etwas für die Versorgung des Hofes<br />

und der Familie übrig blieb, im letzteren ermöglichten sie Überschüsse bei den<br />

größeren Höfen, die damit <strong>eine</strong>n Teil ihres Getreides auf den städtischen Märkten oder<br />

an Getreidehändler verkaufen konnten. 41<br />

Die Chancen der einzelnen ländlichen Gruppen, auf Phasen hoher Erträge und<br />

Mindererträge zu reagieren, waren demnach sehr unterschiedlich und die Abstände<br />

vergrößerten sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts offenbar weiter. Diejenigen, welche<br />

auch bei schlechten Erträgen immer noch <strong>eine</strong> Marktquote erwirtschafteten, also die<br />

großen Betriebe, profitierten überdurchschnittlich von den hohen Preisen und<br />

versuchten demgemäß, dort zu verkaufen, wo Nachfrage und Kaufkraft am höchsten<br />

waren. 42 Für diese Betriebe dürfte dementsprechend der Anreiz, neue Produkte<br />

einzuführen und die Produktivität allgemein zu erhöhen, am größten gewesen sein,<br />

wenngleich auch hierbei regionale Unterschiede <strong>eine</strong> Rolle gespielt haben dürften.<br />

Andererseits konnten sich Phasen hoher Erträge und entsprechend niedriger<br />

Getreidepreise für diese Betriebe verheerend auswirken. 43<br />

Die mittelgroßen Betriebe konnten zwar in schlechten Jahren in etwa ihren<br />

Eigenbedarf decken, profitierten aber eher von den mengenmäßig guten Ernten, da sie<br />

nur dann Überschüsse auf dem Markt anbieten konnten. Die Klein- und Kleinststellen<br />

dagegen mussten selbst in Normaljahren Getreide zukaufen und erst recht in Zeiten<br />

geringer Ernten, in denen sie unter den extrem hohen Preisen litten.<br />

39 Zur Wetter- und Klimaforschung siehe den Überblick bei MILITZER (1996). Zu<br />

europäischen Forschungen zu den Erträgen bietet der Sammelband BAVEL, THEON (1999)<br />

<strong>eine</strong>n guten, differenzierten Überblick.<br />

40 Erst im 19. Jahrhundert mit dem Eisenbahnbau änderte sich dies, was daran ablesbar ist,<br />

daß innerhalb Deutschlands das Getreidepreisniveau sich stark anglich. WALTER (1995), 95.<br />

41 Zusammenfassend ACHILLES (1982), 138.<br />

42 Die folgende Darstellung folgt weitgehend den frühen Thesen von ABEL (1978b), S. XX,<br />

FREIBURG (1977), hat sich kritisch mit den Annahmen auseinandergesetzt, ACHILLES (1978),<br />

<strong>eine</strong> regionale Fallstudie dazu geliefert. Eine knappe Zusammenfassung der Abelschen<br />

Thesen bietet ABEL (1974), S. 41-46.<br />

43 ABELSHAUSER, BARTMANN (2004), S. Xx (am Anfang); <strong>eine</strong> Zeit extrem niedriger Preise in<br />

den 1820er Jahren leitete <strong>eine</strong> umfassende Kritik an den agrarischen Verhältnissen ein.<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!