„Bauernbefreiung“ – eine kurze Einführung
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Die Chancen, durch den Ackerbau vergleichsweise sichere Einnahmen zu<br />
erwirtschaften, waren also regional und sozial ungleich verteilt, woran sich auch durch<br />
die langfristig steigenden Erträge nur wenig änderte, denn letztere stiegen am meisten<br />
in den ohnehin begünstigten Landschaften und hatten positive Effekte nur für die<br />
größeren Betriebe. 44 Andererseits ergab sich hieraus, dass die Landwirtschaft als<br />
Gewerbe zunehmend lukrativer wurde, und damit wichtige Anreize zur<br />
Modernisierung gegeben waren.<br />
2. Das „liebe“ Vieh<br />
Das Wort von der „Vergetreidung” mag den vorschnellen Schluss nahe legen, dass der<br />
Viehwirtschaft k<strong>eine</strong> große Bedeutung zu kam. Dem war gewiss nicht so. Einerseits<br />
gab es mit den Heide- und Angerflächen und nicht zuletzt den niedersächsischen<br />
Nieder- und Hochmooren bis in das 18. Jahrhundert Flächen, die, wenn überhaupt, nur<br />
<strong>eine</strong>r extensiven Bewirtschaftung zugänglich waren. Sie alle spielten <strong>eine</strong> nicht zu<br />
unterschätzende Rolle für die vorindustrielle Landwirtschaft als Viehweide, als<br />
Plaggenhieb 45 oder zum Holzsammeln und waren damit fester Bestandteil <strong>eine</strong>r<br />
differenzierten und genossenschaftlichen Form der Landnutzung. Diese Flächen<br />
stellten zudem Ausgleichsflächen dar, die im Zuge der Bevölkerungszunahme <strong>eine</strong>r<br />
intensiveren Nutzung zugeführt wurden. Die Heideflächen bildeten ein Reservoir für<br />
die Landesherrschaft, das in Zeiten steigender Bevölkerung für Hausbau und<br />
Landausweisungen gern genommen wurde. Bevölkerungszunahme brachte das<br />
bisherige System genossenschaftlicher und extensiver Landnutzung aus dem<br />
Gleichgewicht. Die Folgen für die genossenschaftlichen Flächen waren teilweise<br />
erschreckend, auch wenn in den zeitgenössischen Berichten gewiss übertrieben wurde<br />
wie etwa in den Reiseberichten des Bremer Stadtarchivars Johann Georg Kohl:<br />
„Die Meente [d.h. Gemeinheit, d. Verf.] war ein Institut, das noch aus den barbarischen<br />
Nomadenzeiten zu stammen scheint …Die hohe Haide und der weit um das Dorf sich<br />
herumziehende Wildboden galt als gemeinschaftlicher Besitz der gesamten Bauernschaft, als ein<br />
Gemeingut … und dieselbe für die armen Haidschnucken des Dorfs als Weide. Es war die einzige<br />
Benutzungsweise, die in der Haide möglich war. Jeder trieb auf diese Meente soviel Schafe, als ihm<br />
beliebte. In den Privatbesitz <strong>eine</strong>s strebsamen Individuums konnte nichts davon kommen. Reformen<br />
konnten nicht gemacht werden. Es mußte alles unter dem gefräßigen Zahn der hungrigen<br />
Haidschnucken bleiben … Es ist überflüssig nachzuweisen, dass diese Meente gleichsam wie ein<br />
Alp, wie ein Fluch auf allen Verhältnissen in den Haideländereien lastete …” 46<br />
Viehzucht diente der Fleisch- und Milchversorgung, der Anspannung und der<br />
Düngerproduktion. Es gab gleichwohl <strong>eine</strong>n latenten Viehmangel, der sich in immer<br />
wiederkehrenden Klagen über den zu geringen Viehstapel artikulierte. Das Vieh,<br />
speziell Rindvieh und Schafe, war der entscheidende, nahezu ausschließliche<br />
Düngerlieferant, weshalb dessen ausreichende Zahl nicht zuletzt für den Ackerbau von<br />
kaum zu unterschätzender Bedeutung war, so dass die noch zu erläuternden<br />
Bestrebungen um <strong>eine</strong> Erhöhung des Viehstapels weniger wegen der<br />
44 AKERLOF, MIYAZAKI (1980).<br />
45 Plaggenhieb heißt, dass im Sommer Heidesoden abgestochen und dann als Streu für den<br />
Stall genommen wurde. Die mit Dung getränkten Soden wurden anschließend wieder auf<br />
dem Land als Dünger ausgebracht. Um <strong>eine</strong> Fläche von <strong>eine</strong>m Morgen mit Plaggen zu<br />
düngen, mussten etwa zehn Morgen Heide abgetragen werden.<br />
46 KOHL (1990), S. 25 f.<br />
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