RegioBusiness Nr. 193 - 07/2018
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Juli <strong>2018</strong> I Jahrgang 17 I <strong>Nr</strong>. <strong>193</strong><br />
Politik & Wirtschaft 03<br />
Faszinierender Blick in die Zukunft<br />
Business Forum: Früherer Google-Chef Christian Baudis betrachtet die Megatrends der Digitalisierung.<br />
VON HERIBERT LOHR<br />
Die Veranstaltung hat zwischenzeitlich<br />
eine gewisse<br />
Tradition und stößt bei jedem<br />
Mal auf wachsendes Interesse.<br />
Seit sechs Jahren bieten die<br />
Sparkasse Schwäbisch Hall-Crailsheim,<br />
der Personaldienstleister<br />
Bera und das Wirtschaftsmagazin<br />
REGIOBUSINESS im Landkreis<br />
Schwäbisch Hall ein gemeinsames<br />
Forum, das den Besuchern hintergründige<br />
Einblicke in heimische<br />
Firmen und spannende Grundlagen<br />
für unterhaltsame Diskussionen<br />
liefert.<br />
Leonhard Weiss in Satteldorf, Optima<br />
in Schwäbisch Hall, Procter<br />
& Gamble, Schenker und Roll in<br />
Crailsheim, waren bereits Station<br />
für das wirtschaftsinteressierte Publikum.<br />
„Normalerweise wechseln<br />
wir räumlich ab“, erklärt<br />
Sparkassenvorstand Klaus Ehrmann,<br />
„aber vor diesem thematischen<br />
Hintergrund hat sich abermals<br />
ein Crailsheimer Betrieb als<br />
Veranstaltungsort geradezu angeboten“.<br />
Das Business Forum<br />
stand dieses mal ganz unter dem<br />
Thema Digitalisierung. Der Standort<br />
Crailsheim des traditionsreichen<br />
Maschinenbauunternehmens<br />
Voith war Ende vergangenen<br />
Jahres für sein standortübergreifendes<br />
Produktionsnetzwerk<br />
(Crailsheim, Salzgitter und Garching)<br />
zur „Fabrik des Jahres“ gekürt<br />
worden.<br />
Auf umfassend begleiteten Rundgängen<br />
konnten die 120 Besucher<br />
erfahren, was der Begriff „Industrie<br />
4.0“ in Praxis bereits bedeutet.<br />
Voith setzt bei der Herstellung<br />
seiner Produkte für die Öl- und<br />
Gasindustrie unter anderem auf<br />
den Einsatz von kooperativen Robotern<br />
und entwickelt über seinen<br />
Geschäftsbereich „Voith Digital<br />
Solutions“ zusätzliche Geschäftsmodelle<br />
und Dienstleistungen.<br />
Das hat enorme Auswirkungen.<br />
„Sind nur die Hälfte unserer<br />
Maschinen am Netz, wird in nur<br />
neun Monaten ein Datenvolumen<br />
von 400 Gigabyte aufgerufen.<br />
„Smart Devices“, „smart factory“,<br />
Visionär: Christian Baudis freut sich auf Neues.<br />
Foto: Marius Stephan<br />
„machine learning“ und komplett<br />
„vernetzte Abläufe“ sind nur ein<br />
paar der Stichworte, mit denen<br />
Werksleiter Jürgen Rieger die gravierenden<br />
Umwälzungen im klassischen<br />
Maschinenbau beschreibt.<br />
Und doch ist der Stand heute bereits<br />
Vergangenheit, wie Christian<br />
Baudis dem staunenden Publikum<br />
erläutert. Der frühere Chef<br />
von Google Deutschland arbeitete<br />
an unterschiedlichen Beispielen<br />
die großen Megatrends der Digitalisierung<br />
auf.<br />
„Es geht darum, immer größere<br />
Datenmengen zu verdichten und<br />
sie dann zu nutzen“, erklärt der<br />
Fachmann. Eine Herangehensweise,<br />
die in immer schnelleren<br />
Zyklen die Bereiche Robotik und<br />
selbstfahrende Autos, Big Data<br />
und Künstliche Intelligenz, Sensorik,<br />
digitale Gesundheit und Cyber<br />
Security erfasst. Seine nüchterne<br />
Erkenntnis: „Es geht nicht mehr<br />
darum, ob diese Technologien<br />
und Algorithmen eingesetzt werden,<br />
sondern nur noch um das<br />
,Wie’.“<br />
Das autonom fahrende Automobil<br />
im öffentlichen Nahverkehr oder<br />
der Ernteroboter auf dem Feld<br />
sind für den Manager, der heute<br />
als Consultant große Unternehmen<br />
beim Kauf von erfolgsversprechenden<br />
Start-ups berät, geistig<br />
ebenso bereits eine Selbstverständlichkeit,<br />
wie der Zugriff auf<br />
eine global verbundene Diagnose<br />
per Datenbank für den Hausarzt<br />
um die Ecke. „Wie schnell das alles<br />
kommt, hängt für den ausgewiesenen<br />
Digital Entrepreneur<br />
vor allem davon ab, wie schnell<br />
die Sprachsteuerung technisch vorankommt.<br />
„Der Humanoide (individuell<br />
zugeordneter Roboter)<br />
macht nur dann Sinn“, sagt Baudis,<br />
„wenn er sich problemlos austauschen<br />
kann.“<br />
Wenn das gelingt – dann sind den<br />
Einsatzmöglichkeiten keine Grenzen<br />
gesetzt, da der Roboter über<br />
den Zugriff auf ein Datennetzwerk<br />
auch noch „ständig dazu lernen<br />
kann“.<br />
Furcht vor dieser Entwicklung<br />
hält Baudis für einen schlechten<br />
Ratgeber: „Die Verwendung“ ist<br />
er überzeugt, „zeichnet sich ja<br />
schon ab und lässt sich ohnehin<br />
nicht verhindern – dann sollten<br />
wir den größtmöglichen Nutzen<br />
und noch mehr Lebensqualität daraus<br />
ziehen. Ich komme aus dem<br />
Basketball und treibe gern Sport.<br />
Dass mir künftig meine Socken<br />
nach ein paar Schritten mitteilen,<br />
ob der neue Laufschuh perfekt<br />
passt, finde ich einfach klasse“.<br />
www.bera.de<br />
www.sparkassse-sha.de<br />
www.swp.de<br />
Im Amt bestätigt<br />
Seon-Su Kim leitet für weitere sechs Jahre den<br />
Campus Bad Mergentheim der DHBW Mosbach.<br />
Zielführend: Der lautstarke Einsatz der Streikenden vor der Crailsheimer Betriebseinfahrt hat sich gelohnt.<br />
Der Kampf hat sich gelohnt<br />
Trommeln, Pfeifen und<br />
Banner können die Mitarbeiter<br />
von Constellium in<br />
Crailsheim nun getrost zur<br />
Seite legen. Denn sie haben erreicht,<br />
wofür sie auf die Straße<br />
gegangen sind: Für sie gelten<br />
künftig wieder die Tarifverträge<br />
der Metall- und Elektroindustrie.<br />
In einem Gespräch zwischen<br />
IG Metall und der Geschäftsleitung<br />
erklärte sich der<br />
Arbeitgeber bereit, wieder in<br />
den jeweiligen Arbeitgeberverband<br />
einzutreten. Und das mit<br />
allen drei Standorten rückwirkend<br />
zum 1. Januar <strong>2018</strong>. Das<br />
sind neben Crailsheim die<br />
Werke in Landau in Rheinland-<br />
Pfalz und Burg in Sachsen-Anhalt.<br />
Constellium stellt Stangpressprofile<br />
für Autohersteller und<br />
die Industrie her. Im vergangenen<br />
Dezember verkündete die<br />
Geschäftsleitung überraschend<br />
den Austritt aus der Tarifbindung.<br />
Laut dem Betriebsratsvorsitzenden<br />
Steffen Schmidt, hat<br />
der Betriebsrat lediglich eine<br />
halbe Stunde vor den 160 Beschäftigten<br />
diese Entscheidung<br />
kommuniziert bekommen. Er<br />
sagt: „Ich habe es noch nie erlebt,<br />
dass ein Arbeitgeber innerhalb<br />
so kurzer Zeit das gesamte<br />
Vertrauen seiner Mitarbeiter<br />
verliert.“<br />
Auf den Austritt folgten mehrere<br />
Gespräche zwischen IG Metall<br />
und Geschäftsleitung, die<br />
bereits von Warnstreiks begleitet<br />
wurden. Diese blieben zunächst<br />
ohne Ergebnis. Daher<br />
stimmten die IG-Metall-Mitglieder<br />
in der Belegschaft erneut<br />
ab: 93,1 Prozent waren bei der<br />
Urabstimmung für einen unbefristeten<br />
Arbeitskampf. Mitte<br />
Juni fanden sich dann die Beschäftigten<br />
vor der Betriebseinfahrt<br />
in Crailsheim zusammen,<br />
um ihrem Ärger lautstark Luft<br />
zu machen. Von den 160 Beschäftigten<br />
befanden sich zu disem<br />
Zeitpunkt lediglich noch<br />
eine Handvoll Mitarbeiter im<br />
Gebäude. Die Produktion des<br />
Aluminiumverarbeiters stand<br />
still.<br />
EINLENKEN Uwe Bauer, Geschäftsführer<br />
der IG Metall<br />
Schwäbisch Hall, sagte vor Ort:<br />
„Der Arbeitgeber hat sich einer<br />
Lösung am Verhandlungstisch<br />
verweigert, jetzt muss er die<br />
Konsequenzen tragen.“ Sein<br />
Plan war es, so lange zu streiken,<br />
bis die Mitarbeiter wieder<br />
ihre gerechten Tarifverträge hätten.<br />
Und genau dieser Plan ging bereits<br />
nach dreieinhalb Tagen Arbeitskampf<br />
auf. Constellium<br />
habe sich laut Bauer gesprächsbereit<br />
gezeigt und sei zum Einlenken<br />
bereit gewesen. Er sagt:<br />
„Wir haben unser Ziel in vollem<br />
Umfang erreicht.“<br />
Ohne den Druck der Kollegen<br />
wäre das niemals möglich gewesen.<br />
„Mein Respekt gilt der<br />
Mannschaft vor Ort, die mit hoher<br />
Motivation und großem Engagement<br />
für die Wiederherstellung<br />
der Tarifbindung gekämpft<br />
hat.“ Sebastian Fay, zuständiger<br />
Tarifsekretär der IG Metall Baden-Württemberg,<br />
sagt: „Das<br />
Beispiel Constellium zeigt einmal<br />
mehr, dass es sich durchaus<br />
lohnt, gemeinsam für Tarifbindung,<br />
eine gerechte Entlohnung<br />
und faire Arbeitsbedingungen<br />
zu kämpfen.“<br />
www.schwaebischhall.igm.de<br />
www.constellium.com<br />
Foto: Alisa Grün<br />
Die Crailsheimer Constellium-Beschäftigten beenden ihren Streik. Der Hersteller von Standpressprofilen<br />
kehrt in die Tarifbindung der Metall- und Elektroindustrie zurück. VON ALISA GRÜN<br />
Amtsinhaber Prof. Dr. Seon-Su<br />
Kim wurde Mitte Juni als Campusleiter<br />
der Dualen Hochschule<br />
Baden-Württemberg (DHBW)<br />
Mosbach einstimmig durch den<br />
örtlichen Hochschulrat im Amt bestätigt.<br />
Damit ist er für weitere<br />
sechs Jahre Teil der Hochschulleitung<br />
und Campusleiter der Außenstelle<br />
Bad Mergentheim.<br />
BESTÄTIGUNG Rektorin Prof.<br />
Dr. Gabi Jeck-Schlottmann sieht<br />
in dem Wahlergebnis eine Bestätigung<br />
der eingeschlagenen Strategie<br />
für den Campus wie auch für<br />
die gesamte DHBW Mosbach.<br />
„Seon-Su Kim hat den Campus<br />
durch stürmische Jahre geführt.<br />
Als Ressortleiter für Internationales<br />
hat er das besondere Profil<br />
der Außenstelle geschärft“, sagt<br />
die Professorin. Während seiner<br />
Amtszeit trieb Kim den Studierendenaustausch<br />
wie auch den Austausch<br />
von Dozenten voran, weitete<br />
das englischsprachige Studienangebot<br />
aus und etablierte ein<br />
Double-Degree-Programm. Bereits<br />
2014 startete mit dem „Sommer<br />
im Schloss“ ein Pilotprojekt<br />
zur Gewinnung von EU-Abiturienten<br />
für ein duales Studium. Mit<br />
dem „Zentrum für Internationale<br />
Fachkräfte“ konnte die Hochschule<br />
zudem ein Verbundprojekt<br />
großen Umfangs an Land ziehen.<br />
Auch der Präsident der DHBW,<br />
Professor Arnold van Zyl, zeigte<br />
sich erfreut: „Die erneute Wahl<br />
zum Campusleiter ist eine Bestätigung<br />
der erfolgreichen Arbeit von<br />
Professor Kim und ein Auftrag, die<br />
in den Gremien vorgestellte Strategie<br />
umzusetzen und den eingeschlagenen<br />
Weg weiterzugehen.<br />
Durch den besonderen Fokus auf<br />
die Digitalisierung werden wir für<br />
die Dualen Partner in den beiden<br />
großen Landkreisen ein starker<br />
Bildungspartner sein.“<br />
SCHWERPUNKTE Der promovierte<br />
Wirtschaftswissenschaftler<br />
Seon-Su Kim, seit 2012 Leiter des<br />
Campus Bad Mergentheim, setzt<br />
seit Jahren neue digitale Schwerpunkte<br />
in den Bad Mergentheimer<br />
Studiengängen. So warb er<br />
eine Stiftungsprofessur für Service<br />
Engineering ein und entwickelte<br />
zusammen mit BWL-Gesundheitsmanagement<br />
das Profil „Healthcare<br />
IT“.<br />
pm<br />
www.mosbach.dhbw.de<br />
Gratulation: Seon-Su Kim (Mi.) führt seine Arbeit fort.<br />
Foto: DHBW Mosbach