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2/2018 SOCIETY<br />

31<br />

Drum prüfe,<br />

wer sich ewig bindet<br />

Wer auf die Liebe seines Lebens trifft, muss nicht zwangsläufig vor den Altar treten – das<br />

moderne Märchen sieht, wenn überhaupt, auch andere Beziehungsmodelle vor.<br />

Über die Beziehung im Wandel der Zeit.<br />

VON VANESSA SANTOS<br />

Beziehung ist eines der meist disku -<br />

tierten Themen in den Medien. Wer<br />

der Flut an Artikeln Glauben schenkt,<br />

kommt zum Schluss, dass sie kein<br />

Leben lang halten. Es wird auf<br />

Scheidungsquoten und eine sinkende Anzahl an<br />

Eheschließungen verwiesen. Beziehungen werden<br />

kürzer und vor allem komplizierter. Oft wird von<br />

einer Befristung gesprochen, als würden Paare<br />

bereits bei Beginn auf ein Ende hinarbeiten.<br />

Es könnte der Anschein entstehen, dass heute<br />

weniger Paare vor den Altar treten. Statistisch<br />

betrachtet hat die Anzahl an Eheschließungen<br />

jedoch zugenommen und die Scheidungsquote<br />

liegt nur noch bei 39,56 Prozent. Die Bereitschaft<br />

zu heiraten ist also vorhanden, allerdings hat<br />

innerhalb der vergangenen Jahre eine Neu -<br />

interpretation der Beziehung stattgefunden – eine<br />

gute Partnerschaft muss nicht mehr zwangsläufig<br />

in einer Ehe enden.<br />

Auch die Rollenverteilung ist nicht mehr so<br />

festgesetzt. Wer die Ehe im Wandel der Zeit<br />

betrachtet, stellt fest, dass sie früher einer<br />

Zweckgemeinschaft<br />

gleichkam, bei der<br />

vor allem die finan -<br />

zielle Ab sicherung<br />

und der Fort be -<br />

stand der Familie<br />

im Mit telpunkt<br />

standen.<br />

Wie Marion Stel ter, freiberufliche Psychologin<br />

und Paar thera peutin in Stuttgart, sagt, ist die<br />

heutige Vor stellung der Ehe eher romantisch<br />

geprägt. Es wird nicht erwartet, dass die Frau<br />

zuhause bleibt, um sich um Mann und Kinder zu<br />

kümmern. Frauen haben die gleichen Rechte wie<br />

Männer, streben nach privater und beruflicher<br />

Selbstverwirk lichung und haben ganz andere<br />

Möglich keiten als etwa vor 50 Jahren.<br />

Neben der Ehe haben sich neue Familien und<br />

ganz neue Beziehungsformen entwickelt:<br />

Ein-Eltern-Familien, auch nicht eheliche Lebens -<br />

gemeinschaften und Partnerschaften, bei denen es<br />

keine gemeinsame Wohnung gibt oder Fern -<br />

beziehung geführt werden.<br />

Daneben wird – besonders in Großstädten –<br />

das Single-Dasein zur Norm. Während sich<br />

klassische Beziehungsmodelle auf zwei Partner<br />

beschränken, sind bei einer offenen Beziehung<br />

auch Seitensprünge erlaubt. Viele Menschen<br />

wollen nicht in einer Partnerschaft leben und<br />

geben sich mit zwanglosen One-Night-Stands<br />

zufrieden. Mag man jemanden, aber ohne Ver -<br />

pflich tungen einzugehen, entscheiden sich<br />

manche für eine lockere Affäre, bei dem der Sex im<br />

Vordergrund steht.<br />

Wer es noch komplizierter haben möchte,<br />

bezeichnet sich als Mingle – zwei Menschen, die<br />

zwar eine körperliche Beziehung führen und als<br />

Freunde viel Zeit miteinander verbringen, aber<br />

nicht wirklich zusammen sind. Niemand will auf<br />

etwas verzichten, jeder hat die Angst etwas zu<br />

verpassen. Dabei suchen viele das perfekte<br />

Gegenüber. Das Gefühl, der Partner sei<br />

nicht genug, macht sich schon<br />

bei der kleinsten Unstimmigkeit breit. Aber wäre<br />

es vor 50 Jahren nicht auch so gewesen, wenn die<br />

Möglichkeit bestan den hätte? In einer Welt, die<br />

darauf aus gelegt war, dass eine Frau nur Ehefrau<br />

und Mutter blieb, gab es wenig Spielraum, auszu -<br />

brechen. Eine Trennung war aus finanziellen<br />

Gründen häufig unmöglich, dagegen sind heute<br />

meist beide Partner finanziell unabhängig. Es<br />

muss nicht immer zur Trennung kommen, sagt<br />

die Paar therapeutin. Es gebe Paare, die um ihr<br />

Glück kämpfen: „Oft bleibt in einer Beziehung die<br />

Romantik auf der Strecke, Ver änderungen im<br />

Leben führen dazu, dass man denkt, nicht mehr<br />

zusammenzupassen“, sagt sie. Stress, eine unter -<br />

schiedliche Lebensgestaltung und wenig Zeit<br />

füreinander – das seien alles Gründe für den<br />

Wunsch einer Trennung. „Das eigentliche Pro -<br />

blem liegt darin, dass eine Therapie oft als letzte<br />

Rettung gesehen wird. Dabei ist es weitaus<br />

schwieriger einzulenken, wenn bereits so viel<br />

kaputt gegangen ist.“<br />

Marion Stelter,<br />

freiberufliche Psychologin in Stuttgart:<br />

https://www.beziehungsmuster.de/<br />

Foto: Pexels

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