Powerpoint- Präsentationen
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Präsentation und Gesellschaft<br />
Knape (in diesem Band, S. 56f.) betont, stellt die <strong>Powerpoint</strong>-Präsentation<br />
eine Art »Kommunikationskrücke« dar. Die Rhetoriktheorie betrachtet sie als<br />
moderne Abwandlung formulargestützter Kommunikation. Redner, denen es<br />
an Eloquenz mangelt, können sich dieser Krücken bedienen, wenn sie sich mit<br />
der Aufgabe konfrontiert sehen, vor einem Publikum reden zu müssen. Entkleidet<br />
man diese Feststellung ihres kulturkritischen Untertones, so tritt eine<br />
erste Antwort auf die aufgeworfene Frage nach den gesellschaftlichen Gründen<br />
der strukturellen Dissemination der Präsentation zu Tage: Sie verbreitet sich,<br />
weil immer mehr Menschen in zahlreichen gesellschaftlichen Teilbereichen<br />
Kommunikationsarbeit dieser Art bewältigen müssen.<br />
Kommunikationsarbeit und Präsentationszwang sind klare Determinanten<br />
der »Wissensgesellschaft«. Ein weiterer, wissenssoziologisch bedeutsamer Aspekt<br />
tritt hinzu, betrachtet man die mit <strong>Präsentationen</strong> verbreiteten Wissensarten.<br />
Blickt man auf das angesprochene Disseminationsmuster, so wird klar,<br />
dass es sich bei aller Wissenszentriertheit der Präsentation als Vortragsgattung<br />
nicht um ein Genre handelt, das charakteristisch ist für die wissenschaftliche<br />
Wissensproduktion. <strong>Powerpoint</strong>-<strong>Präsentationen</strong> sind keine spezifisch wissenschaftliche<br />
Form der Wissensproduktion und -verteilung. Zwar wird in zahlreichen<br />
Wissenschaften mittlerweile reger Gebrauch von <strong>Präsentationen</strong> gemacht.<br />
Aber der Herkunft nach ist sie eine wissenschaftsfremde Form. Deshalb<br />
sieht man in weiten Teilen des kulturkritischen Diskurses über <strong>Powerpoint</strong><br />
den Vorwurf verfestigt, <strong>Powerpoint</strong>-<strong>Präsentationen</strong> eigneten sich für<br />
angemessene wissenschaftliche Argumentationen nicht, weil es ihnen an der<br />
erforderlichen Neutralität mangele und sie die Persuasion den Prinzipien des<br />
rationalen Diskurses überordneten. <strong>Präsentationen</strong> scheinen der Werbung und<br />
Propaganda näher zu stehen als dem wissenschaftlichen Disput. Wenn die <strong>Präsentationen</strong><br />
eine typische soziale Form der Wissensgesellschaft ist, so stellt sich<br />
die Frage, welche durch <strong>Präsentationen</strong> bestimmte ›epistemische Kultur‹ denn<br />
damit befördert wird? Eine typisch wissenschaftliche Episteme ist es jedenfalls<br />
nicht. Der Fokus der Präsentation liegt auch nicht auf der Wissensgewinnung<br />
und -vermittlung in hoch spezialisierten Feldern wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion<br />
(Knorr Cetina 2002). Im Gegenteil zeichnen sich <strong>Präsentationen</strong><br />
vielmehr gerade durch ihren feldübergreifenden Charakter aus.<br />
<strong>Präsentationen</strong> kommen der Beobachtung nach sogar besonders häufig an<br />
den Schnittstellen zwischen verschiedenen Wissensfeldern, in der Kommunikation<br />
mit heterogenen Publika und in der Vermittlung an den Grenzen von<br />
fachinterner Diskussion und breiterer Öffentlichkeit zum Einsatz. Vor diesem<br />
Hintergrund und angesichts ihres häufig auffallend schlichten Charakters liegt<br />
es deshalb nahe, <strong>Powerpoint</strong> im Sinne einer im Allgemeinwissen verankerten<br />
Kommunikationsgattung in einer hoch ›fragmentierten Wissenskultur‹ (vgl.<br />
Rammert 2006) zu deuten, deren zentrales Moment in der ›Übersetzung‹ komplexer<br />
Zusammenhänge auf die Ebene einer an der visuell geschulten Alltagserfahrung<br />
ausgerichteten »Basissprache« orientiert ist – ein Umstand, der oft als<br />
Reduktionismus missverstanden und mitunter scharf kritisiert worden ist.<br />
Man kann sagen: <strong>Powerpoint</strong>-<strong>Präsentationen</strong> sind nicht allein »Krücken«,<br />
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