Powerpoint- Präsentationen
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Bernt Schnettler & Hubert Knoblauch<br />
2. Wissens-<strong>Präsentationen</strong><br />
und die performative Gesellschaft<br />
Die Form der Präsentation hat dabei durchaus mit Wissen zu tun: die Gattung<br />
ist ganz zweifellos mit dem Vortrag verbunden, und ihre symbolische Abkunft<br />
aus dem akademischen Lehrvortrag und der schulischen Wissensvermittlung<br />
ist bis tief in die sozialräumliche Strukturierung eingeschrieben (vgl. Knoblauch<br />
in diesem Band, S. 189ff.). Zugleich ist die Gattung jedoch bis in ihre<br />
Selbstbezeichnung hinein von einer anderen Entwicklung geprägt: Die Präsentation<br />
stammt aus dem Bereich der Wirtschaft (vgl. Yates & Orlikowski in<br />
diesem Band, S. 225ff.). Sie ist nicht nur eng mit dem Verkauf verknüpft,<br />
sondern wird mitunter sogar von »Lehr- und Unterrichtsvorträgen« (vgl. Degenhardt<br />
& Mackert in diesem Band, S. 249ff.) kategorisch unterschieden.<br />
Wie die Untersuchungen zeigen, geht diese doppelte Herkunft in die Gattung<br />
der Präsentation ein. Es prägt sie als Gattung, und es prägt die Wissensstruktur<br />
der Handelnden: Alles weist darauf hin, dass die Wissensvermittlung eine<br />
zentrale Aufgabe von Vorträgen ist: Wie bei Lehrvorträgen wird auch bei der<br />
Gattung <strong>Powerpoint</strong>-Präsentation eine gewisse Assymmetrie überwunden.<br />
Dass Wissen vermittelt wird, ist in die Gattung eingeschrieben: Erst im doppelten<br />
Zeigen (Knoblauch in diesem Band, S. 131f.) wird die doppelte Struktur<br />
der Präsentation erzeugt, die das, was gesagt wird, zu etwas macht, das als<br />
»Wissen« erscheint. Genau darin besteht die Eigenart der Gattung, weil sie<br />
geradezu alles zum Wissen machen kann. <strong>Präsentationen</strong> sind weder auf wissenschaftliche<br />
Repräsentationen angewiesen noch auf enzyklopädisches Wissen,<br />
sondern erheben der Tendenz nach alles, was man zeigen und worüber<br />
man reden kann, in den Rang von »Wissen«.<br />
Doch es ist nicht nur Wissen, das hier repräsentiert wird, indem es präsentiert<br />
wird. Der grundlegend performative Charakter der Präsentation stellt<br />
ebenso die Vortragenden in den Mittelpunkt. Genauer sollte man sagen: sie<br />
und ihre Technik, stehen sie doch meist verdunkelt neben dem projizierten<br />
Bild. Wichtig ist, dass die Leute nicht nur arbeiten, sondern ihre Arbeit immer<br />
auch darstellen müssen – also eine Art Präsentationszwang für Arbeit existiert.<br />
Die Präsentation repräsentiert deswegen eigentlich nicht eine Wissensgesellschaft,<br />
sondern eine Beobachtungsgesellschaft, in der Arbeitende auch immer<br />
die Erträge ihrer Arbeit »öffentlich« zeigen und vorstellen müssen. Weil durch<br />
die Diffundierung der Form immer mehr Menschen in die Pflicht zur Performanz<br />
genommen werden, 4<br />
stellt sich ihnen auch die Aufgabe der Selbstdarstellung,<br />
also der Performanz des Selbst. In der Präsentation stellt sich immer auch<br />
der Präsentiere mit vor – und begibt sich damit in Wettbewerb mit anderen, die<br />
sich vorstellen. Dass diese Präsentation des Selbst im Rahmen der Berufsarbeit<br />
geschieht, macht auf die veränderten Anforderungen aufmerksam, die nicht nur<br />
4 Hier liegen die Bezüge zur Diagnose der ›Inszenierungsgesellschaft‹ (Soeffner, Willems)<br />
sowie der weiter unten ausführlicher dargelegten These zum Basisidiom (vgl.<br />
S. 278f.) auf der Hand.