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Zeitzeugen berichten<br />
singer konnte gleich den Operationssaal<br />
übernehmen. Für uns alle begann unter der<br />
ärztlichen Leitung von Herrn Direktor Dr. Fischer<br />
ein schönes, diszipliniertes Arbeiten, an<br />
das viele von der „älteren Generation“ noch<br />
mit Freude zurückdenken. Herr Pfarrer Guyot<br />
sen. besuchte uns allwöchentlich im Krankenhaus,<br />
nahm dann mit uns das Abendbrot<br />
ein und hielt uns eine Andacht. An schönen<br />
Sonnentagen suchten wir sehr oft das gastliche<br />
Pfarrhaus in Heppenheim a. d. Bergstraße<br />
auf, wo wir anregende Stunden verlebten,<br />
über die Ziele des Vereins sprechend und an<br />
der herrlichen Natur uns freuend. Sehr gut erinnerlich<br />
ist mir noch, wie uns immer einer<br />
der beiden ältesten Söhne ritterlich das Geleite<br />
zur Bahn gaben.<br />
Öfters verbrachten wir auch unseren freien<br />
Nachmittag in Darmstadt im Gemeindepflegeseminar<br />
in der Herderstraße. Dieses wurde<br />
1909 gegründet, um Schwestern sogleich<br />
nach Ablegung des staatlichen Examens<br />
– dies fand 1908 zum erstenmal statt – zur<br />
weiteren Ausbildung aufnehmen zu können.<br />
Leiterin war Freiin v. Dungern. Die spezielle<br />
Ausbildung zur Gemeindeschwester war<br />
Herrn Pfarrer Guyots sehnlichster Wunsch,<br />
und heute kann man sagen, dass er vorbildlich<br />
erfüllt wurde. Sind doch die Wohlfahrtsschulen<br />
der Nachkriegszeit nur ein Ausbau<br />
von dem, was der Gründer des Hessischen<br />
Diakonievereins vor 25 Jahren geschaffen<br />
hatte. Dem Gemeindepflegeseminar war ein<br />
Fröbelseminar mit Haushaltungsschule angegliedert.<br />
Aus diesem sollten möglichst viele<br />
Schwestern für den Hessischen Diakonieverein<br />
hervorgehen. Ich weiß nur von 5, die<br />
noch unter uns sind: Schwester Wilhelmine<br />
Volz, Emilie Urich, Johanna Henkel, Käthe<br />
Creter und Else Beyrich.<br />
Als Älteste kann ich mit voller Überzeugung<br />
sagen, dass unser Diakonieverein gehal-<br />
40<br />
ten, was er versprochen hat, und ich meine,<br />
wir haben Grund zum Danken allen denen,<br />
die dazu beitrugen, dass der Grundstein vor<br />
25 Jahren gelegt werden konnte. Außer den<br />
bereits Genannten und Mitgliedern der Freien<br />
Landeskirchlichen Vereinigung möchte ich<br />
des verstorbenen Herrn Landgerichtsdirektors<br />
Küchler dankend gedenken, bei dem die ersten<br />
Besprechungen stattfanden.<br />
Ob die Schwestern die Erwartungen erfüllten?<br />
Leider sind nur noch wenige von denen<br />
in unserer Mitte, die damals ihre Hoffnung auf<br />
uns setzten und diese Frage beantworten<br />
könnten. Dabei fällt mir ein, dass man anfangs<br />
dachte, ohne Schwesternregeln auskommen<br />
zu können; aber sehr bald baten die<br />
leitenden Schwestern um dieses oder jenes<br />
Ge- und Verbot, und so haben wir, ähnlich<br />
wie unsere Vorläuferinnen, die Diakonissen,<br />
unsere Schwesternregeln bekommen. Wo<br />
Unreife schaden könnte, muss eben auch in<br />
diesen „modernen“ Zeiten Zucht und Disziplin<br />
helfend eingreifen.<br />
Soll ich noch etwas Komisches aus dem<br />
Werdegang unserer Tracht erzählen: Wir sollten<br />
beim Antritt in der Lehrzeit eigene Waschund<br />
schwarze Kleider tragen, und so arbeitete<br />
ich z. B. in einem blaßblauen Schweizer<br />
Stickereikleid, und sonntags konnte man uns<br />
in seidenen mit Spitze garnierten Blusen unter<br />
der weißen Schürze auf der Station sehen.<br />
Und was für Sorgen machte uns die Haube,<br />
bis wir die rechte fanden! Die ersten sechs<br />
Wochen trugen wir gar keine.<br />
Möchten recht viele von den Schwestern<br />
des Hessischen Diakonievereins ein Segen für<br />
die leidende Menschheit werden und in<br />
wahrhaft christlicher Gesinnung Gemeinschaft<br />
pflegen. Dazu schenke uns Gott seinen<br />
Segen!