Berliner Kurier 24.09.2018
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
*<br />
SEITE5<br />
BERLINER KURIER, Montag, 24.September 2018<br />
Fenster zu,<br />
Erdogan<br />
kommt!<br />
Ausnahmezustand rund ums Hotel Adlon. Anwohner müssen<br />
sich zum Staatsbesuch am Donnerstag stark einschränken<br />
Von<br />
LUTZ SCHNEDELBACH<br />
Mitte – Von Donnerstag bis<br />
Sonnabend herrscht rund<br />
um das Hotel Adlon und<br />
rund ums Regierungsviertel<br />
Ausnahmezustand. Der türkische<br />
Staatspräsident Recep<br />
Tayyip Erdogan weilt in<br />
der Stadt. Anwohner müssen<br />
erhebliche Einschränkungen<br />
des Alltags über sich<br />
ergehen lassen. Fenster<br />
müssen geschlossen bleiben.<br />
Das Betreten der Balkone ist<br />
untersagt. Anwohner, die<br />
keinen Ausweis bei sich<br />
haben, werden weggeschickt.<br />
Lydia F. aus der Wilhelmstraße<br />
kennt das Prozedere bereits.<br />
Als US-Präsident Obama<br />
im Adlon wohnte, ging in der<br />
Straße nichts mehr. Ständige<br />
Überwachung, Taschenkontrollen,<br />
und keine Besuche. Es<br />
war kaum auszuhalten, sagt<br />
sie. Glücklicherweise sei sie<br />
tagsüber arbeiten und nicht zu<br />
Hause.<br />
Erdogan wird in der 189 Quadratmeter<br />
großen Präsidentensuite<br />
im Adlon wohnen.<br />
Für ihn herrscht die höchste<br />
Sicherheitsstufe. Das heißt,<br />
dass in den nächsten Tagen ge-<br />
parkte Autos abgeschleppt<br />
und abgestellte Fahrräder sowie<br />
Müllbehälter weggeräumt<br />
werden. Die Angst vor Sprengstoffanschlägen<br />
ist allgegenwärtig.<br />
Bereits seit Tagen werden<br />
Gullys verschweißt, die<br />
Spree nach Bomben abgesucht<br />
sowie das Hotel gesichert.<br />
Auch für die Organisatoren<br />
des Staatsbesuchs ändert sich<br />
das geplante Programm fast<br />
täglich. So wurde am Wochenende<br />
bekannt, dass Erdogan<br />
nicht wie ursprünglich vorgesehen<br />
am Donnerstagabendin<br />
Tegel landet, sondern nun bereits<br />
gegen 12 Uhr mittags in<br />
der Stadt eintrifft.<br />
Entgegen anderer Planungen<br />
wird er anschließend an<br />
einem Militärspalier vorübergehen.<br />
Ursprünglich war eine<br />
stille Landung geplant. Das<br />
heißt, der Gast verlässt das<br />
Flugzeug, steigt in seine Karosse<br />
ein und fährt direkt ins<br />
Hotel. Nun will sich der Präsident<br />
in der türkischen Botschaft<br />
in der Tiergartenstraße<br />
sehen lassen, bevor er ins Adlon<br />
fährt. Zu Erdogans Delegation<br />
gehören der Außenminister,<br />
der Finanzminister, der<br />
Minister für Verteidigung, die<br />
Handelsministerin sowie der<br />
fängt. Außerdem wird es ein<br />
Gespräch mit Angela Merkel<br />
geben. Ob Erdogan an der<br />
Neuen Wache Unter den Linder<br />
den Opfer von Krieg und<br />
Gewaltherrschaft gedenkt,<br />
steht noch nicht fest. Am Freitagabend<br />
steht ein Staatsbankett<br />
im Bellevue auf dem Programm.<br />
Das Menü ist noch<br />
nicht festgelegt. Es soll jedenfalls<br />
Fisch aus brandenburgischen<br />
Gewässern serviert<br />
werden, heißt es allenthalben.<br />
Nach zwei Bundestagsabgeordneten<br />
von FDP und Linker<br />
sowie vier AfD-Politikern<br />
haben am Sonntag auch die<br />
Partei- und Fraktionschefs der<br />
Grünen ihre Teilnahme am<br />
Staatsbankett abgesagt. Die<br />
Parteivorsitzenden Annalena<br />
Baerbock und Robert Habeck<br />
sowie die Fraktionsvorsitzenden<br />
Katrin Göring-Eckardt<br />
und Anton Hofreiter begründeten<br />
ihren Schritt damit, dass<br />
ein Staatsbankett „nicht der<br />
Ort“ sei, um den ansonsten<br />
notwendigen Dialog mit dem<br />
türkischen Präsidenten zu<br />
führen. Auch der Protest ge-<br />
Chef des Geheimdienstes. Sie<br />
werden, wie der Präsident<br />
auch, im Hotel Adlon wohnen.<br />
Der Rest der Delegation wird<br />
im Hotel Westin Grand an der<br />
Friedrichstraße untergebracht.<br />
5000 Polizisten werden für<br />
die Sicherheit des Gastes sorgen.<br />
Dabei wird die <strong>Berliner</strong><br />
Polizei von Beamten aus anderen<br />
Bundesländern sowie der<br />
Bundespolizei unterstützt.<br />
Darunter sind auch Spezialisten<br />
der Spezialeinsatzkommandos<br />
sowie der Antiterrortruppe<br />
GSG9.<br />
Erdogan bleibt bis zum<br />
Sonnabendmittag. Nach einem<br />
gemeinsamen Frühstück<br />
mit der Bundeskanzlerin fliegt<br />
er gegen 12.45 Uhr nach Köln.<br />
Dort will er an der Einweihung<br />
der Ditib-Zentralmoschee<br />
teilnehmen. Für den<br />
Nachmittag ist der Rückflug in<br />
die Türkei geplant.<br />
Während seines Aufenthalts<br />
in der deutschen Hauptstadt<br />
wird sich der türkische Gast<br />
mit Bundespräsident Frank-<br />
Walter Steinmeier treffen, der<br />
ihn vor dem Schloss Bellevue<br />
mit militärischen Ehren empgen<br />
den Staatsbesuch formiert<br />
sich. So wurden bereits im August<br />
mehrere Kundgebungen<br />
und Demonstrationen bei der<br />
Polizei angemeldet und genehmigt.<br />
So wird es am Freitag,<br />
von 8 bis 18 Uhr, vor<br />
Schloss Bellevue eine Kundgebung<br />
unter dem Motto „Menschenrechte<br />
für Minderheiten<br />
in der Türkei“ geben. Ebenso<br />
sind Kundgebungen in der Nähe<br />
des Bundeskanzleramtes<br />
geplant.<br />
Mehr als 5000 Teilnehmer<br />
erwartet die kurdische Gemeinde<br />
bei einer Kundgebung<br />
am Brandenburger Tor am<br />
Sonnabend, zwischen 12 und<br />
16 Uhr. 10000 wollen sich zur<br />
selben Zeit am Neptunbrunnen<br />
treffen und anschließend<br />
zum Brandenburger Tor laufen,<br />
um gegen die Politik Erdogans<br />
zu demonstrieren. Zu<br />
dieser Zeit befindet sich der<br />
türkische Präsident allerdings<br />
bereits auf dem Weg zum<br />
Flughafen Tegel.