Berliner Kurier 24.09.2018
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*<br />
POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Wenn Bundespräsident<br />
Steinmeier diese<br />
Woche ein Staatsbankett<br />
für den türkischen Präsidenten<br />
gibt, bleiben im<br />
Schloss Bellevue viele Plätze<br />
leer. Praktisch alle prominenteren<br />
Politiker der<br />
Opposition werden dem Ereignis<br />
fernbleiben. Sie wollen<br />
nicht „Teil der Erdogan-<br />
Propaganda“ sein oder den<br />
„Kerkermeister“ ehren, der<br />
auch deutsche Staatsbürger<br />
unter fadenscheinigen Vorwänden<br />
als politische Geislen<br />
nimmt. Richtig so! Es ist<br />
sowieso unverständlich,<br />
warum dem Mann, der<br />
Deutsche gerne als „Nazis“<br />
beschimpft, nun die höchsten<br />
diplomatischen Ehren<br />
zuteilwerden. Oder warum<br />
er eine Moschee in Köln eröffnen<br />
darf, deren Trägerverein<br />
Ditib auch türkischnationalistische<br />
Propaganda<br />
verbreitet und womöglich<br />
bald vom Verfassungsschutz<br />
beobachtet wird.<br />
Wenn man all dies zulässt,<br />
um „im Gespräch zu bleiben“,<br />
dann müssen für Merkel<br />
und Steinmeier hohe<br />
Maßstäbe gelten: Sie müssen<br />
klare Worte in Erdogans<br />
Anwesenheit finden.<br />
Windelweiche Beschwichtigungen<br />
hat es genug gegeben.<br />
Frank-W. Steinmeier<br />
Bundespräsident Frank-<br />
Walter Steinmeier (62)<br />
wirbt für den Dialog mit<br />
Andersdenkenden. Als<br />
Schirmherr<br />
der<br />
Veranstaltung<br />
„Deutsch<br />
-land<br />
spricht“<br />
der<br />
„Zeit“<br />
beklagte<br />
er jetzt<br />
den Umgangston<br />
auf den Straßen:<br />
„Deutschland spricht nicht,<br />
Deutschland brüllt.“ Aber<br />
nur im offenen und vor allem<br />
gleichberechtigten Dialog<br />
könne man Lösungen<br />
finden.<br />
Foto: dpa<br />
Von<br />
Christian<br />
Burmeister<br />
KlareAnsagen an<br />
Erdogan, bitte!<br />
MANN DES TAGES<br />
Maaßen-Beförderung<br />
jetzt doch abgeblasen<br />
Verfassungsschutz-Präsident wechselt ins Innenministerium –bei gleichem Verdienst<br />
Berlin – Hinter den Kulissen<br />
der Großen Koalition ging es<br />
am Wochenende emsig zu:<br />
Telefonkonferenzen, interne<br />
Besprechungsrunden, weitere<br />
Telefonate. Gestern<br />
Abend dann die Meldung: Die<br />
GroKo ist sich einig. Hans-<br />
Georg Maaßen, umstrittener<br />
Chef des Verfassungsschutzes,<br />
wird nicht zum Staatssekretär<br />
befördert. Stattdessen<br />
arbeitet er künftig als<br />
Sonderberater für europäische<br />
und internationale Aufgaben<br />
im Innenministerium.<br />
Sein Gehalt soll dabei unverändert<br />
bleiben.<br />
Foto: dpa<br />
Berlin –Beim Dieselskandal<br />
hatten deutsche Autohersteller<br />
Abgaswerte manipuliert. Seitdem<br />
zittern Millionen Diesel-<br />
Fahrer: Muss ich nachrüsten?<br />
Wer bezahlt das? Gibt es Fahrverbote?<br />
Gestern kamen Vertreter<br />
von Industrie und Regierung<br />
zu einem weiteren „Dieselgipfel“<br />
im Kanzleramt zusammen.<br />
Die Ausgangslage:<br />
Fahrverbote: Zuletzt gab’s<br />
ein Gerichtsurteil in Hessen:<br />
Hans-Georg<br />
Maaßen (l.) und sein<br />
Dienstherr,Horst<br />
Seehofer (CSU).<br />
Frankfurt müsse mit -Fahrverboten<br />
für bessere Luft sorgen.<br />
Ein solches Verbot gilt bereits<br />
für einge Straßen in Hamburg,<br />
Stuttgart soll 2019 nachziehen.<br />
Verkehrsminister Scheuer<br />
(CSU) setzt auf Anreize für<br />
Neukäufe, erntet aber Kritik, da<br />
die Industrie so für den Betrug<br />
noch belohnt würde.<br />
Nachrüstung: Fahrverbote<br />
könnten sonst nur mit konsequenter<br />
Nachrüstung vermieden<br />
werden. Scheuer und die<br />
Mit diesem neuerlichen Kompromiss,<br />
den die drei Parteichefs<br />
der großen Koalition am<br />
Sonntagabend im Kanzleramt<br />
schlossen, soll die Affäre Maaßen<br />
nun endlich aus der Welt<br />
geschafft werden – zum nun<br />
schon zweiten Mal.<br />
„Wir sind auf einem guten<br />
Weg“, hatte Seehofer bereits<br />
am Nachmittag erklärt. Zuvor<br />
hatte der Bayer noch einmal bekräftigt,<br />
er werde Maaßen<br />
nicht entlassen. Genau das hatte<br />
SPD-Chefin Andrea Nahles<br />
ursprünglich gefordert.<br />
Seehofer in der „BamS“: „Ich<br />
mache das nicht aus Trotz, sondern<br />
weil die Vorwürfe gegen<br />
ihn nicht zutreffen.“ Er warf<br />
der SPD eine Kampagne vor.<br />
Maaßen habe keine Fehler gemacht.<br />
Am Abend verkündete Seehofer<br />
dann, dass Maaßen künftig<br />
Sonderberater in seinem Ressort<br />
werde. Er werde den Rang<br />
eines Abteilungsleiters haben<br />
und gegenüber dem Chefposten<br />
beim Verfassungsschutz<br />
keine Gehaltserhöhung bekommen.<br />
Zudem werde seine neue<br />
Tätigkeit „nichts mit dem Verfassungsschutz<br />
zu tun haben“,<br />
wie die SPD-Vorsitzende Andrea<br />
Nahles danach erklärte.<br />
Die SPD hatte in den vergangenen<br />
Tagen auf eine „gerechte“<br />
Lösung gepocht. Damit war<br />
gemeint: Maaßen soll nicht befördert<br />
werden und nicht mehr<br />
Geld verdienen.<br />
Außerdem betonte Nahles,<br />
dass damit auch der Bau-Staatssekretär<br />
Gunther Adler, der<br />
nach der ursprünglichen Einigung<br />
der Koalition von vergangenem<br />
Dienstag für Maaßen<br />
hätte gehen müssen, im Amt<br />
bleibt. Gegen Adlers vorzeitige<br />
Versetzung in den Ruhestand<br />
hatten zuvor nicht nur der 55-<br />
Jährige selbst und viele SPD-<br />
Politiker protestiert, sondern<br />
auch einschlägige Organisationen<br />
vom Mieterverein bis zu<br />
Wohnungs- und Immobilienverbänden.<br />
Adlers Aufgabengebiet<br />
sei zu wichtig, um es von einem<br />
Staatssekretärskollegen<br />
nebenbei bearbeiten zu lassen.<br />
Die Reaktionen der Opposion<br />
auf Twitter fielen eindeutig aus.<br />
„Es wird der Posten eines Frühstücksdirektors<br />
geschaffen“,<br />
schrieb FDP-Chef Christian<br />
Lindner. Grünen-Fraktionschefin<br />
Katrin Göring-Eckardt<br />
twitterte: „Und Maaßen bleibt.<br />
Es bleibt der, der das Parlament<br />
bei Amri belogen hat, der die<br />
AfD coacht und rechte Verschwörungstheorien<br />
verbreitet.“<br />
Linke-Chef Bernd Riexinger<br />
meinte: „Dieses Postengeschacher<br />
versteht kein<br />
Mensch.“<br />
Werzahlt für den Diesel-Skandal?<br />
Gipfel im Kanzleramt ohne Ergebnisse. Porsche steigt endgültig aus der umstrittenen Technik aus<br />
Autoindustrie wollen Software-Lösungen<br />
(günstig, aber<br />
wenig effektiv), Kanzlerin und<br />
SPD fordern Hardware-Lösungen.<br />
Die kosten allerdings um<br />
3000 Euro pro Fahrzeug! Größter<br />
Streitpunkt: Wer soll das bezahlen?<br />
Industrie, Verbraucher,<br />
Staat?<br />
Porsche steigt aus: Kurz vor<br />
dem Gipfel kündigte Vorstandschef<br />
Oliver Blume an:<br />
„Von Porsche wird es künftig<br />
keinen Diesel mehr geben.“ Damit<br />
zieht der erste Autokonzern<br />
diese Konsequenz aus dem<br />
Skandal.<br />
Das Treffen am Sonntag ging<br />
jedoch ohne konkrete Ergebnisse<br />
zu Ende. „Jetzt wird in<br />
der Bundesregierung weiter gesprochen,<br />
und die Automobilhersteller<br />
werden das Gleiche<br />
tun“, sagte der Präsident des<br />
Autoindustrie-Verbands VDA,<br />
Bernhard Mattes. Am 1. Oktober<br />
wollen die GroKo-Parteichefs<br />
erneut beraten.