Alnatura Magazin Oktober 2018
Schwerpunkt-Thema Alnatura Bio-Bauern-Initiative
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GESELLSCHAFT<br />
Schutz für die<br />
Antarktis<br />
In den eisigen Gewässern rund um die Antarktis tummelt sich<br />
erstaunlich vielfältiges Leben. Doch Klimawandel und<br />
Fischerei bedrohen das fragile Ökosystem. Greenpeace kämpft<br />
international für den Schutz dieser einzigartigen Welt.<br />
Am südlichen Ende der Welt<br />
kann es ungemütlicher werden<br />
als auf dem Mount Everest:<br />
mit Sturmböen bis 300 Kilometer pro<br />
Stunde, Kälte bis minus 90 Grad und Wetterwechseln<br />
im Viertelstundentakt. Im<br />
Winter ist es monatelang dunkel, im<br />
Sommer blendend hell. Pinguine und Robben<br />
kommen damit klar, für uns Menschen<br />
ist die Antarktis unbewohnbar.<br />
Trotzdem treiben wir dort unser Unwesen:<br />
Wie die Arktis am Nordpol leidet die Südpolregion<br />
unter der menschengemachten<br />
Klimakrise und Fischereiflotten beuten<br />
zunehmend ihre Meeresschätze aus.<br />
Nur das Festland ist geschützt: Seit<br />
1998 verbietet ein Abkommen den Abbau<br />
von Rohstoffen. Doch die Gewässer<br />
ringsum sind bis auf ein Gebiet im Rossmeer<br />
noch nicht von schädlichen Nutzungen<br />
ausgenommen. Um dies zu ändern,<br />
startete Greenpeace <strong>2018</strong> eine weltweite<br />
Antarktis-Kampagne und eine dreimonatige<br />
Expedition mit der »Arctic Sunrise«.<br />
Die Chance auf ein von der EU beantragtes<br />
neues Schutzgebiet im Weddellmeer –<br />
1,8 Millionen Quadratkilometer, fünfmal<br />
so groß wie Deutschland – befeuerte die<br />
Motivation der Umweltorganisation. Es<br />
galt, alle 25 Mitglieder der »Kommission<br />
zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze<br />
der Antarktis« (CCAMLR) zu überzeugen.<br />
Bunte Vielfalt in der Tiefe<br />
Mit an Bord gingen die deutschen Greenpeace-Meeresbiologen<br />
Dr. Sandra Schöttner<br />
und Thilo Maack. »Schon die Anreise<br />
war ein Abenteuer«, erzählt Schöttner<br />
augenrollend. »Bald nachdem wir in Punta<br />
Arenas in Chile abgelegt hatten, mussten<br />
wir die rund eintausend Kilometer breite<br />
Drakepassage überqueren und erlebten<br />
den berüchtigten ›Drake Shake‹: Wir<br />
wurden von chaotischen Wellen durchgeschüttelt<br />
wie in einer Waschmaschine!«<br />
Nach fünf Seetagen mit hohem Spucktütenverbrauch<br />
und wenig Schlaf erreichten<br />
die Crew sowie das Forscher- und<br />
Journalistenteam wohlbehalten die Hope<br />
Bay am nördlichsten Zipfel des Kontinents<br />
Antarktika und die Arbeit konnte beginnen.<br />
Ein Programmpunkt: die Untersuchung<br />
der Unterwasserwelt. Mit einem<br />
Mini-U-Boot ging es an zehn noch unerforschten<br />
Spots auf Tauchfahrt. Auch<br />
Schöttner rauschte mit dem Piloten<br />
400 Meter tief hinab, machte Videoaufnahmen<br />
von Flora und Fauna und entnahm<br />
mit dem Hydraulikarm vorsichtig einzelne<br />
Proben zur späteren Analyse im Bord labor.<br />
»Ich filmte bunte Schwämme und<br />
Korallen, filigrane Moostierchen, Haar sterne<br />
und Seefedern – bezaubernd schön!«,<br />
schwärmt sie. »Ähnlich wie bei einem<br />
tropischen Korallenriff sind am Grund festsitzende<br />
Lebewesen zu komplexen Strukturen<br />
zusammengewachsen, die Eisfischen<br />
und anderen Tieren Schutz bieten. Solche<br />
Artengemeinschaften belegen, wie empfindlich<br />
das antarktische Meeresökosystem<br />
ist. Es leidet schon jetzt unter dem Klimawandel<br />
und der Ozeanversauerung –<br />
Fischerei könnte es irreparabel schädigen«,<br />
erklärt die Meeresexpertin.<br />
Doppelt bedroht: der Krill<br />
Ein Opfer der Klimaerwärmung ist der<br />
Kleinkrebs Krill. Er frisst Mikroalgen, die<br />
unter Pack eis leben – und dieses Eis<br />
schmilzt. Die kleinen Krebstiere sind wiederum<br />
die Grundnahrung vieler Wale,<br />
Robben und Pinguine – ein ganzes Nahrungsnetz<br />
ist bedroht. »Davon unbeeindruckt<br />
holen Fischkutter unter anderem<br />
aus China, Russland und Norwegen den<br />
Krill schwarmweise aus dem Wasser«, kritisiert<br />
Thilo Maack, der während der Expedition<br />
mehrere Fangzüge dokumentierte.<br />
»Sie enden als Fischfutter in Aquakulturen<br />
oder, da sie Omega-3-Fettsäuren enthalten,<br />
in unnötigen Gesundheitskapseln.«<br />
Andere Fischkutter machen Jagd auf<br />
den Schwarzen Seehecht. Der Einzelgänger<br />
wird mit Langleinen gefangen,<br />
an deren Haken oft auch Seevögel wie<br />
Albatrosse verenden. Maack warnt vor<br />
weiteren Um weltgefahren: »Sollten Schlepp -<br />
netz schiffe hier Öl verlieren, wäre das<br />
katastrophal. Denn in kaltem Wasser wird<br />
Öl sehr langsam abgebaut und durch<br />
den antarktischen Zirkumpolarstrom verteilen<br />
sich Schadstoffe kaum in andere<br />
Ozeane.«<br />
Einige kleinere Meeresbereiche, deren<br />
Bedeutung Greenpeace nachgewiesen<br />
hatte, wurden inzwischen unter Schutz<br />
gestellt. Erfreulich ist auch die Reaktion<br />
des Branchenverbands der Krill-Industrie<br />
auf die Greenpeace-Kampagne: Er erklärte<br />
im Juli, in den Wildtiernahrungsgründen<br />
um die Antarktische Halbinsel freiwillig<br />
38 <strong>Alnatura</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>Oktober</strong> <strong>2018</strong>