PERSPEKTIVEN AUS DER «PRAXIS» Medikamentöse Senkung des LDL-Cholesterins LDL-LOWERING DRUGS Jens Barthelmes 1 und Isabella Sudano 1,2 1 Kardiologie, Universitäres Herzzentrum, Universitätsspital Zürich 2 Universität Zürich * Der Artikel erschien ursprünglich in der «Praxis» (2017), 106 (17): 933–940. MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-Mitglieder können die «Praxis» zu äusserst günstigen Konditionen abonnieren. Details siehe unter www.hogrefe.ch/downloads/vsao. Im Artikel verwendete Abkürzungen: CETP Cholesterinester-Transferprotein CK Kreatinkinase LDL-C LDL-Cholesterin MTP Mikrosomales Triglycerid-Transferprotein ULN Upper Limit of Normal / oberer Normwert PAVK Periphere arterielle Verschlusskrankheit PCSK9 Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 SAMS Statin-assoziiertes Muskelsymptom Einleitung Nichtmedikamentöse Massnahmen (Tabakentwöhnung, Ernährungsumstellung, regelmässige Bewegung mit mindestens 30–45 min aerobem Training dreimal wöchentlich, Gewichtsabnahme bei Übergewicht) sollten immer eine notwendige medikamentöse Behandlung begleiten (siehe auch P. Suter in diesem Heft, S. 927–932). Durch Lebensstil-Veränderungen kann das LDL-Cholesterin nur um 10–20 % reduziert werden. Allerding wird die Qualität der LDL-Partikel positiv beeinflusst: Eine Ernährung reich an Antioxidantien (Früchte, Gemüse, Nüsse, …) kann die Oxidation von LDL vermindern und dadurch womöglich einen günstigen Effekt auf das Herzkreislaufsystem erzielen. Im Gegensatz zur amerikanischen Richtlinie empfehlen aktuelle Leitlinien von AGLA und ESC das Konzept der an Zielwerten orientierten Senkung des LDL- Cholesterins in Abhängigkeit von individuellen Risken [42], s. auch W. Riesen in diesem Heft, S. 921–926. Die Behandlungsindikation bei Hypercholesterinämie hängt grundsätzlich vom jeweiligen kardiovaskulären Gesamtrisiko ab, das individuell zu evaluieren ist [42] (Tab. 1). Statine Statine hemmen die HMG-Coenzym-A- Reduktase in der Leber und damit die Cholesterinproduktion. Als Antwort hierauf werden die LDL-Rezeptoren hochreguliert und damit die Entfernung der LDL in die Leber stimuliert. Zu dieser Medikamentenklasse gehören verschiedene Wirkstoffe (Atorvastatin, Sortis ® 10–80 mg/Tag; Rosuvastatin, Crestor ® 10–40 mg/Tag; Fluvastatin, Lescol ® 20–80 mg/Tag; Pravastatin, Selipran ® 10–40 mg/Tag; Simvastatin, Zocor ® 20–80 mg/Tag; Pitavastatin, Livazo ® 1, 2 oder 4 mg/Tag) die sich betreffend Wirksamkeit, Metabolismus und Interaktionspotenzial unterscheiden (Tab. 2). Dabei sollte die Statin-Therapie bis zum Erreichen der LDL-Cholesterinzielwerte aufdosiert werden. Bei Hypercholesterinämie sind Statine die Therapie der ersten Wahl, da der klinische Nutzen am besten dokumentiert ist. Die CTT (Cholesterol Treatment Trialists) Collaboration fasste Daten von 27 randomiserten Studien (mit ca. 174 000 Teilnehmern) zusammen, die Statine vs Plazebo oder High-Intensity- vs Low-Intensity-Statin verglichen [1, 2]: im Durchschnitt verminderte die Reduktion des LDL-Cholesterins um 1 mmol/l die relativen Risiken für kardiovaskuläre Ereignisse um 21 %, für kardiovaskulären Tod um 20 % und für Gesamtmortalität um 10 %. Diese positiven Effekte von Statinen wurden sowohl in der Sekundärprävention (nach einem kardiovaskulären Ereignis) als auch in der Primärprävention [3, 4] beobachtet. Allerdings ist die absolute Wirksamkeit dieser Behandlung bei Patien ten mit hohem Risiko stärker, z.B. in der Sekundärprävention, als bei Patienten mit niedrigem Risiko, z.B. in der Primärprävention: je höher das kardiovaskuläre Risiko, desto weniger Patienten müssen zur Vermeidung eines Ereignisses behandelt werden (Number Needed to Treat, NNT). Statine zeichnen sich durch hohe Sicherheit und befriedigende Verträglichkeit aus. Häufigste Nebenwirkungen sind Veränderungen der Leberwerte und diffuse Myalgien [5, 6]. Trotz ihres in Studien guten Sicherheitsprofils werden Statine zwei Jahre nach initialer Verordnung nur noch von 25 % der Patienten zur primären Prävention bzw. von 40 % zur sekundären Prävention nach akutem Koronarsyndrom eingenommen [7, 8]. Die Prävalenz von Myalgien wird auf 5–10 % geschätzt und ist der häufigste Grund für einen Therapieabbruch [5] Bemerkenswert ist, dass unter plazebokontrollierter Re-Exposition nach Myalgie unter Statin-Therapie 50 % der Statinintoleranten auch Symptome unter Plazebo berichten [9]. Wichtige Risikofaktoren für das «Statin-assoziierte Muskelsymptom» (SAMS) sind Alter >80 Jahren, weibliches Geschlecht, niedriges Körpergewicht, genetische Faktoren, intensiver Sport, Schilddrüsen-Dysfunktion, Alkoholkonsum, Konsum bestimmter Lebensmittel (Grapefruit oder Cranberry Juice) oder Einnahme von Medikamenten, die den Stoffwechsel der Statine beeinflussen können [5]. Besonders wichtig für die Prävalenz des SAMS ist das Interaktionspotenzial des eingenommenen Statins. Die meisten Statine werden hauptsächlich über das Cytochrom P450-System metabolisiert. Lova 42 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 5 <strong>Oktober</strong> <strong>2018</strong>
PERSPEKTIVEN Kardiovaskuläres Gesamtrisiko (SCORE) % LDL-Cholesterin