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auch hier zu Hustenattacken und dem typischen Auswurf.<br />
„Die Lungenpest verläuft unbehandelt fast immer tödlich.<br />
In Einzelfällen erkranken und sterben Patienten innerhalb<br />
eines Tages nach der Infektion“, weiß Indra.<br />
In den USA endemisch<br />
In Europa ist die Pest ausgestorben, in anderen Erdteilen<br />
ist sie nach wie vor präsent. In den USA – insbesondere<br />
den südwestlichen Bundesstaaten wie New Mexico, Arizona,<br />
Kalifornien und Colorado – ist Yersinia pestis endemisch,<br />
dort werden jedes Jahr etwa fünf bis 15 Fälle von<br />
Beulenpest bei Menschen diagnostiziert. Obwohl 20 Prozent<br />
dieser Fälle zur sekundären Lungenpest führen, wurde<br />
in den USA seit 1924 keine einzige primäre Lungenpest<br />
dokumentiert. „Weltweiter Hotspot der Pest ist heute<br />
Madagaskar“, bekräftigt Indra. Seit Ende August 2017 gibt<br />
es auf der Insel östlich von Afrika einen humanen Pestausbruch<br />
mit bisher 560 Erkrankungsfällen und einem<br />
hohen Anteil an Lungenpest. Die Sterblichkeit liegt bei<br />
rund zehn Prozent.<br />
Antibiotische Therapie<br />
Grundsätzlich kann die Pest heutzutage mit Antibiotika<br />
gut behandelt werden. Die intravenöse Therapie mit<br />
Doxycyclin oder Ciprofloxacin sollte so bald wie möglich<br />
– innerhalb 24 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome<br />
– begonnen werden und über zehn bis 14 Tage oder bis<br />
48 Stunden nach Entfieberung gegeben werden. „An Pest<br />
sollte gedacht werden, wenn die Kombination zwischen<br />
einer passenden klinischen Symptomatik und einer Risikoexposition<br />
besteht“, steht in den entsprechenden Empfehlungen<br />
des deutschen Robert-Koch-Instituts geschrieben.<br />
Mit Risikoexposition ist eine Reise in aktuell von der<br />
Pest betroffene Gebiete innerhalb der letzten sieben Tage<br />
gemeint. In Österreich freilich wurde seit 1945 kein Fall<br />
von Pest bekannt.<br />
Raoult: „Yersinia pestis kann jahrelang im Boden<br />
überleben. Das erklärt, warum die Pest nach<br />
Jahrzehnten der Ruhe plötzlich wieder<br />
ausbrechen kann.“<br />
Flöhe und Läuse<br />
Unter Tieren ist die Pest nach wie vor in vielen Ländern<br />
Afrikas, Amerikas und Asiens verbreitet (der Wild- und<br />
Haustierbestand der Europäischen Union gilt als frei von<br />
Pestbakterien). In den endemischen Gebieten bilden wildlebende<br />
Nagetiere – im Westen der USA auch Erdhörnchen<br />
und Präriehunde – sowie deren Flöhe das natürliche Erregerreservoir<br />
von Yersinia pestis. Über infizierte Flöhe wird<br />
der Erreger schließlich auf den Menschen übertragen. Tatsächlich<br />
ging einer humanen Pestepidemie oft ein massiver<br />
Pestausbruch unter der Rattenpopulation voraus. Sterben<br />
zu viele Ratten an der Pest, dann sind die Flöhe gezwungen,<br />
andere Wirte zu suchen – und befallen den Menschen.<br />
Bereits im Mittelalter berichteten Zeitgenossen<br />
regelmäßig von einem Rattensterben, das dem Ausbruch<br />
der Pest in der Bevölkerung voranging.<br />
Von Mensch zu Mensch gibt es jedoch einen weiteren<br />
wichtigen Übertragungsweg, der erst in den letzten Jahren<br />
in den Fokus getreten ist: über Läuse. Prof. Dr. Didier<br />
Raoult, Direktor der Forschungsabteilung für infektiöse<br />
Tropenkrankheiten an der Universität Aix-Marseille, und<br />
andere Forscher konnten in Läusen in der Demokratischen<br />
Republik Kongo – wo es regelmäßig zu kleineren<br />
Ausbrüchen der Pest kommt – die DNA von Yersinia pestis<br />
nachweisen. Bei anderen hochinfektiösen Erkrankungen<br />
jedenfalls spielen Läuse bei der Übertragung eine zentrale<br />
Rolle. Dies konnte Raoult mehrfach belegen: etwa bei Soldaten<br />
der Napoleonischen Armee, die auf dem Rückzug<br />
vom Russlandfeldzug 1812 mit dem von Bartonella quintana<br />
ausgelösten Fünf-Tage-Fieber zu kämpfen hatte,<br />
oder in einem Massengrab aus dem Spanischen Erbfolgekrieg<br />
(1710–1712) in der nordfranzösischen Stadt Douai,<br />
wo die DNA von Bartonella quintana und Rickettisia prowazekii,<br />
dem Erreger von Fleckfieber, gefunden wurde.<br />
Kontaminiertes Erdreich<br />
Auch ein weiteres Rätsel in Zusammenhang mit der Pest<br />
konnte ein Forscherteam um Raoult lösen: In der Zeit<br />
zwischen der Justinianischen Pest, die im Jahr 541 ausbrach<br />
und bis ungefähr ins Jahr 770 anhielt, bis zum<br />
„Schwarzen Tod“ anno 1346 gibt es keinen Hinweis auf<br />
Pestpandemien in Europa. Wo überdauerte der Erreger<br />
diese jahrhundertelange Zeitspanne? Zum einen sicherlich<br />
in kleinen Rattenpopulationen oder einzelnen Menschen,<br />
wie bereits andere Forscher untermauerten. Zum<br />
anderen aber im Erdreich. Raoult und seine Kollegen wiesen<br />
experimentell nach, dass Yersinia pestis jahrelang im<br />
Boden überleben kann. „Das erklärt, warum die Pest nach<br />
Jahrzehnten der Ruhe plötzlich wieder ausbrechen kann“,<br />
sagt Raoult. Erst im Vorjahr entdeckte der französische<br />
Forscher einen Ort in Algerien, an dem das Erdreich massiv<br />
mit dem Pesterreger kontaminiert ist. Bislang sind insgesamt<br />
mindestens 31 solcher Orte in der nördlichen<br />
Hemisphäre bekannt. Die Pest wird also so schnell nicht<br />
aussterben.<br />
❙<br />
Yersinia pestis – so läuft Wissenschaft<br />
„Plague: The Black<br />
Death”, Meet the<br />
Expert der Österreichischen<br />
Agentur<br />
für Gesundheit und<br />
Ernährungssicherheit<br />
(AGES) und der<br />
Österreichischen<br />
Gesellschaft für<br />
Hygiene, Mikrobiologie<br />
und Präventivmedizin<br />
(ÖGHMP),<br />
Wien, 19.9.18<br />
Vor etlichen Jahren äußerten Forscher Zweifel, dass die Pestepidemien des<br />
Mittelalters und der Neuzeit tatsächlich durch Yersinia pestis verursacht worden<br />
waren. Mehrere Wissenschaftler – allesamt keine Mediziner – behaupteten,<br />
dass es sich beim „Schwarzen Tod“ in Wahrheit um ein virales hämorrhagisches<br />
Fieber gehandelt habe. Diese Fehlannahme ging weltweit durch die Presse<br />
und hielt sich hartnäckig. Prof. Dr. Didier Raoult, Direktor der Forschungsabteilung<br />
für infektiöse Tropenkrankheiten an der Universität Aix-Marseille,<br />
Frankreich, war wesentlich daran beteiligt, diesen Irrtum aufzuklären. Bereits<br />
1998 hatte er in Zähnen von Pestopfern aus dem 15. bis 17. Jahrhundert Teile<br />
der DNA des Pesterregers nachweisen können. Im September hatte die AGES<br />
den weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Pest zu einem Vortrag<br />
nach Wien geladen.<br />
„So läuft Wissenschaft: Man muss wieder und wieder auf die Fakten pochen.<br />
Mit der Zeit setzt sich dann die Wahrheit durch“, fasst Raoult den mühsamen<br />
Prozess zusammen, der dazu führte, dass Yersinia pestis heute als Erreger aller<br />
Pestepidemien seit 1346 unumstritten anerkannt ist.<br />
Bis 2016 wurde die DNA des Bakteriums mithilfe einer speziellen Form der<br />
Polymerase-Kettenreaktion in insgesamt 39 Grabstätten in Europa und Asien<br />
nachgewiesen, deren Alter von der Bronzezeit bis ins 18. Jahrhundert reicht.<br />
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts<br />
für Menschheitsgeschichte in Jena hat kürzlich zwei 3.800 Jahre alte Yersiniapestis-Genome<br />
aus einer Grabstätte in der Region Samara im heutigen Russland<br />
rekonstruiert. Aktuelle Studien legen nahe, dass seit der Bronzezeit<br />
mindes tens zwei Linien des Pesterregers gleichzeitig zirkulierten.<br />
5/18 CC<br />
<strong>pneumo</strong><br />
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