07.11.2018 Aufrufe

FINE Das Weinmagazin 03/2018 - Die Vignobles Silvio Denz

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema: Matarocchio

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema: Matarocchio

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zypressen säumen<br />

den Eingang zu<br />

Château Faugères.<br />

Hier sind Yann<br />

Buchwalter und<br />

Kellermeister Daniel<br />

Romero für sämtliche<br />

Faugères-Weine<br />

zuständig.<br />

für Merlot vor allem das rechte Ufer der Gironde. Nachdem<br />

er etwa dreißig Weingüter besucht hatte, fiel seine Wahl auf<br />

Château Faugères.<br />

Hier hatte die Besitzerfamilie Guisez schon früh ein ausgezeichnetes<br />

Team versammelt. Betriebsleiter Alain Dourthe war<br />

1997 zu Faugères gestoßen; zuvor war er unter anderem Gutsverwalter<br />

von Château La Gaffelière gewesen, einem Premier<br />

Grand Cru Classé von Saint-Emilion. Zahlreiche Engagements<br />

als Flying Winemaker in Frankreich und der Neuen Welt hatten<br />

ihn offen für neue Impulse gemacht, und so bestand sein erstes<br />

großes Projekt 1999 in dem Entwurf einer bodenkundlichen<br />

Karte für Château Faugères – eine Pioniertat im seinerzeit noch<br />

sehr kellertechnisch orientierten Bordelais. Seit 1993 war zudem<br />

der Merlot-Guru Michel Rolland als önologischer Berater des<br />

Weinguts verpflichtet worden. Eine glückliche Konstellation,<br />

auf der <strong>Silvio</strong> <strong>Denz</strong> aufbauen konnte.<br />

Sein erstes großes Ziel war die Klassifizierung von Château<br />

Faugères als Saint-Emilion Grand Cru, die dem Eintritt in einen<br />

elitären Club gleichkommt: Von den etwa zwölfhundert Weingütern<br />

der Appellation Saint-Emilion sind nur etwa achtzig als<br />

Grand Cru Classé eingestuft. Immerhin gibt es hier, anders<br />

als im Médoc, wo die Klassifikation seit 1855 nahezu unverändert<br />

gilt, etwa alle zehn Jahre eine Neujustierung der seit<br />

1955 bestehenden Regelung. <strong>Die</strong> Familie Guisez hatte bereits<br />

einen Anlauf für 2006 vorbereitet, ihn wegen der Umstände<br />

aber abgebrochen. Nun richtete sich der Blick auf 2012, das<br />

Jahr der nächsten Aktualisierung.<br />

Dabei waren die Hürden gerade auf Château Faugères<br />

immens. Nicht wegen der Qualität des Weins, sondern wegen<br />

der historischen Verhältnisse: Denn Verwaltung und Kellerei<br />

befanden sich auf dem Gebiet der Gemeinde Sainte-Colombe –<br />

das weinrechtlich zur Appellation Côtes de Castillon zählt, die<br />

Weinberge hingegen etwa je zur Hälfte in Saint-Emilion und<br />

in Castillon verteilt (siehe Seite 21, Cap de Faugères). Seit<br />

einigen Jahren hatte man von einer Ausnahmegenehmigung<br />

profitiert, aber die neuen Regularien des Syndicat Viticole von<br />

Saint-Emilion ließen das nicht mehr zu. Für die Saint-Emilion-<br />

Weingüter von Faugères war klar: Sie brauchten eigenständige<br />

Keltermöglichkeiten.<br />

Neben der Optimierung der Weinberge – durch Drainage<br />

und den Zukauf von geeigneten hochklassigen sowie<br />

den Verkauf von schwächeren Lagen – verschlangen<br />

Planung und Bau der neuen Kellerei von Château Faugères in<br />

den ersten Jahren einen Großteil der Energie. Besondern Wert<br />

legte der perfektionistische Ästhet <strong>Silvio</strong> <strong>Denz</strong> auf den richtigen<br />

Architekten. Drei kamen in die engere Auswahl: der spanischschweizerische<br />

Künstler und Bauingenieur Santiago Calatrava,<br />

der durch spektakuläre organisch-futuristische Entwürfe<br />

berühmt geworden war, Frankreichs Architekturlegende Jean<br />

Nouvel sowie der Schweizer Mario Botta, Erbe der Klassischen<br />

Moderne und Gründer der Tessiner Schule. Calavatras Ideen<br />

erschienen <strong>Silvio</strong> <strong>Denz</strong> zu futuristisch, Nouvel forderte schon vor<br />

der ersten Zeichnung einen zu großen Scheck – Botta dagegen,<br />

der nur Aufträge annahm, die ihn interessierten, stellte ihn vor<br />

die Wahl, seinen Entwurf entweder zu akzeptieren oder die<br />

Sache zu vergessen.<br />

<strong>Denz</strong> verliebte sich sofort in den Entwurf und akzeptierte<br />

ihn ohne Vorbehalte – und nach vier Jahren Planungs- und<br />

Bauzeit nahm die neue Kellerei mit dem Jahrgang 2009 ihren<br />

Betrieb auf. Tatsächlich ist der Bau eine großartige Schöpfung,<br />

die zwar den Hügel gegenüber von Château Faugères dominiert,<br />

sich aber durch den gelben Kalkstein von Saint-Emilion in die<br />

Landschaft einfügt. Mit dem markanten schmalen Riegel, dem<br />

sichtbaren Teil des dreistöckigen Weinkellers, und dem sich<br />

wuchtig aufschwingenden Turm mit dem Verwaltungstrakt<br />

und einem Degustationsraum, erinnert das Bauwerk an ein in<br />

den Hügel gerammtes christliches Kreuz, zumal eine gläserne<br />

Öffnung an der Front die Form eines Kelchs hat. <strong>Das</strong> mag der<br />

Grund sein, warum sich bald der Name »Weinkathedrale« einbürgerte.<br />

Mitarbeiter sprechen gern weniger pathetisch vom<br />

»Belvedere«, wegen des traumhaften Blicks von hier über den<br />

Besitz von Faugères.<br />

Vor allem aber bietet das Gebäude optimale Bedingungen<br />

zum Ausbau und zur Lagerung großer Weine. Über eine Rampe<br />

wird das Lesegut direkt nach der Ernte in das oberste Stockwerk<br />

der Kellerei gebracht, wo es nach manueller Sortierung<br />

zunächst für zwölf Stunden in einen Kühlraum kommt. Nach<br />

der optisch-digitalen Sortierung und dem Entrappen gelangen<br />

die Beeren nach Parzellen getrennt durch natürliche Gravitation,<br />

also ohne Pumpen, einen Stock tiefer in sechsundvierzig große,<br />

aufrecht stehende Fermentationsfässer aus Eichenholz, in denen<br />

nach fünf Tagen Kaltmazeration die etwa drei Wochen dauernde<br />

Gärung stattfindet.<br />

Der biologische Säureabbau und die anschließende<br />

Lagerung finden im Barriquekeller in der untersten Etage<br />

statt. Hier reift der Wein zunächst vier Monate auf der postmalolaktischen<br />

Hefe und dann zehn weitere Monate zur Hälfte<br />

in Neuholz, zur Hälfte in einmal gebrauchten Fässern. Für den<br />

Grand Vin werden die besten Weine ausgesucht, zur Cuvée<br />

assembliert und ohne Schönung abgefüllt – etwa neunzigtausend<br />

Flaschen, das entspricht fünfzig Prozent der Ernte.<br />

Der Rest fließt in den Zweitwein Chartreuse de Faugères oder<br />

wird fassweise verkauft.<br />

Der Durchbruch blieb nicht aus. Gleich der<br />

Jungfernjahrgang aus dem neuen Keller 2009<br />

war ein großer Erfolg. 2012 kam der Ritterschlag:<br />

Château Faugères wurde in den Rang<br />

eines Saint-Emilion Grand Cru Classé erhoben.<br />

<strong>Silvio</strong> <strong>Denz</strong> freilich dachte gar nicht daran, es<br />

dabei zu belassen. 2016 übernahm – nach einem<br />

intensiven, vielstufigen Bewerbungsverfahren –<br />

Yann Buchwalter die Aufgabe des Gutsdirektors<br />

der <strong>Vignobles</strong> <strong>Silvio</strong> <strong>Denz</strong>. Der Absolvent der<br />

Universität von Bordeaux und Schüler von Denis<br />

Dubourdieu und Michel Rolland hatte nach<br />

Stationen in Südafrika für die Médoc-Weingüter<br />

der Compagnie Vinicole Baron Edmond de Rothschild<br />

als Technischer Direktor gearbeitet, insbesondere<br />

für Château Clarke in Listrac.<br />

Mit einem Team von fünfunddreißig<br />

festen Mitarbeitern, allen voran der<br />

erfahrene Weinbergsmanager Jean-Claude Sales<br />

und der junge Kellermeister Daniel Romero, die für sämtliche<br />

Weine des Gutes verantwortlich sind, will Yann Buchwalter<br />

den Gewächsen von Château Faugères noch mehr Frische verleihen:<br />

durch eine feine Balance der wuchtigen, aromatischen<br />

Weine der Hanglagen und der eher mineralisch-salzigen des<br />

Plateaus sowie durch noch genaueres Säure- und Tannin-<br />

Management, das für den Weinmacher zu den Schlüsselparametern<br />

der modernen Önologie zählt. Dazu gehört auch eine<br />

minutiöse Arbeit in den siebenunddreißig Hektar Weinbergen<br />

mit durchschnittlich fünfunddreißig Jahre alten Reben: eine biologisch<br />

nachhaltige Bewirtschaftung etwa, eine frühere Lese<br />

und intelligentes Laubwandmanagement. In den östlich ausgerichteten<br />

Rebzeilen wird die Frontseite möglichst entlaubt,<br />

um viel kühle Morgensonne einzufangen, während auf der nach<br />

Westen ausgerichteten Rückseite eine volle Blätterwand die<br />

Trauben vor der brennenden Nachmittagssonne schützen soll.<br />

<strong>Die</strong> Probe des gerade abgefüllten Jahrgangs 2016<br />

bestätigt, dass Château Faugères sich mitten in einem vielversprechenden<br />

stilistischen Wandel zu noch mehr Präzision<br />

und Eleganz befindet. Täglich, sagt Yann Buchwalter, sei er mit<br />

<strong>Silvio</strong> <strong>Denz</strong> in Kontakt, per Mail, per Telefon. Er möge diesen<br />

hohen Anspruch. Nicht umsonst ziert La Calice, der Kelch von<br />

der Front der Weinkathedrale, die Flaschen des neuen Jahrgangs<br />

von Château Faugères,<br />

umgesetzt von Glaskünstlern<br />

des Hauses Lalique. Früher<br />

sollen die Priester die Sitte,<br />

nur die besten Weine zum<br />

Abendmahl zu verwenden,<br />

listig mit dem Satz begründet<br />

haben: »Wir wollen doch<br />

nicht, dass der Herr bei der<br />

Heiligen Kommunion das<br />

Gesicht verzieht.« Bei einem<br />

Glas Château Faugères hätten<br />

sie sich wahrlich keine Sorge<br />

zu machen brauchen.<br />

<strong>Die</strong> Rückseite der<br />

Weinkathedrale<br />

präsentiert sich<br />

funktional. Hier<br />

werden die Trauben<br />

angeliefert, die nach<br />

manueller Sortierung<br />

zunächst für zwölf<br />

Stunden in einen<br />

Kühlraum kommen.<br />

16 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> Bordeaux Bordeaux <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> 17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!