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FINE Das Weinmagazin 03/2018 - Die Vignobles Silvio Denz

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema: Matarocchio

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MUST BE GRAND VINTAGE<br />

MUST BE MOËT & CHANDON<br />

VEREHRTE LESERIN, LIEBER LESER,<br />

wie mag wohl Ihr Sommer gewesen sein: Heiß? Sehr heiß? War er anstrengend, staubtrocken, schweiß- und<br />

blutdruck treibend? Erschien er Ihnen womöglich makel- und endlos? Oder war er schlicht und poetisch »sehr<br />

groß«? Wie auch immer – mein Sommer in den italienischen Marken war, nach einem recht nassen Frühjahr,<br />

einfach wunderbar; im Kopf die irritierenden Nachrichten von der dauerhaft extremen Hitze zuhause, durfte ich<br />

über Wochen sehr warme, doch ungewohnt wohltemperierte Tage im Schatten der Loggia oder des alten Walnussbaums<br />

genießen, kühlen Wein und schöne Lektüre zur Hand, und nachts den leichten Wind fühlen, der von den<br />

Bergen zum Meer herunterstrich, die Luft und das Haus durchfrischte. Wenn dies nicht nur Wetter gewesen sein<br />

sollte, sondern schon Klima: so hielte man den Wechsel aus. Und doch: verkehrte Welt. Ich weiß, die Bauern<br />

daheim und die Feuerwehren hatten ihre liebe Not – auch darum hätte niemand, nicht diesseits, nicht jenseits<br />

der Alpen, diesem Sommer noch zwei südlichere Tage geben, geschweige denn den Winzern die letzte Süße in<br />

den schweren Wein jagen wollen. Auf das Wetter dieses Jahres hätte sich Rainer Maria Rilke, der Dichter des<br />

Versbildes »Herbsttag«, wohl keinen Reim machen können. <strong>Die</strong> Weinbauern, die mit einiger Sorge die eminent<br />

steigenden Öchslegrade in ihren Trauben verfolgten, waren es im Großen und Ganzen dann doch zufrieden. Ob<br />

es ein bedeutender Jahrgang wird, steht dahin – und im Zweifel darf ja nachgesäuert werden. Auf den nächsten<br />

Sommer jedenfalls sind alle, im Norden wie im Süden, besser vorbereitet. Aber dann kommt’s wahrscheinlich<br />

noch einmal ganz anders. »Vor der Natur«, hebt Rilke den Finger, »gibt es kein Urteil; sie hat immer recht.«<br />

Fehler also machen nur wir Menschen. Oder auch nicht, und dann gibt es Erfolgsgeschichten. <strong>Die</strong>ses Heft<br />

ist voll davon: <strong>FINE</strong>-Autor Stefan Pegatzky zum Beispiel hat die Weingüter Faugères in Saint-Emilion besucht,<br />

drei Châteaus, die, mit Abwandlungen, alle diesen Namen auf den Etiketten ihrer Flaschen tragen. <strong>Silvio</strong> <strong>Denz</strong>,<br />

der durchaus glamouröse Schweizer Unternehmer, der auch der Kristallerie des berühmten Art-Déco-Künstlers<br />

René Lalique zu neuem Leben in moderner Eleganz verholfen hat, konnte die Weine des Trios wieder zu höchstem<br />

Niveau führen und die Weingüter mit seriöser und zugleich spektakulärer Architektur zu einer Landmarke der<br />

Region machen. »Alle, die in Schönheit gehn, werden in Schönheit auferstehn«, kommentiert der Dichter.<br />

Noch so eine Geschichte: Wer hätte je ernstlich geglaubt, dass ausgerechnet die britischen Inseln, wo man<br />

zwar eine große Weingenuss-, aber kaum eine Weinbau-Tradition pflegt, die Welt mit First-Class-Schaumweinen<br />

beglücken würden – im Meer der schlechten Nachrichten doch einmal eine frohe Botschaft, die tatsächlich nicht<br />

dem Klimawandel, sondern dem Ehrgeiz, dem festen Willen und dem Know-how britischer Winzer geschuldet<br />

ist. »Fucking marvellous« – mit diesem Zitat eines englischen Weinbau-Pioniers belegt auch unser Autor Till<br />

Ehrlich den Rang des perlenden Stoffs. We totally agree – und lassen den Dichter sprechen: »<strong>Das</strong>s etwas schwer<br />

ist, muss ein Grund mehr sein, es zu tun!«<br />

<strong>Die</strong> tollste Geschichte aber erzählt Rainer Schäfer – eine des produktivsten Zufalls. Als Unfall betrachteten<br />

die Önologen des Bolgheri-Weinguts Guado al Tasso den Inhalt jener Fässer, in die der Jahrgang 2007 des Vigneto<br />

Matarocchio gefüllt worden war. Reinsortiger Cabernet Franc – aber (vermeintlich) viel zu früh, weit vor der<br />

Reife gelesen. <strong>Das</strong> konnte ja nichts werden. Doch dann mussten sie zu ihrer Verblüffung wahrnehmen, dass sich<br />

der Wein zu sensationeller Aromatik entwickelte: Ein Stern war geboren! Heute, in seinem achten Jahrgang,<br />

zählt der Matarocchio schon zu den raren Mitgliedern der neuen, jungen Weltklasse. Rilke, erfahrungsweise:<br />

»Selbst der Irrtum erweist sich ja oft als Plattform, auf der sich fußen lässt.«<br />

Nun erwartet uns der Herbst, ein goldener vielleicht, der die Winzer für ihr Bangen belohnt, Feldern und<br />

Wäldern endlich schenkt, wonach sie dürsten, und auch uns Weinfreunden gibt, worauf wir ein langes Jahr<br />

hoffen. Und wir bedenken: »Nur das Wahre ist groß, das wirklich Ehrliche« – in einer Zeit, in der Ehrlichkeit<br />

zum Kampfbegriff der Verdreher und Verschwörer geworden ist, mag Rilkes Maxime doppelt nachdenklich<br />

stimmen. Ihnen und uns wünsche ich klare Tage und reinen Wein.<br />

Thomas Schröder<br />

Chefredakteur<br />

EDITORIAL <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2018</strong> 9

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