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Berliner Kurier 27.12.2018

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28 SPORT BERLINER KURIER, Donnerstag, 27.Dezember 2018<br />

50<br />

Schumi<br />

Jochen Massüberseinen Mercedes-Lehrling<br />

„MeinGott, fuhr Michael<br />

uns Alten um dieOhren“<br />

Michael Schumacher (49)<br />

ist ein deutscher Sport-<br />

Held, neben Max Schmeling<br />

(†99), Franz Beckenbauer<br />

(73) und Boris Becker<br />

(51) der Größte. Am<br />

3. Januar wird Schumi<br />

50 Jahre alt. Mit dieser<br />

Serie würdigen wir die einzigartige<br />

Karrieredes Kerpeners.<br />

In jedem Serienteil<br />

schreibt ein Zeitzeuge der<br />

jeweiligen Epoche. Im<br />

3.Teil ist es sein Edel-Förderer<br />

Jürgen Dilk:Michael<br />

blieb immer er selbst.<br />

1990 in Hockenheim: Die<br />

Mercedes-Sportwagenfahrer<br />

Jean-Louis Schlesser,Michael<br />

Schumacher,Heinz-Harald<br />

Frentzen, Jochen Mass, Karl<br />

Wendlinger und MauroBaldi (v.l.).<br />

Foto:<br />

Später sagte Michael Schumacher zwar schmunzelnd: „Wir Schumachers können<br />

es nicht in Autos mit Dach.“ Doch auf seinem Weg vom Formel-3-Meister in Richtung<br />

Formel 1wurde der Rohdiamant in Autos mit Dach geschliffen –und zwar<br />

von seinem Mercedes-Lehrmeister Jochen Mass (72). Der frühere Formel-1-<br />

Haudegen teilte sich mit Schumi 1990 die legendäre C11-Flunder (730 PS) in der<br />

Sportwagen-WM.<br />

Von<br />

JOCHEN MAAS<br />

Michael kam aus der Formel 3<br />

zu uns. Er war schnell, aber er<br />

war es gewohnt, ein Einzelkämpfer<br />

zu sein. Ich sollte das<br />

Vorbild sein. In ein Werksteam<br />

eingebunden zu sein, war für<br />

Michael neu. Die Abläufe in einer<br />

so großen Mannschaft erfordern<br />

Disziplin. Er sollte sehen,<br />

wie man mit Ingenieuren<br />

zusammenarbeitet und mit der<br />

Presse umgeht.<br />

Mercedes hatte Meister Karl<br />

Wendlinger und Heinz-Harald<br />

Frentzen aus der Formel 3geholt.<br />

Schnell waren sie alle drei,<br />

das sah man bei den ersten<br />

Tests. Aber bei Michael fiel auf,<br />

wie methodisch er vorging. Er<br />

war einfach schlauer. Er wollte<br />

immer etwas verbessern, am<br />

Auto und an seinem Fahrstil. Er<br />

studierte penibel die Computerdaten<br />

und verglich seine Zeiten<br />

mit denen der anderen. Er<br />

fragte sich ständig: Wo sind die<br />

besser, wo habe ich Vorteile?<br />

Frentzen war da anders. Er<br />

war superschnell, eine natürliche<br />

Begabung, aber ein Luftikus,<br />

der mit seinen Gedanken<br />

oft woanders war. Frentzen hat<br />

sich in seiner ganzen Karriere<br />

unter Wert verkauft. Mir war<br />

klar, dass Michael so etwas<br />

nicht passieren würde.<br />

Fotos: Getty,Wilhelm, zVg<br />

Kriegsrat 2001 in Hockenheim:<br />

Schumi, Jochen Mass, Bruder Ralf<br />

und Manager Willi Weber<br />

Michael hat bei mir ganz genau<br />

zugeschaut. Außerdem<br />

hatte ich den Ehrgeiz angestachelt,<br />

ohne viel sagen zu müssen.<br />

Ich war 43, Michael 21. Er<br />

hätte niemals akzeptiert, langsamer<br />

zu sein als jemand, der<br />

doppelt so alt ist wie er.<br />

Und er hat gemerkt, dass wir<br />

älteren Fahrer manchmal zu<br />

lässig sind. Wenn wir den Ingenieuren<br />

im Training sagten,<br />

lasst gut sein, das Auto ist okay<br />

so, mit der Abstimmung fahren<br />

wir im Rennen, dann blieb Michael<br />

hartnäckig und sagte: Da<br />

und dort könnten wir sicher<br />

noch etwas verbessern.<br />

Einmal wollte er wissen, wieso<br />

ich in einer bestimmten Kurve<br />

schneller bin als er. Ich habe<br />

ihm, etwas flapsig, geantwortet:<br />

„Vielleicht, weil ich mehr Muckis<br />

habe als du!“ Die Autos waren<br />

schwer zu lenken, wir<br />

brauchten viel Kraft in den Armen.<br />

Michael hat schnell verstanden,<br />

wie wichtig Fitness ist.<br />

Er war eher schmal, also machte<br />

er Muskeltraining.<br />

Ich habe ein bisschen väterliche<br />

Gefühle für ihn gehegt. Natürlich<br />

wusste ich, dass eine<br />

neue Zeit beginnt und meine zu<br />

Ende geht. Beim letzten Saisonrennen<br />

1991 in Japan habe ich<br />

mir gedacht: Langsam wird’s<br />

Zeit aufzuhören. Michael fuhr<br />

uns Alten dermaßen um die Ohren.<br />

Mein Gott, hat der das Ding<br />

um den Kurs gejagt!<br />

Lesen Sie am 27.Dezember:<br />

5. Teil: Manager Willi Weber<br />

schreibt über ihren Erfolgsweg<br />

in die Formel1<br />

Zweimal sagte Mercedes Schumi ab<br />

Michael Schumacher und Mercedes,<br />

das war der Beginn und<br />

das Ende seiner Formel-1-Karriere.<br />

So verhalfen die Bosse<br />

ihm erst in die Formel und entschieden<br />

sich dann gegen ihn.<br />

1990 gab Mercedes dem 21-<br />

jährigen Formel-3-Meister aus<br />

Kerpen einen Junior-Vertrag.<br />

Er fuhr mit Jochen Mass im C11<br />

die Sportprototypen-WM. Im<br />

Jahr darauf ermöglichte ihm<br />

Mercedes über Rennleiter Jochen<br />

Neerpasch den Formel-1-<br />

Einstieg bei Jordan – mit<br />

300000 DM von Mercedes!<br />

Das ungeschliffene Renn-Juwel<br />

wollten sich die Stuttgarter<br />

Ex Mercedes-<br />

Rennleiter Jochen<br />

Neerpasch<br />

für ihren Formel-1-Einstieg<br />

bei Sauber<br />

schleifen<br />

lassen. Aber<br />

1992 luchsten<br />

Manager<br />

Willi Weber und Benetton-<br />

Chef Flavio Briatore Schumi<br />

weg.<br />

1998 platzte die Traumehe<br />

Mercedes/Schumi zum zweiten<br />

Mal, obwohl ein unterschriftsreifer<br />

McLaren-Mercedes-Vertrag<br />

vorlag. In Italien<br />

war er nach seinem Rammstoß<br />

gegen Jacques Villeneuve im<br />

WM-Finale 1997 unten durch,<br />

nur zu gerne wäre er zu seinem<br />

Förderer zurückgekehrt.<br />

Doch Konzernboss Jürgen<br />

Schrempp senkte den Daumen:<br />

„Ein Wechsel von Schumacher<br />

ist absoluter Unsinn.“ Er kritisierte<br />

Schumis „Foul“ scharf.<br />

Ohnehin vertrat er die Ansicht:<br />

Gewinnt Schumi, war es der<br />

Fahrer. Verliert er, war Mercedes<br />

schuld. So sah es 2004 auch<br />

Nachfolger Jürgen Hubbert:<br />

„Michael würde weniger die<br />

Marke Mercedes-Benz als vielmehr<br />

die Marke Schumacher<br />

promoten.“ Erst sechs Jahre<br />

später gab Schumi im Werks-<br />

Mercedes sein Comeback.

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