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SOCIETY 357 / 2011

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DIPLOMATIE<br />

BERICHT<br />

Helmut und Monika Türk mit Bürgermeister<br />

Rocky Gutierrez und Generalkonsul<br />

Christian Prosl in Sitka<br />

Reise nach Alaska<br />

„The Last Frontier“<br />

In der Zeit, als mein Mann österreichischer Botschafter in<br />

den USA war, unternahmen wir zwei Reisen nach Alaska,<br />

eine offizielle und eine private. Diesmal möchte ich von der<br />

offiziellen Reise im August 1994 erzählen. Von MONIKA TÜRK<br />

Vor dem Mendenhall<br />

Gletscher bei Juneau<br />

Im Jahr 1867 erwarben die USA das<br />

Gebiet von Alaska vom Russischen<br />

Reich um 7,2 Millionen US-Dollar (heute<br />

113 Millionen US-Dollar). Der Bundesstaat<br />

Alaska hat rund 700.000 Einwohner, sein<br />

Beiname ist “The Last Frontier”, sein Motto<br />

“North to the Future”. Es ist zu einem<br />

guten Teil Walter Hickel zu verdanken,<br />

dass Alaska am 3. Jänner 1959 der 49.<br />

Bundesstaat der USA wurde, nachdem es<br />

zuvor als Territorium verwaltet worden<br />

war. Hickel war sodann der zweite und, als<br />

wir ihn kennen lernten, auch der achte<br />

Gouverneur Alaskas. Mein Mann erreichte<br />

die Zulassung eines österreichischen Konsulats<br />

in Anchorage, dem wirtschaftlichen<br />

Zentrum des Bundesstaates mit rund<br />

280.000 Einwohnern. Für diese Funktion<br />

gewann er den Sohn des Gouverneurs,<br />

Walter Hickel junior, die dieser bis heute<br />

ausübt.<br />

Bei unseren offiziellen Reisen in den<br />

USA wurden wir jeweils von dem für den<br />

betreffenden Staat zuständigen österreichischen<br />

Generalkonsul sowie vom zuständigen<br />

Handelsdelegierten begleitet. Im Fall<br />

von Alaska waren dies Generalkonsul<br />

Dr. Christian Prosl – derzeit österreichischer<br />

Botschafter in den USA – und der<br />

Handelsdelegierte Dr. Hans Kausl.<br />

***<br />

Dinner ohne Schuhe und Krawatte<br />

Es gab zunächst eine Reihe von Terminen<br />

in Anchorage, unter anderem sprach<br />

mein Mann vor dem „Alaska World Affairs<br />

Council“. Anschließend reisten wir nach Juneau,<br />

der Hauptstadt Alaskas, der einzigen<br />

Hauptstadt eines US-Bundesstaates, die nur<br />

auf dem Luft- oder Seeweg, nicht aber über<br />

Land zu erreichen ist. Anfangs war es nicht<br />

möglich, einen Termin mit Gouverneur<br />

Hickel zu vereinbaren, da dieser verreist<br />

war. Schließlich ergab sich dann eine Gelegenheit<br />

im Haus des katholischen Bischofs<br />

von Alaska, Michael Kenny.<br />

Bischof Kenny lud uns nämlich gemeinsam<br />

mit Gouverneur Hickel zu einem<br />

Abendessen in seine Residenz ein. Als wir<br />

dort ankamen, begrüßte uns der Bischof an<br />

der Tür, stellte sich als Michael vor und bat<br />

uns, die Schuhe auszuziehen und die Herren,<br />

die Krawatten abzunehmen. Er kochte<br />

selbst und hatte als Küchenassistenten einen<br />

österreichischen Priester – Pater Helmut<br />

– engagiert, der auf einem Kreuzfahrtschiff<br />

nach Juneau gekommen war. Ich<br />

half den beiden Priestern gegen deren<br />

Widerstreben in der Küche und ich denke,<br />

es wurde schließlich ein ausgezeichnetes<br />

Mahl. Ein wenig nach uns trafen Gouverneur<br />

Hickel und seine Frau Ermalee ein.<br />

Auch sie wurden gebeten, sich der Schuhe<br />

und der Krawatte zu entledigen.<br />

***<br />

Alaskas „Vier im Jeep“<br />

Bischof Kenny sprach kein Tischgebet,<br />

sondern sang dieses zu Ehren der österreichischen<br />

Gäste nach der Melodie “Edelweiß”<br />

aus dem Musical “Sound of Music”.<br />

Wir verbrachten einen außerordentlich<br />

schönen Abend und erfuhren sehr viel<br />

über die Geschichte Alaskas, das Leben<br />

der Menschen und die Situation der Katholischen<br />

Kirche. Bischof Kenny erläuterte,<br />

die meisten Menschen in Alaska hätten keine<br />

Bindung an eine kirchliche Gemeinschaft,<br />

sie seien “unchurched”. Wir hatten<br />

einen wunderbaren Blick auf den Hafen<br />

von Juneau, die dort verankerten Kreuzfahrtschiffe<br />

und die Bergketten dahinter,<br />

während es langsam dunkel wurde und<br />

die Lichter angingen. Bischof Kenny erwähnte<br />

mit Begeisterung, dass er im Frühjahr<br />

1995 eine Reise ins Heilige Land plane.<br />

Leider sollte er dort, offenbar an Überanstrengung,<br />

im Alter von 48 Jahren versterben.<br />

Die Reise führte uns weiter nach Sitka,<br />

früher Hauptstadt von “Russisch Amerika”.<br />

In Sitka erinnert noch heute vieles an<br />

Russland, insbesondere die Holzkirchen.<br />

Wir waren ein wenig überrascht, als uns<br />

Bürgermeister Rocky Gutierrez bei der Ankunft<br />

in Sitka persönlich empfing. Er bestand<br />

darauf, uns selbst die Sehenswürdigkeiten<br />

der Stadt zu zeigen. Es stellte sich<br />

heraus, dass er nach dem 2. Weltkrieg einer<br />

der “Vier im Jeep” gewesen war, ein<br />

Vertreter der vier Besatzungsmächte, die<br />

abwechselnd den 1. Wiener Gemeindebezirk<br />

kontrollierten. Er bedauerte sehr, dass<br />

er nachher nie wieder Gelegenheit hatte<br />

nach Wien zu kommen. Der Flughafen<br />

von Sitka ist heute nach diesem verdienten<br />

Bürgermeister benannt.<br />

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