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Ausgabe 1/2015. Ein Heft über Flucht und Vertreibung.
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TITELTHEMA: FLUCHT & VERTREIBUNG<br />
KUMPEL GESUCHT<br />
Aner<strong>ke</strong>nnung und Solidarität für Geflüchtete darf nicht erst beginnen, wenn die deutsche und europäische<br />
Asylpolitik endlich im Interesse von Menschen handelt, die aus verschiedenen Gründen ihre Heimat verlassen<br />
müssen. Darum arbeitet die Naturfreundejugend Frankfurt am Main seit geraumer Zeit mit geflüchteten<br />
Menschen zusammen, um gemeinsam eine Perspektive für das Leben in der neuen Heimat zu gestalten. Ein<br />
Erfahrungsbericht. [Anmerkung: Die Namen der Betroffenen wurden auf eigenen Wunsch geändert]<br />
„An Donnerstagen <strong>ist</strong> immer Urlaub“, sagt Amaniel. Wir grinsen.<br />
Das sagt er jeden Donnerstag. Und jeden Donnerstag treffen wir<br />
uns hier im Naturfreundehaus Niederrad, um den Abend gemeinsam<br />
zu gestalten.<br />
Begonnen hat das alles damals beim Apfelfest der Ortsgruppe Frankfurt.<br />
Wir luden die Gruppe Geflüchteter ein, die dieser Tage direkt<br />
gegenüber untergebracht wurden. Beim Klettern, Slacklinen, Apfelsaftpressen<br />
und Waffelschlemmen freundeten wir uns schnell an.<br />
Seitdem treffen wir uns wöchentlich.<br />
Gegenseitig verköstigten wir uns schon oft mit unseren kulturellen<br />
Spezialitäten und zeigten uns traditionelle Tänze. Wir sammelten<br />
auch warme Kleidung für die Wintermonate und aus gegebenem<br />
Anlass Babysachen. Diverse Aktivitäten wie Volleyballspielen und<br />
Tischkic<strong>ke</strong>rn kamen gut an. Besonders behaglich war der Abend am<br />
Lagerfeuer mit Stockbrot. In der Weihnachtszeit backten wir Plätzchen.<br />
Nebenbei versuchen wir stets so viel Deutsch wie möglich zu<br />
sprechen. Manchmal kommen auch Leute, die uns die Sprachbarrieren<br />
erleichtern können. Mit deren Übersetzungshilfe sind dann sehr viel<br />
tiefgründigere Gespräche möglich.<br />
Letztens legten wir Steckbriefe an, um herauszufinden, was die Leute<br />
besonders interessiert und wie wir sie dabei unterstützen können.<br />
Da <strong>ist</strong> Ramsan, der Schreiner <strong>ist</strong> und gerne wieder in seinem Beruf<br />
arbeiten möchte. Omar hat ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium<br />
und möchte gerne noch den Master drauf setzen. Tafari <strong>ist</strong> ein<br />
wunderbarer Musi<strong>ke</strong>r, der gerne wieder mit seiner Gitarre in einer<br />
Band spielen möchte – wie damals in Eritrea. Einen Wunsch haben<br />
sie alle gemein: Sie fragen nach Freund*innen zum gemeinsamen<br />
Zeitvertreib. Wir versuchen nun ein paar Kontakte zu knüpfen, zum<br />
Beispiel durch einen Facebook-Post:<br />
MITMACHEN & UNTERSTÜTZEN<br />
Es wurde öfter schon mal nachgefragt, wie Geflüchtete unterstützt<br />
werden können. Was bei uns gebraucht wird, sind Leute, die Lust haben,<br />
was Schönes zu unternehmen und sich zu vernetzen. Die eine*n mal<br />
mitnehmen ins Kino, Museum, Schwimmbad oder zum Fußballspielen.<br />
Gemeinsames Sportmachen, Kochen und Musizieren, aber auch<br />
Deutschunterricht sind gefragt. Um die Gruppe erst mal <strong>ke</strong>nnen zu<br />
lernen, kannst du auch gerne bei unseren wöchentlichen Treffen in<br />
Niederrad vorbeischauen.<br />
Melde dich doch bei uns, wenn du Interesse hast, dann stellen wir<br />
gerne den Kontakt her.<br />
Naturfreundejugend Frankfurt // Am Poloplatz 15<br />
60528 Frankfurt // info@naturfreundejugend-ffm.de<br />
Seit der Anzeige sprudelt das Postfach <strong>voll</strong>er positiver Rückmeldungen.<br />
Es <strong>ist</strong> wunderbar, wie viele Menschen sich interessiert zeigen<br />
und einbringen möchten. Vor allem nach der Medienüberflutung<br />
über Asyl-Gegner*innen gab es Beden<strong>ke</strong>n, wie die breite Meinung<br />
zu solchen Projekten aussehen würde. Umso größer <strong>ist</strong> die Überraschung,<br />
wie viel Unterstützung wir tatsächlich zugesprochen<br />
bekommen. Und es <strong>ist</strong> erstaunlich leicht. Durch eine Anfrage bei der<br />
Eissporthalle bekamen wir beispielsweise für die gesamte Gruppe<br />
Freikarten gestellt, sodass wir Schlittschuhlaufen gehen konnten.<br />
Dies war ein bereicherndes Erlebnis für alle Beteiligten, zumal die<br />
Geflüchteten niemals zuvor auf dem Eis standen. Die eher weniger<br />
eleganten Landungen auf allen Vieren sorgten für jede Menge<br />
Gelächter. Von Fremden wurden wir angesprochen und gefragt, was<br />
wir für eine Gruppe seien, woraufhin wir bege<strong>ist</strong>erten Zuspruch<br />
ernteten: „Naturfreundejugend heißt ihr? Das schaue ich zu Hause<br />
direkt mal nach und auch, wie ich euch unterstützen kann.“<br />
Wichtig für uns <strong>ist</strong>, dass unsere Treffen, wie alle Veranstaltungen<br />
der NFJF, gemeinsam von allen Teilnehmenden gestaltet und umgesetzt<br />
werden. Als Willkommensgruß steht das Projekt den Hürden<br />
entgegen, die den Geflüchteten zu oft in den Weg gelegt werden.<br />
Natufreundejugend Frankfurt am Main