[ke:onda] Dieses Boot ist voll!
Ausgabe 1/2015. Ein Heft über Flucht und Vertreibung.
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INTERVIEW<br />
WIR MÖCHTEN EINFACH NUR MIT<br />
UNSEREM LEBEN WEITERMACHEN<br />
Seit 2011 tobt in Syrien ein unübersichtlicher Bürgerkrieg, dem seither mindestens 200.000 Menschen zum Opfer<br />
gefallen sind. Etwa ein Fünftel der Bevöl<strong>ke</strong>rung, also rund vier Millionen Menschen, verließ seit Ausbruch des<br />
Krieges das Land. Die me<strong>ist</strong>en flohen in die Nachbarländer Tür<strong>ke</strong>i, Libanon und Jordanien. Nur rund 220.000<br />
Menschen haben bisher Asyl in einem europäischen Land beantragt. Zwei von ihnen haben wir bei der Vernissage<br />
zur Ausstellung „Capture your life“ getroffen: Die Brüder Mohamed und Ahmed, beide aus der südsyrischen<br />
Stadt Daraa. Sie leben heute im Bundesland Schleswig-Holstein und erzählten uns im Gespräch von ihrer Flucht.<br />
Mohamed, Ahmed, ihr habt vor etwa einem Jahr<br />
eure Heimat verlassen. Könnt ihr mir erzählen,<br />
warum ihr das tun musstet?<br />
Mohamed: In Syrien können nur die Leute arbeiten und studieren,<br />
die eine gute Beziehung zur Regierung haben. Wenn dein Vater bei<br />
der Armee <strong>ist</strong> oder für die Regierung arbeitet, dann hast du <strong>ke</strong>ine<br />
Probleme. Alle anderen…<br />
Ahmed: Ich habe in Aleppo [zweitgrößte Stadt im Norden Syriens,<br />
Red.] studiert. Jedes Mal wenn ich von Daraa nach Aleppo gefahren<br />
bin, musste ich an unzähligen Checkpoints anhalten. Viele meiner<br />
Freunde wurden dort getötet, andere sind im Gefängnis gelandet.<br />
Mohamed: Heute <strong>ist</strong> es in Syrien so: Die Regierung schnappt sich<br />
alle jungen Männer und steckt sie in die Armee, und dann musst du<br />
mit ihnen kämpfen. Gegen Frauen und Kinder. Entweder du machst<br />
das, oder du musst mit Bestrafung rechnen. Mein Bruder und ich<br />
wollten das nicht tun, und darum sind wir geflüchtet.<br />
Ihr seid unabhängig voneinander geflohen. Was<br />
war der Grund dafür?<br />
Ahmed: Ich kam aus Aleppo in die Tür<strong>ke</strong>i, und von dort aus mit dem<br />
Schiff weiter nach Italien. Syrische Bürger brauchen <strong>ke</strong>in Visum,<br />
um in die Tür<strong>ke</strong>i einzureisen. Und ich hatte auch <strong>ke</strong>inen Reisepass,<br />
denn wenn du einen beantragen willst, stec<strong>ke</strong>n dich die Leute von<br />
der Regierung sofort ins Militär. Ich war etwa zehn Tage unterwegs.<br />
Mein Bruder war in Daraa und ging zuerst nach Jordanien …<br />
Mohamed: … und von Jordanien weiter nach Algerien, Libyen,<br />
Tunesien, und dann über das Meer nach Italien. Das hat etwa zwölf<br />
Tage gedauert.<br />
Habt ihr Kontakt zu eurer Familie?<br />
Mohamed: Ja. Einige leben in Jordanien, andere noch immer in<br />
Syrien.