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Der Tierreichtum in der Serengeti<br />
ist einzigartig. Auf einer Fläche<br />
von rund 30 000 Quadratkilometern<br />
stehen sich in der baumarmen<br />
Savanne, die sich im Norden Tansanias<br />
und östlich vom Victoriasee bis in<br />
den Süden Kenia erstreckt, mehr als 1,6<br />
Millionen grosse Pflanzenfresser zigtausenden<br />
grossen Raubtieren gegenüber.<br />
Hinzu kommen kleine Säuger wie Mangusten<br />
oder Halbaffen, Reptilien wie Krokodile<br />
und Schlangen, Vögel wie Strausse<br />
oder Flamingos. Hier gelten die Gesetze<br />
der Natur. Das Gesetz vom fressen und<br />
gefressen werden.<br />
Erstaunlich dabei: Die riesigen Herden<br />
von Gnus, Zebras und Antilopen weiden<br />
die Savanne nicht radikal ab. Und die<br />
Raubtiere machen den Herden nicht vollkommen<br />
den Garaus. Die Arten halten<br />
sich im Gleichgewicht. Doch wie geht<br />
das? Mit dieser Grundfrage der Ökologie<br />
beschäftigen sich Forscher bereits seit<br />
mehr als einem Jahrhundert.<br />
Charles Elton war der erste, der dieser<br />
Frage in den 1920er-Jahren systematisch<br />
nachging. Auf einer Reise nach Spitzbergen<br />
entdeckte der britische Forscher das<br />
Fressen und gefressen werden: Ein<br />
Lemming in der russischen Tundra.<br />
Konzept der Nahrungsketten. Fische fressen<br />
Plankton und andere Kleinstlebewesen<br />
und werden selbst wiederum von<br />
Raubfischen, Vögeln und Robben gefressen.<br />
Am Ende der Kette stehen die Eisbären<br />
und Polarfüchse. Doch Elton erkannte<br />
auch, dass die Ketten miteinander verwoben<br />
sind. Der Dung der Tiere enthält Stickstoff,<br />
der Bakterien nährt, die wiederum<br />
Pflanzen nähren, die Insekten nähren, die<br />
Vögel nähren. Am Ende stehen erneut der<br />
Polarfuchs und der Eisbär. Elton folgerte<br />
daraus, dass mit der Nahrung (Pflanzen,<br />
Beute) zusammenhängt, wie zahlreich eine<br />
Tierart ist. Inzwischen haben Studien<br />
gezeigt, dass das Verhältnis zwischen den<br />
einzelnen Stufen einer Nahrungskette immer<br />
etwa eins zu zehn ist. Eine bestimmte<br />
Menge an Pflanzenfressern braucht etwa<br />
die zehnfache Menge an Grünzeug und<br />
kann selbst nur ein Zehntel so viele Raubtiere<br />
ernähren. Ähnlich wie in der Wirtschaft<br />
scheint das Angebot die Nachfrage<br />
zu regeln. Dabei kann ein üppiges Ökosystem<br />
wie der Regenwald oder die Savanne<br />
mehr Tieren auf mehr Ebenen Nahrung<br />
bieten als die karge Tundra.<br />
Aber ist es nicht gerade umgekehrt?<br />
Regelt nicht die Nachfrage das Angebot?<br />
So wie dies in der heutigen Ökonomie des<br />
Überflusses der Fall ist? Genau dies geschieht<br />
in üppigen Ökosystemen. Die<br />
Räuber halten die Beute kurz. Doch was<br />
bedeutet das?<br />
WANDERTRIEB DER LEMMINGE<br />
Wir erläutern dies an dem Beispiel, das<br />
auch Elton zu der Erkenntnis brachte: die<br />
Berichte über die Massenwanderungen<br />
der Lemminge. Alle drei bis vier Jahre vermehren<br />
sich Lemminge dank eines gu-<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK.COM/GUDKOV ANDREY<br />
Fleischfresser<br />
dezimieren<br />
Pflanzenfresser<br />
und fördern so die<br />
Vegetation.