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RUDOLF RICKENBACHER<br />
Er ist ein hoffnungsvoller junger Mann. Ein<br />
reich erfülltes Leben liegt vor ihm. Rudolf Rickenbacher,<br />
Sohn des Dorfarztes von Gutenburg<br />
und Lotzwil, steht bei der ETH Zürich<br />
kurz vor dem Abschluss seines Studiums. Er fliegt im<br />
Grad eines Leutnants in der schweizerischen Flugwaffe<br />
und ist ein exzellenter Pilot: Er soll schon mal in<br />
Bern unter der Kirchenfeldbrücke durchgeflogen sein.<br />
Versetzen wir uns zurück<br />
in seine Zeit. Deutschland hat<br />
im Herbst 1939 Polen erobert<br />
und den 2. Weltkrieg entfesselt.<br />
Die Deutschen besetzen<br />
im April 1940 auch Dänemark<br />
und Norwegen, und im<br />
Mai 1940 beginnt die grosse<br />
Schlacht um Frankreich.<br />
Vom Krieg bleibt die<br />
Schweiz verschont. Oder besser:<br />
fast verschont. Im Mai und im Juni 1940 kommt<br />
es über dem Neuenburger und Berner Jura zu Luftkämpfen.<br />
Kampfflugzeuge unserer Flugwaffe greifen<br />
deutsche Maschinen an, die in den Schweizer Luftraum<br />
eingedrungen sind. Die Kämpfe sind heftig. Am<br />
4. Juni 1940 fliegt Leutnant Rudolf Rickenbacher<br />
einen Einsatz gegen die deutschen Eindringlinge. Im<br />
Gefecht wird sein Flugzeug getroffen und stürzt ab.<br />
Er kann sich nicht mit dem Fallschirm retten und verliert<br />
sein Leben. Er ist das erste Opfer militärischer<br />
Kampfhandlungen in der Schweiz im 2. Weltkrieg.<br />
Nur fünf Jahre später das zweite tragische Unglück:<br />
Hans Rickenbacher, Rudolfs älterer Bruder und<br />
ebenfalls Militärpilot, stürzt in den letzten Tagen des<br />
2. Weltkriegs mit seiner Maschine im Rahmen eines<br />
Übungsfluges ohne feindliche Einwirkung ab und<br />
findet ebenfalls den Tod.<br />
Die Geschichte des tragischen Helden unserer<br />
Luftwaffe ist gut dokumentiert, unter anderem durch<br />
Herbert Rentsch im «Jahrbuch des Oberaargaus.» Die<br />
Familie Rickenbacher stammt aus Zeglingen BL. Als<br />
junger Arzt zieht Dr. Otto Rickenbacher 1908 von<br />
seinem Geburts- und Heimatort nach Gutenburg.<br />
Dort eröffnet er im Alter von 34 Jahren eine Arztpraxis.<br />
Auch die zahlreichen Kurgäste im Bad Gutenburg<br />
beanspruchen für ihre Heilung die Hilfe des Dorfarztes<br />
von Lotzwil und Gutenburg. Mit seiner Ehefrau<br />
Martha, geb. Bider, bewohnt er ein stattliches Haus<br />
an der Landstrasse eingangs von Gutenburg. Hier<br />
befindet sich auch seine Praxis.<br />
Dem Ehepaar Rickenbacher wurden drei Kinder<br />
geboren: Hans (1913), Rudolf (1915) und Susi<br />
(1920). Die Primarschule besuchen die drei in<br />
Lotzwil. Rudolf wechselt anschliessend in die Sekundarschule<br />
nach Langenthal und ins Gymnasium nach<br />
Burgdorf und beginnt nach der Matur ein Studium<br />
als Maschinenbauer an der ETH Zürich. Die beiden<br />
Söhne interessieren sich brennend für die Fliegerei.<br />
Am 4. Juni 1940 verliert<br />
Rudolf Rickenbacher<br />
im Kampf mit deutschen<br />
Eindringlingen sein Leben.<br />
Kein Wunder: Ihre Mutter ist eine Verwandte des<br />
Flugpioniers Oscar Bider (vgl. s’Positive Ausgabe<br />
01/2019).<br />
SCHWEIZER OPERETTEN-FLUGWAFFE<br />
Am 1. September 1939 marschiert die deutsche<br />
Wehrmacht in Polen ein und entfesselt den 2. Weltkrieg.<br />
Der Bundesrat ordnet die allgemeine Mobilmachung<br />
an. Die Gebrüder<br />
Rickenbacher müssen einrücken.<br />
Beide sind Piloten, dienen<br />
aber nicht in der gleichen<br />
Einheit. Unsere Luftwaffe ist<br />
bei Kriegsausbruch nur bedingt<br />
kampftauglich. Sie verfügt<br />
nur über 18 kriegstüchtige<br />
Jagdflugzeuge, 36 veraltete<br />
Jagdmaschinen und 80<br />
Beobachtungsflugzeuge. Von<br />
21 Fliegerkompanien sind nur drei kampftüchtig.<br />
Fünf dieser 21 Kompanien haben kein einziges Flugzeug,<br />
die Soldaten werden wieder heimgeschickt.<br />
Für die Abwehr feindlicher Bomber, für den Schutz<br />
unserer Städte und Ortschaften, Kraftwerke, Stauanlagen<br />
und Eisenbahnknotenpunkte gibt es lediglich<br />
8 Suchscheinwerfer, 3 Horchgeräte und 31 Fliegerabwehrgeschütze:<br />
eine Operetten-Flugwaffe und<br />
eine Operetten-Flugabwehr.<br />
NEUE FLIEGER NACH KRIEGSAUSBRUCH<br />
Diese technische Rückständigkeit ist dem Volk weder<br />
bekannt noch bewusst. Die Mobilmachung verläuft<br />
ruhig und klappt tadellos. Und immerhin gelingt<br />
jetzt eine Nachrüstung. Noch vor Kriegsbeginn<br />
hatte die Armee in Deutschland 50 Messerschmitt<br />
Me 109 bestellt und bezahlt. Dabei handelt es sich<br />
Das Fliegerass<br />
Oscar Bider war<br />
ein Verwandter<br />
mütterlicherseits.<br />
s’Positive 3 / 2019 29