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K ULTUR<br />
Als der Kaplan noch Wirt war<br />
Erzählabend „Bergbauernleben“ im Turmmuseum in Oetz<br />
Die Bergbauernsöhne Norbert Riml „von der Seite“ im Ventertal und Ewald Schöpf, gebürtig aus<br />
Gries im Sulztal, gaben tiefe Einblicke in den Lebens- und Arbeitsalltag in den 1930er Jahren auf rund<br />
1700 Metern Höhe. Untermalt wurde der spannenden Erzählabend durch historische Fotografien. Die<br />
Veranstaltung fand im Rahmen der Ausstellung „Menschen“ im Turmmuseum Oetz statt.<br />
Von Friederike Hirsch<br />
Wie erlebte ein Kind in den 1930er<br />
Jahren in Heiligkreuz im Ventertal,<br />
umgeben von Lawinenstrichen und<br />
an der Grenze des menschlichen<br />
Siedlungsraumes, seine Kindheit?<br />
Norbert Riml, Jahrgang 1933, und<br />
Ewald Schöpf, Jahrgang 1942, erzählten<br />
eindrucksvoll von ihrem<br />
Lebens- und Arbeitsalltag. Sie illustrieren<br />
nicht zuletzt den enormen<br />
landschaftlichen Wandel in den vergangenen<br />
70 Jahren.<br />
THEMA: „Kein Menschenleben<br />
ist es her, dass die Bauernfamilien<br />
an der Grenze des Siedlungsraumes<br />
auf Selbstversorgung angewiesen<br />
waren. Dabei waren sie ständig Naturgefahren<br />
und anderen Extremen<br />
ausgesetzt. Man nutzte, was man zugleich<br />
fürchtete. Keine Generation<br />
zuvor in der Menschheitsgeschichte<br />
hat einen derart starken gesamtgesellschaftlichen<br />
Wandel innerhalb<br />
einer nur einer Biografie miterlebt“,<br />
so Museumsleiterin Edith Hessenberger.<br />
ALLTAG: Die Bergbauern lebten<br />
von dem Wenigen, was die steilen<br />
Wiesen und Hänge hergaben. Man<br />
hielt Kühe und Ziegen. Fleisch gab<br />
es selten. Geschlachtet wurde nur<br />
einmal im Jahr. „A Muas“ und „a<br />
Suppa“ mussten reichen, um trotz<br />
harter körperlicher Arbeit gesund<br />
zu bleiben. Über Wochen schlief<br />
man im Stall hoch über dem Hof.<br />
Es machte keinen Sinn, täglich den<br />
steilen Berg vom Hof zum Vieh hinaufzusteigen.<br />
„Heute bezahlen die<br />
Leute viel Geld für ein Heubad. Wir<br />
hatten das fast täglich“, schmunzelt<br />
Norbert Riml. Das Leben bestand<br />
für die Kinder aus Schule und Arbeit.<br />
So etwas wie „Freizeit“ gab es<br />
nicht. Nur sonntags ruhte die Arbeit<br />
für ein paar Stunden, Kirchgang war<br />
Pflicht.<br />
ÄRZTLICHE VERSORGUNG:<br />
„Einen Arzt haben wir selten gebraucht.<br />
Zur anstehenden Geburt<br />
kam die Hebamme. Die wohnte in<br />
Winterstall – eine gute halbe Stunde<br />
zu Fuß. Der Arzt hatte seine Praxis<br />
in Sölden. Im Winter ist er mit den<br />
Skiern gekommen und im Sommer<br />
mit dem Motorrad. Untertags hat<br />
man ihn über das einzige Telefon in<br />
Heiligkreuz gut erreicht, aber in der<br />
Nacht ist er selten ans Telefon gegangen“,<br />
erinnert sich Norbert. Kein<br />
Wunder also, dass die Kinder dachten,<br />
die Hebamme würde die Babys<br />
bringen. Norbert entsinnt sich: „Als<br />
die Hebamme wieder einmal kam,<br />
sagten wir zu ihr, dass wir genug<br />
Kinder haben.“<br />
DER KAPLAN: Das Widum war<br />
in zahlreichen Orten in Tirol zugleich<br />
das Gasthaus. Kaiser Josef II<br />
erteilte den Kaplaneien das Recht,<br />
das Widum als Gastwirtschaft zu<br />
nutzen. Der Kaplan war somit der<br />
Wirt vom Ort. Er war aber auch derjenige,<br />
der genau beobachtete, wieviele<br />
Kinder zur Welt kamen. Als in<br />
einem Jahr in Sölden eine Frau nicht<br />
Mutter wurde, besuchte sie der Kaplan,<br />
um nach „dem Rechten“ zu sehen.<br />
Die Bäuerin erklärte: „Ich habe<br />
nichts dafür und nichts dagegen getan.<br />
Es hat halt keines gegeben.“<br />
EINDRUCK: Zahlreiche Interessierte<br />
sind in das Turmmuseum gekommen,<br />
um sich auf eine Zeitreise<br />
zu begeben. Die Fotografien von<br />
Ewald Schöpf zeigten ein Ötztal,<br />
das es in dieser Form nicht mehr<br />
gibt. Sie zeigen Menschen, die sich<br />
mit all ihrem Willen mit der Natur<br />
des Berges auseinandersetzten. Die<br />
Norbert Riml (r.) „von der Seite“ im Ventertal<br />
und Ewald Schöpf (l.), gebürtig<br />
aus Gries im Sulztal, erzählten im Turmmuseum<br />
Oetz Geschichten und Anekdoten<br />
aus ihrem Leben als Bergbauernkinder<br />
in den 1930er Jahren. Foto: Hirsch<br />
Geschichten und Fotos zeugten von<br />
Mut und Beharrlichkeit, von einem<br />
Leben mit der Natur und deren<br />
Gefahren. Besonders jüngerer Besucher<br />
blieben mit Fragen zurück.<br />
„Wie konnten die Menschen unter<br />
diesen Bedingungen leben und wie<br />
weit haben wir uns in den wenigen<br />
Jahrzehnten von dieser Lebensweise<br />
entfernt?“<br />
Musikalische Gradmessung<br />
Wertungsspiel im Musikbezirk Silz<br />
(ba) Mit Spannung blicken die Kapellmeister und Musikanten<br />
der regionalen Musikkapellen auf den Samstag, dem 6. April. An<br />
diesem Tag findet das traditionelle Wertungsspiel der Blasmusikkapellen<br />
statt. Insgesamt zwölf Kapellen aus Oetz und dem Inntal<br />
unterziehen sich in vier Schwierigkeitsstufen dem Urteil einer renommierten<br />
Fachjury.<br />
Bezirkskapellmeister Klaus Strobl und Obmann Wolfgang Schöpf (v.l.) freuen sich auf<br />
das Wertungsspiel von zwölf Kapellen aus der Region. <br />
Foto: Musikbezirk Silz<br />
Foto: Gemeindechronik Sölden<br />
Im Bild: Ein Pferdefuhrwerk in Vent. Pferde waren als Zugtiere allerdings nicht so<br />
„attraktiv“. Sie gaben keine Milch und konnten daher nur für den Transport von<br />
Waren oder zum Holzziehen genutzt werden. Die Bauern selbst spannten Kühe vor<br />
den Fuhrwagen. Bei Eis und Schnee wurden diese sogar „beschlagen“. <br />
„Neben der musikalischen Gradmessung<br />
steht für uns beim Konzertwertungsspiel<br />
auch immer der<br />
kameradschaftliche Gedanke mit<br />
im Vordergrund. Ich bedanke mich<br />
schon jetzt bei allen Musikanten für<br />
die Probenarbeit und fürs Dabeisein“,<br />
berichtet Bezirkskapellmeister Klaus<br />
Strobl. Ab 9 Uhr haben interessierte<br />
Blasmusikzuhörer die Möglichkeit, im<br />
Oberlandsaal Haiming dabei zu sein.<br />
Es wird jeweils ein Pflichtstück und ein<br />
selbst gewähltes Werk in der jeweiligen<br />
Schwierigkeitsstufe dargeboten, eine<br />
Kapelle wählte die Bewertungsform<br />
eines Kurzkonzertes mit drei Stücken.<br />
Weitere Infos und das Programm gibt<br />
es unter www. musikbezirk-silz.at.<br />
RUNDSCHAU Seite 44 3./4. April 2019