alpenblick, Ausgabe 2/2019
Das gemeinsame Mitgliedermagazin der Sektionen Augsburg und Friedberg des Deutschen Alpenvereins (DAV).
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Titelthema<br />
Reutte oder gar in St. Gallen. In 90 Prozent<br />
der Fälle wird jedoch der Motorschlitten<br />
losgeschickt, der aber am<br />
Nachmittag, wenn der Schnee schon<br />
sulzig wird, deutlich schwerer zu fahren<br />
ist. Vor Ort wird nach dem „Bodycheck“<br />
entschieden, ob der Patient mit dem<br />
Hubschrauber abgeholt werden muss<br />
oder mit dem Schlitten bzw. mit dem<br />
Akja zur Bergbahn gebracht werden<br />
kann. Gerade im steilen oder unwegsamen<br />
Gelände ist der Akja immer noch<br />
unersetzbar. Die Mitglieder der Bergwacht,<br />
die alle als Sanitätshelfer ausgebildet<br />
sind, unterstützen in dieser<br />
Phase vor allem durch Schmerzlinderung,<br />
z. B. durch schmerzfreiere Lagerung<br />
des Verletzten.<br />
Andreas Möss berichtet, dass vor kurzem<br />
ein ganzer Einsatz ausschließlich<br />
mit dem Hubschrauber abgewickelt<br />
werden musste. Vier Skifahrer hatten<br />
die Piste unerlaubt verlassen und waren<br />
im steilen, felsigen Gebiet abgestürzt.<br />
In solchen Fällen kommt es auf die Zeit<br />
an, daher werden derartige Einsätze<br />
in der Regel von den routinierteren<br />
Oberstdorfer Kollegen übernommen.<br />
Neben dem Pistendienst ist die Bergwacht<br />
Augsburg aber auch bei Sonderveranstaltungen,<br />
wie z. B. der Vierschanzentournee<br />
oder dem Ski- und<br />
Boardercross in Grasgehren, für den<br />
Sanitätsdienst zuständig.<br />
Das typische Unfallopfer<br />
Um es gleich vorwegzunehmen, diesen<br />
Typ gibt es nicht, so ist jedenfalls die<br />
Meinung der Bergwachtler. Die Unfälle<br />
verteilen sich prozentual auf die diversen<br />
Gruppen wie Snowboardfahrer,<br />
Skifahrer, ältere Fahrer, jüngere Raser,<br />
Männer, Frauen oder Kinder. Risikofaktoren<br />
sind u. a. eine schlecht eingestellte<br />
Bindung oder ein fehlender Helm.<br />
Wer sich selbst überschätzt und z. B.<br />
zu schnell fährt oder das Risiko unterschätzt,<br />
wird am ehesten in den Genuss<br />
einer Hubschrauber- oder Motorschlittenfahrt<br />
und der beruhigenden Worte<br />
eines Bergwachtlers kommen.<br />
Gaisalpe<br />
Unterer<br />
Gaisalpsee<br />
Eisfälle<br />
Zustieg von Reichenbach<br />
Die Nordseite des Rubihorns. Wanderer nehmen den Weg über den Gaisalpsee, Kletterer und Eiskletterer<br />
überqueren ein (hier verschneites) Geröllfeld, um zur begehrten Wand zu kommen.<br />
Spektakuläre Rettung am Rubihorn<br />
Rubihorn (1.957 m)<br />
Klassische<br />
Nordwandroute<br />
Der späte Notruf ereilte die Bergwacht<br />
knapp vor Einbruch der Dämmerung.<br />
Zwei 2er-Seilschaften waren in der Früh<br />
aufgebrochen und wollten die beliebte<br />
Nordwandroute des Rubihorns durchklettern.<br />
Frischer Schneefall führte dazu,<br />
dass die Geröllstrecke sich schwieriger<br />
erwies als gedacht. Und so war schon<br />
ein halber Tag vergangen, bis die Wand<br />
erreicht wurde. Im oberen Wandteil<br />
wurde das Weiterkommen durch den<br />
Neuschnee immer schwerer und man<br />
beschloss, sich abzuseilen. Dabei verfing<br />
sich ein Seil und musste gekappt werden.<br />
Nun reichte die Seillänge nicht mehr<br />
aus, um eingerichtete Standplätze zu<br />
erreichen. Der Notruf ging um 17.30 Uhr<br />
in der Zentrale in Kempten ein. Wegen<br />
der beginnenden Dunkelheit konnte<br />
„Christoph 17” nicht mehr eingesetzt<br />
werden, da er nicht nachtflugtauglich ist.<br />
Zwei Strategien wurden nun verfolgt:<br />
Eine Rettungsmannschaft sollte versuchen,<br />
vom Gipfel aus mit langen Seilen<br />
zu den Verstiegenen zu gelangen.<br />
Ein SAR-Hubschrauber der Bundeswehr<br />
aus Penzing setzte sie gegen 19 Uhr<br />
dort oben ab.<br />
Zusätzlich wollte man versuchen, die<br />
vier Kletterer mit einem Hubschrauber<br />
direkt aus der Felswand zu holen. Die<br />
Piloten der Bundeswehr hatten mit<br />
dieser Methode aber keine Erfahrung<br />
und deshalb war ein spezieller Polizeihubschrauber<br />
angefordert worden.<br />
Beide Piloten waren Rettungsausbilder<br />
und mit dieser Bergungsmethode vertraut.<br />
Inzwischen war das Bergwacht-<br />
Technikfahrzeug der Region Allgäu vor<br />
Ort sowie auch die Augsburger Bergwachtler.<br />
Mittels Drohnen und Wärmebildkameras<br />
wurden die Positionen<br />
der Bergsteiger eruiert und dann mit<br />
Scheinwerfern angestrahlt.<br />
Mit einer sogenannten „Kapprettung”<br />
sollte nun versucht werden, die Kletterer<br />
aus der Wand zu holen. Da diese<br />
an der Stelle aber fast senkrecht ist,<br />
musste der Retter der Bergwacht an<br />
dem Stahlseil unter dem Helikopter zu<br />
der Person hinpendeln und ihr ein Seil<br />
zuwerfen. Damit konnte er sich dann<br />
zu dem Verstiegenen hinziehen. Dessen<br />
Klettergurt wurde nun eingeklinkt<br />
und er wurde von seinem Seil abgekappt.<br />
Die Winde brachte beide in den<br />
Hubschrauber. Nun folgte der nächste<br />
Kletterer. Beide wurden nach unten<br />
gebracht, da der Hubschrauber nur<br />
fünf Personen transportieren kann.<br />
Danach wurde die zweite Seilschaft<br />
angeflogen, die sich glücklicherweise<br />
auf einem kleinen Schneefeld befand;<br />
hier war die Rettung einfacher.<br />
Die Zusammenarbeit von Rettungsleitstelle,<br />
Polizei, Bundeswehr und Bergwacht<br />
sowie Erfahrung, Training und<br />
Einsatzbereitschaft brachten den Erfolg!<br />
Foto: Peter Schwarzmann<br />
<strong>alpenblick</strong> 2 | <strong>2019</strong> 9