alpenblick, Ausgabe 2/2019
Das gemeinsame Mitgliedermagazin der Sektionen Augsburg und Friedberg des Deutschen Alpenvereins (DAV).
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Aus den Abteilungen / AugsburgAlpin<br />
Gedächtnis – ging es dieses Mal mit<br />
Janina wieder zur Wand unserer<br />
Träume zurück nach Arco.<br />
Tag 4 in der Wand: Was für ein Tag!<br />
Ich rechnete mit sehr viel Arbeit beim<br />
Ausprobieren der Lösung. Beim ersten<br />
Versuch boulderte ich noch einmal<br />
durch die Crux und versuchte den Teil<br />
danach einzuschleifen. Einen Haken<br />
konnte ich einfach nicht sicher klippen<br />
und entschied mich, ihn im Ondra-Style<br />
auszulassen. Gegen Abend machte ich<br />
dann einen weiteren Versuch und konnte<br />
die Länge punkten. Janina knüppelte<br />
die Seillänge, für die ich drei Tage gebraucht<br />
hatte, im zweiten Versuch weg!<br />
An dieser Stelle wäre es eigentlich angebracht,<br />
eine Lobeshymne auf Janinas<br />
Performance zu Papier zu bringen, das<br />
wäre ihr aber mit Sicherheit zuwider.<br />
Tag 5 nicht in der Wand: Regen, italienisches<br />
Eis, Frust, mehr Eis, weniger Frust,<br />
genauso viel Regen – diese Reihenfolge<br />
bestimmte den Tag. Zwischendurch blieb<br />
viel Zeit zum Grübeln, Zweifeln und Philosophieren.<br />
Wir wussten beide: Jetzt<br />
haben wir genau noch einen Tag, das<br />
Projekt fertigzubringen. Das ehrlichste<br />
Vorgehen wäre eine Ein-Tages-Rotpunkt-<br />
Begehung; allerdings wie wahrscheinlich<br />
wäre es, dass ich die erste Länge<br />
ein zweites Mal punkten kann? Und ein<br />
Tag bedeutete bei den kurzen Tagen im<br />
November, die Schlüssellänge im ersten<br />
Versuch, jede weitere im zweiten oder<br />
onsight zu schaffen. Seillänge fünf bis<br />
acht waren uns noch völlig unbekannt,<br />
aber immerhin noch bis 9-.<br />
Tag 6 in der Wand: Mit dem ersten Tageslicht<br />
stehen wir wieder am Einstieg – zu<br />
dritt. Kurt wird uns begleiten. Kurt ist<br />
schwer bepackt mit Daunenjacke, Handschuhen,<br />
Essen für gefühlt drei Tage,<br />
unendlich viel Motivation und einer riesigen<br />
Portion Druck. Kurt ist unser Haulbag.<br />
Noch nie bin ich eine Seillänge an<br />
meinem Limit ein zweites Mal geklettert.<br />
Wieso auch? Ritualisiert binde ich die<br />
Schuhe, immer zuerst den linken, danach<br />
den rechten. Die ersten 15 Meter<br />
im unteren 8. Grad beginnen hakelig<br />
und brutal kalt, dann der gute Rastpunkt,<br />
fünf Meter kraftvolles, steiles<br />
7er-Gekraule, das übergangslos in den<br />
Dynamo – meine manchmal übermächtig<br />
erscheinende mentale Crux – übergeht.<br />
So oft bin ich an diesem einen Zug<br />
gescheitert. So oft war ich nicht in der<br />
Lage, all meine Energie in den Bruchteil<br />
dieser einen Sekunde zu stecken.<br />
Aber jetzt war der Fokus da und kurz<br />
nachdem beide Füße abgehoben sind,<br />
erreiche ich den Henkel. Meine psychische<br />
Crux ist geschafft, die nächsten fünf<br />
Links: Weite Hakenabstände und filigrane Züge in<br />
der 4. Seillänge (9)<br />
Unten: Beginn der Schlüsselstelle in der ersten Seillänge<br />
(45 m, 9+/10-)<br />
Alle Fotos: Silvan Metz (www.silvanmetz.de)<br />
<strong>alpenblick</strong> 2 | <strong>2019</strong> 57