alpenblick, Ausgabe 2/2019
Das gemeinsame Mitgliedermagazin der Sektionen Augsburg und Friedberg des Deutschen Alpenvereins (DAV).
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Aus den Abteilungen / AugsburgAlpin<br />
Genussklettern<br />
am Limit –<br />
ein Widerspruch?<br />
von Martin Feistl<br />
um Versuch endet im Seil, aber gegen<br />
Abend hängen zumindest mal alle<br />
15 Expressschlingen drin. Eine Lösung<br />
in Hakenlinie konnten wir nicht finden,<br />
jedoch die Anfänge einer überhaupt<br />
kletterbaren Möglichkeit: Am Beginn der<br />
Crux springt Finn 1,90 Meter gerade an<br />
einen Henkel, steht unglaublich unheimlich<br />
auf dem Griff auf und quert noch<br />
unheimlicher zurück in die Hakenlinie.<br />
Tag 2 in der Wand: Die vierte Seillänge<br />
mit ihrer Crux ist Finn schon mal geklettert,<br />
aber offenbar wurden der Wandbereich<br />
seit seinem letzten Besuch<br />
steiler und die Hakenabstände weiter.<br />
„Martin, ich falle!“ Jo, passt. „Bist du bei<br />
mir?“ Finn, wir sind allein in der Wand,<br />
bei wem soll ich sonst sein? „Oh shit,<br />
das wird weit, bitte mach’s weich, ganz<br />
weich!“ Fällst du jetzt oder hast du es<br />
dir noch anders überlegt? Irgendwann<br />
ist er letztlich doch geflogen. Als ich an<br />
der Reihe bin, beteuert er aber schon<br />
wieder: „So hart ist es nicht. Du musst<br />
da oben nur kurz mal die Eier in die<br />
Hand nehmen und klettern!“<br />
Mein Handy klingelt, Finn ist dran: „Hey<br />
Martin, ich hätte da ein Projekt in Arco,<br />
hast Lust, die Tage runterzufahren?“ Wie<br />
lange, wie schwierig und wo – irrelevant.<br />
Wichtig war nur, wann’s losgeht. Morgen?<br />
Passt. In Innsbruck auf der Fahrt in den<br />
Süden klingelt das Handy wieder, dieses<br />
Mal ist Silvan dran, der Fotos schießen<br />
möchte. Ein paar Stunden später stehen<br />
wir zu dritt vorm Il Gatto Nero, dem Pub<br />
schlechthin in Arco. Geschlossen?! Unser<br />
Projekt soll „Guru Bassi“ sein, eine 300 Meter<br />
lange 9+/10- im zentralen Wandteil<br />
des Colodri, also 8a, diese angeblich<br />
magische Grenze, von der alle Kletterer<br />
immer reden? Oha, denk ich mir …<br />
Erste plattige Schlüsselstelle<br />
in der 4. Seillänge (9)<br />
Akt 1: Dolce Vita, harte Züge und<br />
weite Flüge<br />
Tag 1 in der Wand: Gegen Mittag stapfen<br />
wir bepackt mit 80 Meter dynamischem<br />
Seil, 40 Meter Statikseil, über 50 Expressschlingen<br />
und Fotoequipment durch<br />
den Wald an den Wandfuß. Nach einigem<br />
Hin und Her zwischen all den unveröffentlichten<br />
Routen und Projekten<br />
finden wir uns am Einstieg wieder. Gleich<br />
die erste Seillänge mit 45 Meter stellt<br />
die Schlüssellänge dar, mit der Crux im<br />
oberen Drittel. Den ganzen Tag lang<br />
bouldern wir abwechselnd durch die<br />
Länge, Seilschaft um Seilschaft klettert<br />
links und rechts an uns vorbei, Versuch<br />
Tag 3 in der Wand: Jetzt hängt alles davon<br />
ab, ob wir eine Lösung für die erste<br />
Seillänge finden können. Gegen Ende<br />
des Tages lag der Schlüssel dann in einer<br />
Mischung aus einem ziemlich brachialen<br />
Sprung, konsequentem Festhalten<br />
kleiner Griffe und noch konsequenterem<br />
Im-Griff-Halten der Psyche. Mehrmals<br />
konnte ich die Sequenz mit Seil von<br />
oben klettern, aber am scharfen Ende<br />
des Seils die knapp fünf Meter lange<br />
Passage ohne einen einzigen Haken<br />
durchzuziehen, erforderte ein maximales<br />
Maß an Vertrauen und Konzentration.<br />
Nach diesem Tag war unsere Zeit in<br />
Arco schon wieder rum, doch mit dem<br />
Wissen, diese Route tatsächlich klettern<br />
zu können, behielt ich jeden einzelnen<br />
Zug im Gedächtnis, kletterte in Gedanken<br />
mindestens zweimal pro Tag diese<br />
Länge. Jeder erfolgreiche Durchstieg beginnt<br />
im Kopf und in der Visualisierung!<br />
Akt 2: Der Knoten ist geplatzt<br />
Ziemlich genau einen Monat später<br />
– mit immer noch jedem Zug im<br />
56 <strong>alpenblick</strong> 2 | <strong>2019</strong>