LEO Mai / Juni 2019
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MUSIK<br />
FOTOS: FIFOU<br />
ESC<br />
BILAL HASSANI:<br />
ZU QUEER FÜR SPIESSER<br />
Eigentlich ist alles ganz einfach:<br />
Bilal Hassani liebt Popmusik.<br />
Schon immer, „seit ich ein<br />
Baby bin“. Seitdem er denken kann,<br />
mag er Aufmerksamkeit, er mag<br />
es, im Zentrum zu stehen. Er kann<br />
gar nicht anders, als für andere zu<br />
performen. „Seitdem ich zwei bin,<br />
habe ich immer Shows abgezogen.<br />
Für meine Familie, für meine Freunde.<br />
Das war schon immer mein<br />
Leben.“ Und so hat es niemanden in<br />
seinem Umfeld gewundert, dass er<br />
bei der französischen Ausgabe von<br />
„The Voice Kids“ teilnahm, wo er es<br />
durch die Blind Auditions schaffte,<br />
indem er Conchita Wursts „Rise<br />
Like a Phoenix“ sang. Dass er jetzt<br />
selbst zum Eurovision Song Contest<br />
als Vertreter seines Landes reisen<br />
wird, ist eigentlich nur die logische<br />
Konsequenz.<br />
Doch natürlich ist es nicht wirklich so<br />
einfach, denn dass ein schwuler Mann, der<br />
Sohn einer ursprünglich marokkanischmuslimischen<br />
Familie, nun ganz Frankreich<br />
vertreten wird, bringt auch die zu<br />
erwartenden Reaktionen der Dummen mit<br />
sich. Der Hass kocht mal wieder über – und<br />
er kommt aus allen Richtungen. Zu queer<br />
für Spießer und Nationalisten und alle<br />
Dogmatiker. Gleichzeitig ist Bilal aber auch<br />
gerade deshalb Vorbild, viele sehen zu ihm<br />
auf. Das alles könnte ganz schön viel sein<br />
für einen gerade Neunzehnjährigen. Doch:<br />
„Ich würde eigentlich nicht sagen, dass<br />
es schwierig ist – eher verwirrend“, erklärt<br />
Bilal. Er klingt dabei sehr ruhig. „Manchmal<br />
bist du sehr glücklich, manchmal sehr<br />
traurig. Aber Liebe triumphiert immer über<br />
Hass. Ich kümmere mich nicht um das,<br />
was diese Menschen denken.“ Und wie<br />
ist es mit der Meinung seiner Fans? Allein<br />
auf Instagram beobachtet ihn eine halbe<br />
Million Menschen – und das werden in den<br />
kommenden Wochen sicher nicht weniger.<br />
„Ich bin ein Kind des Internets, der sozialen<br />
Medien. Für mich ist das alles einfach da,<br />
einfach ein Teil meines Lebens. Ich teile,<br />
worauf ich Lust habe, ich gehe damit sehr<br />
leichtherzig um. Ich lebe einfach – wenn<br />
ich mich wirklich darum kümmern würde,<br />
würde ich bestimmt irre werden.“<br />
Stattdessen hat er sich auf sein Debütalbum<br />
„Kingdom“ konzentriert. Natürlich<br />
wird sich darauf auch der ESC-Beitrag<br />
„Roi“ befinden, sein Lied über Selbstakzeptanz,<br />
darüber, wie man der König in seinem<br />
eigenen Reich wird. Doch das Album ist<br />
nicht um dieses Lied herum gebaut. „Es ist<br />
alles Popmusik, denn ich wollte unbedingt<br />
ein echtes Pop-Album machen – das<br />
war mir sehr wichtig. Kein Lied klingt wie<br />
das andere.“ Schon die neue Single „Fais<br />
Beleck“, ein Dance-Pop-Banger, beweist,<br />
dass ihm das gelungen ist. „Wir waren ein<br />
sehr kleines Team und alle haben mir geholfen.<br />
99 Prozent der Melodien sind von<br />
mir, bei den Texten ist es auch so.“ Bilal<br />
hat also nicht nur die Ausstrahlung und die<br />
Persönlichkeit eines Stars, bei ihm kommt<br />
auch noch das Talent dazu.<br />
Doch wenn es um den ESC geht, ist er vor<br />
allem noch immer Fan. Er kennt alle Lieder<br />
seiner Mitbewerber, auch wenn er keinen<br />
Favoriten hat. Aber das geht ihm immer so.<br />
„Jedes Jahr rufe ich für viele verschiedene<br />
Kandidaten an“, lacht er. „Ich bin so unentschlossen!<br />
Darüber findet sich übrigens<br />
ein Lied auf dem Album – ich kann mich<br />
einfach nicht entscheiden …“ Was aber<br />
nicht der Grund dafür ist, dass bisher jeder<br />
seiner Auftritte mit „Roi“ völlig anders aussah.<br />
„Ich liebe Veränderung! Ich kann nicht<br />
zweimal dasselbe tun, vielleicht wirklich,<br />
weil ich ein Kind der sozialen Medien bin.<br />
Alles ist schnell und alles ist Veränderung.“<br />
Deshalb wird sein Auftritt in Israel auch<br />
nichts mit dem beim Vorentscheid zu tun<br />
haben. „Ich werde alles verändern!“, erklärt<br />
er nachdrücklich, ohne preiszugeben, was<br />
er genau vorhat. Aber er geht mit der gleichen<br />
Einstellung an diesen einzigartigen<br />
Moment heran wie an seine Konzerte. „Ich<br />
will etwas abliefern, etwas Großes! Mein<br />
Ziel ist immer, dass die Leute alles andere<br />
vergessen, alles was draußen vor sich<br />
geht.“ Normalerweise ist das Haupt, das<br />
die Krone trägt, ja schwer. Doch König zu<br />
sein, ist manchmal eben nur eine Frage der<br />
Einstellung. Und dann ist alles auf einmal<br />
doch ganz leicht – und einfach. *fis