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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 117 · M ittwoch, 22. Mai 2019 – S eite 20 *<br />
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Sport<br />
Zaunkönig: Michael Parensen<br />
MATTHIAS KOCH<br />
Schnell im Kopf<br />
Abwehrchef Florian Hübner ist gelbgesperrt, daher wird wohl der ewige Michael Parensen den 1. FC Union in die Relegation gegen Stuttgart führen<br />
VonMax Ohlert<br />
Als Urs Fischer sich nach<br />
dem verpassten direkten<br />
Aufstieg in Bochum und<br />
vor dem ersten Entscheidungsspiel<br />
gegen den VfB Stuttgart<br />
an diesem Donnerstag zum ersten<br />
und einzigen Malandie Journalisten<br />
wandte, musste er über seine Wortwahl<br />
selbst ein bisschen schmunzeln.<br />
„Da, wo wir eigentlich nicht<br />
hinwollten, sind wir jetzt“, sagte der<br />
Schweizer Trainer des 1. FC Union<br />
und präzisierte für die beachtliche<br />
Zahl von Zuhörern noch einmal: „In<br />
der Relegation.“<br />
Mutig müsse man in die Spiele<br />
gegen den Bundesligisten gehen, betonte<br />
der 53-Jährige, erwolle seine<br />
Mannschaft nach vorne spielen lassen.<br />
Doch während der Mutinsolch<br />
brisanten Partien wohl unabdingbar<br />
ist, klang das Nach-vorne-spielenlassen<br />
nicht unbedingt nach Urs Fischer.<br />
Denn für gewöhnlich lässt er<br />
seine Eisernen aus einer sicheren<br />
Defensive heraus eher kontrolliert<br />
agieren. Wenig aufbrausend, aber<br />
sehr diszipliniert.<br />
Dass der Schweizer nun jedoch<br />
den Blick sprichwörtlich nach vorne<br />
richtet, hängt womöglich auch mit<br />
der Personalie Florian Hübner zusammen.<br />
Hübner ist nach seiner<br />
zehnten Gelben Karte indieser Saison<br />
ausgerechnet im Relegationshinspiel<br />
in Stuttgart gesperrt und<br />
reißt als Abwehrchef der Köpenicker<br />
eine Lücke in die sonst so bombenfeste<br />
beste Verteidigung der vergangenen<br />
Zweitligasaison. Unddas wirft<br />
die spannende Frage auf, wer den<br />
28-Jährigen, der mit Hannover 96<br />
schon im Oberhaus spielte, inStuttgartersetzen<br />
könnte.<br />
Dabei ist weniger der Kreis der<br />
Kandidaten und viel mehr die<br />
schlussendliche Entscheidung Fischers<br />
das eigentliche Mysterium.<br />
Denn klar ist: Es läuft auf Routinier<br />
Michael Parensen oder Winterzugang<br />
Nicolai Rapp hinaus. Denn<br />
Marc Torrejón hat in der laufenden<br />
Saison kein einziges Ligaspiel absolviertund<br />
Fabian Schönheim, auf den<br />
diese Statistik ebenso zutrifft, ist verletzt.<br />
Auf die beiden verbleibenden<br />
Kandidaten angesprochen, ließ sich<br />
Fischer selbstverständlich nicht in<br />
die Karten schauen. „Parensen,<br />
Rapp, ja, sie wären beide eine Option“,<br />
erklärte er,wollte sich aber wie<br />
gewohnt nicht frühzeitig festlegen.<br />
Für Michael Parensen wäre ein<br />
Einsatz im zweiteiligen Saisonfinale<br />
natürlich eine riesige Geschichte.Im<br />
Januar 2009 wechselte der 32-Jährige<br />
aus Köln ans Stadion An der Alten<br />
Försterei, trotzte zahlreichen Verletzungen<br />
und Konkurrenzkämpfen<br />
und könnte nun, zehn Jahre später,<br />
in seinem womöglich letzten Jahr bei<br />
„Micha war immer da, vorallem in den Zeiten,<br />
in denen es bei Union schlecht lief.<br />
Er ist ein absolutes Vorbild<br />
für die jüngeren Spieler.“<br />
Sebastian Polter hat großen Respekt vor den Verdiensten von Michael Parensen,<br />
ein bisschen Bewunderung ist auch dabei.<br />
den Eisernen –sein Vertrag läuft aus<br />
–umden Aufstieg mitspielen.<br />
Parensens Vorteil gegenüber dem<br />
zehn Jahre jüngeren Rapp ist natürlich<br />
seine Erfahrung, die gerade in einem<br />
Nervenspiel wie in Stuttgartvon<br />
ungemeinem Wert sein kann. Schon<br />
im Januar betonte Mitspieler Sebastian<br />
Polter mit großer Bewunderung:<br />
„Micha war immer da, vor allem in<br />
den Zeiten, in denen es bei Union<br />
schlecht lief. Er ist ein absolutes Vorbild<br />
für die jüngeren Spieler.“<br />
Auch, weil der Routinier in jedem<br />
Training noch immer Vollgas gibt.<br />
Das imponiert auch Trainer Fischer,<br />
der im Saisonverlauf mehrfach betonte,dass<br />
Parensen zu jeder Zeit bereit<br />
sei, vonBeginn an zu spielen.<br />
Allerdings kennen die Fähigkeiten<br />
des ewigen Unioners mittlerweile<br />
auch Grenzen. Im schweren<br />
Spiel gegen Darmstadt wurde das etwas<br />
undynamische Abwehrduo<br />
Friedrich und Parensen mehrfach<br />
überrannt. Und auch wenn Unions<br />
Trainer das nicht unbedingt als Argument<br />
gelten lassen wollte („Es gibt<br />
nicht nur körperliche, sondern auch<br />
geistige Schnelligkeit: Antizipation“),<br />
wäre ein Geschwindigkeitsdefizit<br />
gegen die pfeilschnellen<br />
Stuttgarter Außenstürmer und den<br />
quirligen Spielmacher Daniel Didavi<br />
eher suboptimal.<br />
Das wiederum spräche für einen<br />
Einsatz von Nicolai Rapp. Der 22-<br />
Jährige absolvierte im Februar ein<br />
brillantes Spiel gegen den SV Sandhausen,<br />
kassierte allerdings im April<br />
beim schwachen 1:1 in Fürth eine<br />
Rote Karteund fiel gesperrtzweiPartien<br />
aus. Gegen Magdeburg und Bochum<br />
nominierte ihn Fischer gar<br />
nicht erst in den Spieltagskader. Bekommt<br />
der Heidelberger nun eine<br />
überraschende Chance in den Relegationsspielen?<br />
Die Wichtigkeit seiner Entscheidung<br />
ist UrsFischer jedenfalls absolut<br />
bewusst. „Wenn du schon im<br />
Hinspiel fünf oder sechs zu null verlierst,<br />
wird esschwer, im Rückspiel<br />
noch mal zurückzukommen“, fachsimpelte<br />
er am Dienstag. Und<br />
musste erneut beinahe wieder etwas<br />
schmunzeln.<br />
Max Ohlert<br />
ist gespannt, wie Union<br />
defensiv auflaufen wird.<br />
Das Finale wird zur Farce<br />
Dass Arsenals Armenier Henrich Mchitarjan aus politischen Gründen das Europa-League-Endspiel in Baku verpasst, beweist, wie ungeeignet Aserbaidschan als Austragungsort ist<br />
VonHendrik Buchheister,Manchester<br />
Esist zwei Jahreher,dass Henrich<br />
Mchitarjan zum ersten Malineinem<br />
Finale der Europa League mitwirkte.Am24.<br />
Mai2017 trat der einstige<br />
Profi von Borussia Dortmund<br />
mit Manchester United in Stockholm<br />
gegen Ajax Amsterdam im<br />
Endspiel des kleinen Bruders der<br />
Champions League an. Beider Partie<br />
spielte er eine entscheidende Rolle.<br />
Kurz nach der Pause traf er per Fallrückzieher<br />
aus kurzer Distanz zum<br />
2:0-Endstand.<br />
In diesem Jahr wird Mchitarjan<br />
um die Chance gebracht, erneut an<br />
der Veranstaltung teilzunehmen.<br />
Sein aktueller Verein, der FC Arsenal,<br />
hat bekanntgegeben, dass der Profi<br />
beim Endspiel der Europa League<br />
gegen den Londoner Rivalen FC<br />
Chelsea kommende Woche in Aserbaidschans<br />
Hauptstadt Baku nicht<br />
dabei sein wird. Ursache dafür sind<br />
Sicherheitsbedenken, denn zwischen<br />
den benachbarten Ländern<br />
Aserbaidschan und Mchitarjans Heimat<br />
Armenien tobt ein Konflikt um<br />
die Grenzregion Berg-Karabach.<br />
Schon im Oktober 2015 war<br />
Mchitarjan bei Dortmunds Partie in<br />
der Europa League bei FK Qäbälä zu<br />
Hause geblieben. In dieser Saison<br />
verzichtete Arsenal in der Gruppenphase<br />
bei Qarabag Agdam auf den<br />
heute 30-Jährigen. Doch es ist etwas<br />
anderes, einen Termin in der Vorrunde<br />
vor dem Fernseher verfolgen<br />
zu müssen –oder das Finale. Entsprechend<br />
deprimiert ist Mchitarjan.<br />
„Es ist eines dieser Spiele, das<br />
man als Spieler nicht oft erlebt. Es zu<br />
verpassen, tut mir sehr weh“, schrieb<br />
er bei Twitter.„Wir sind sehr traurig,<br />
dass ein Spieler ein europäisches Finale<br />
unter diesen Umständen verpasst“,<br />
ließ Arsenal verlauten.<br />
Mchitarjans Rücktritt von der<br />
Reise nach Baku zeigt wieder, dass<br />
sich Sport und Politik nicht trennen<br />
lassen, und er macht das Endspiel in<br />
Verbringt das Finale vor dem Fernseher:Henrich Mchitarjan<br />
Aserbaidschans Hauptstadt endgültig<br />
zur Farce. Baku liegt am östlichen<br />
Rand Europas, 4500 Kilometer von<br />
London entfernt, und ist für Fans<br />
kaum zu erreichen. In den Tagen um<br />
das Finale gibt es aus der britischen<br />
Hauptstadt keinen Direktflug. Der<br />
IMAGO IMAGES<br />
FC Arsenal hat die Wahl des Spielorts<br />
schon vor einer Woche kritisiert.<br />
„Was in dieser Saison passiert ist, ist<br />
nicht akzeptabel und darf sich nicht<br />
wiederholen“, schrieb der Klub.<br />
Auch Jürgen Klopp, der mit dem<br />
FC Liverpool drei Tage später in Ma-<br />
drid im Champions-League-Endspiel<br />
gegen Tottenham Hotspur antritt,<br />
schaltete sich ein. Er nannte<br />
Baku als Spielort „unverantwortlich“.<br />
Dass in Aserbaidschan zwei<br />
Teams aus der gleichen Stadt aufeinandertreffen,<br />
lässt die Wahl besonders<br />
absurderscheinen. Doch für die<br />
Fans der beiden Halbfinalverlierer<br />
FC Valencia und Eintracht Frankfurt<br />
wäre Baku kaum leichter zu erreichen<br />
gewesen.<br />
Krieg gegen Kritiker<br />
Wieesaussieht, haben die Anhänger<br />
keine Rolle gespielt, als die Uefa über<br />
den Finalort entschieden hat. Obwohl<br />
das Olympiastadion in Baku<br />
fast 70 000 Zuschauern Platz bietet,<br />
wurden den Endspielteilnehmern<br />
nur jeweils 6000 Karten zugeteilt. Als<br />
Grund nannte die Uefa, dass der<br />
Flughafen von Baku mit mehr Besuchern<br />
aus dem Ausland nicht fertig<br />
werden würde. Warum der Verband<br />
die Stadt trotzdem für einen geeigneten<br />
Spielort für ein europäisches<br />
Finale hält, ist rätselhaft.<br />
Auch das politische Klima in Aserbaidschan<br />
lässt die Wahl der Uefa<br />
fragwürdig erscheinen. In der Weltrangliste<br />
zur Pressefreiheit von Reporter<br />
ohne Grenzen liegt das Land<br />
auf Platz 166 (von 180). Derseit 2003<br />
amtierende Präsident Ilham Alijew<br />
führeeinen „gnadenlosen Krieg“ gegen<br />
seine Kritiker in den Medien. Sie<br />
würden erpresst, bedroht oder „unter<br />
absurden Begründungen inhaftiert“.<br />
Die Organisation Human<br />
Rights Watch stellt Aserbaidschan<br />
eine „beängstigende Bilanz in Menschenrechtsfragen“<br />
aus.<br />
Trotzdem werden in dem Land<br />
zunehmend sportliche Großveranstaltungen<br />
ausgetragen. Seit 2017<br />
hat Baku einen Platz im Rennkalender<br />
der Formel 1. Nach dem Finale<br />
der Europa League ist das nächste<br />
Fußball-Event mit Strahlkraft absehbar.Baku<br />
gehört2020 zu den Spielorten<br />
der Europameisterschaft.