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rik August/September 2019

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MUSIK<br />

NACHGEFRAGT<br />

MARK<br />

RONSON:<br />

Das traurigste Album<br />

der Welt?<br />

Als Mark sein neues Album<br />

„Late Night Feelings“ schrieb,<br />

ging es ihm beschissen. Ein starkes<br />

Stück ungewohnt moderner Popmusik<br />

ist ihm trotzdem gelungen.<br />

Er guckt aber auch schon so traurig. Wie<br />

ein herrenloses, vom Leben gebeuteltes<br />

Hündchen sitzt Mark Ronson auf einem<br />

Sofa des, wenn man mal genauer hinguckt,<br />

ganz schön abgewohnten Hotels Adlon<br />

und lässt die Augen, ja das ganze Gesicht,<br />

ja eigentlich die gesamte Person so ein<br />

bisschen herunterhängen. Körperspannung<br />

geht anders. Vielleicht ist er auch nur müde<br />

vom langen Flug, von der Modenschau in<br />

Mailand, der er zuvor beiwohnte, von diesem<br />

anstrengenden DJ/Produzenten/Jetsetter-<br />

Leben als solchem, jedenfalls: Wenn man<br />

Mark Ronson, diesem mit 43 Jahren immer<br />

noch schönen, vollschwarzhaarigen und im<br />

Gesicht filigran geschnittenen Mann eines<br />

abnimmt, dann ein Album voll mit traurigen,<br />

tieftraurigen und todtraurigen Liebeskummerliedern,<br />

von dem er behauptet, es<br />

sei sein bisher persönlichstes und bestes.<br />

Ein Album also wie „Late Night Feelings“.<br />

„Ich hoffe, es zieht dich nicht zu sehr<br />

runter“, sagt Ronson und macht einen Laut,<br />

den man als selbstsarkastisches, kurzes<br />

Auflachen beschreiben könnte. Grund für<br />

Mark Ronsons Schaumbad in der Melancholie<br />

ist vor allem seine Scheidung von<br />

der Französin Josephine de La Baume,<br />

Schauspielerin und Model von Beruf, nach<br />

sechs Jahren Ehe. „Ich habe das nicht<br />

richtig kommen sehen“, blickt Mark auf die<br />

Trennung Anfang 2017 zurück, […] für die er<br />

übrigens die Hauptverantwortung (zu viel an<br />

die Arbeit gedacht, zu sehr die Zweisamkeit<br />

vernachlässigt, man kennt das) übernimmt.<br />

„Eigentlich arbeitete ich an einem ganz<br />

anderen Album, aber als sich unsere Ehe<br />

aufgelöst hatte, kamen nur noch diese traurigen,<br />

desillusionierten Songs dabei heraus,<br />

sobald ich mich ans Klavier setzte oder die<br />

Gitarre nahm.“ Nicht, dass die Musik selbst<br />

einen niederschlägt. „Late Night Feelings“ ist<br />

bei Weitem nicht frei von Upbeat-Stücken,<br />

man kann absolut dazu tanzen. Auch sind<br />

die neuen Songs die modernsten, will sagen:<br />

un-retrohaftesten, die Ronson wohl je<br />

aufgenommen hat, was auch an seiner Kollaboration<br />

mit Diplo – gemeinsam nennen<br />

sie sich Silk City – zusammenhängt. „Ich<br />

wollte mich einem zeitgemäßeren Sound<br />

nicht verschließen. Meine Musik ist halt<br />

beeinflusst von den 23 Jahren, die ich schon<br />

in Nachtklubs auflege“, so der in London<br />

geborene, in New York in jeder Hinsicht groß<br />

gewordene und seit drei Jahren wegen der<br />

Arbeit (mit Bruno Mars oder den Queens Of<br />

The Stone Age) in Los Angeles lebende und<br />

sich mit „Grünkohl uund gesunden Säften“<br />

allmählich anfreundende Ronson.<br />

Aber die Texte wie der von „Spinning“, der<br />

von „Don’t Leave Me Lonely“ oder auch<br />

jener der vorab schon erfolgreichen Single<br />

„Nothing Breaks Like A Heart“, gesungen<br />

von Miley Cyrus, offenbaren tiefe Verzweiflung,<br />

Einsamkeit und Unsicherheit. Dabei<br />

ist es nicht Marks Stimme, die man hört,<br />

sondern unter anderem jene von Yebba,<br />

Lykke Li oder Alicia Keys. „Ich habe mir Sängerinnen<br />

ausgesucht, die meine Emotionen<br />

verstehen und umsetzen konnten“, sagt er.<br />

Die erschöpften Augen wandern ein wenig<br />

umher, ohne irgendwo, auch nicht im<br />

Gesicht des Gesprächspartners, wirklich<br />

Halt zu finden. Nun erzählt Mark Ronson<br />

ausführlich, wie sehr er sich immer über<br />

alles sorge und nie richtig glücklich sei,<br />

zumindest nicht dauerhaft. Nach dem<br />

Monstererfolg mit „Uptown Funk“ mit Bruno<br />

Mars? Dem Grammy für „Shallow“? „Habe<br />

ich vielleicht mal eine Nacht Champagner<br />

getrunken und gefeiert. Am nächsten Tag<br />

war die Realität wieder da.“ Vielleicht sei<br />

seine Musik deshalb so gut, weil er immer<br />

so viel hadere und grüble, dennoch hat<br />

sich Mark seit einiger Zeit einem Hobby<br />

zur Lebenslagenaufhellung verschrieben.<br />

Eigentlich zwei. Er meditiert fast jeden Morgen<br />

für mindestens zwanzig Minuten. „Und<br />

ich habe zwei mittelgroße und wirklich von<br />

Natur aus komische Hunde adoptiert.“ Auch<br />

eine Freundin hat er wieder, und wer weiß,<br />

vielleicht ist auf dem nächsten Album das<br />

Discokugelherz ja nicht mehr zerbrochen,<br />

sondern wieder verheilt. „Ich habe keine<br />

Ahnung“, sagt Mark Ronson, „aber mir gefällt<br />

der Gedanke.“ *Steffen Rüth

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