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POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Stefan<br />
Winter<br />
Der Dieselskandal<br />
der Geldbranche<br />
Die Cum-Ex-Geschäfte<br />
umgibtein Mythos. Nur<br />
Experten verstehen wirklich,was<br />
Bankerund Juristen<br />
da ausgeknobelt haben.<br />
Leerverkäufe, Dividendenrechte<br />
–daist der Laie<br />
schnellraus. Doch niemand<br />
sollte sich abschreckenlassen,<br />
dennimKernist es einfach:Spezialistenhaben<br />
mit<br />
hohem AufwandGeschäfte<br />
konstruiert, um dem Staat –<br />
also denSteuerzahlern–<br />
Geldaus der Taschezuziehen.<br />
Sie brachen Grundregelndes<br />
Steuerrechts, ohne gegen<br />
seineBuchstaben zu verstoßen<br />
–bescheinigen hoch bezahlte<br />
Gutachter. Vielesdaran<br />
erinnert an denDieselskandal,<br />
wo Autobauer die<br />
Buchstabenvon Abgasrichtlinienerfüllten<br />
unddoch<br />
haarsträubend gegen ihren<br />
Inhalt verstießen. Undaufgedecktwurde<br />
es in beiden<br />
Fällen nicht von deutschen<br />
Aufsichtsbehörden. Wachere<br />
Aufseher mit mehr Distanz<br />
zu Lobbygruppen sind<br />
die eineLehre. Dieandere<br />
betrifft jedenselbst: Lassen<br />
wir unsnicht so schnell abschrecken<br />
von angeblich<br />
hochkompliziertenZusammenhängen.Jenäher<br />
man<br />
hinsieht, desto einfacher<br />
kanneswerden.<br />
FRAU DESTAGES<br />
Theresa May<br />
Einen Monat nach ihrem<br />
Rücktritt als Premierministerin<br />
wirkt Theresa May (62)<br />
geradezu tiefenentspannt:<br />
Die Machtspiele<br />
ihres<br />
Nachfolgers<br />
Boris Johnson<br />
im<br />
Unterhaus<br />
verfolgte sie<br />
von ihrem<br />
Platz in den<br />
Reihen der<br />
Konservativen<br />
aus teils<br />
amüsiert, teils abgeschreckt.<br />
Während Johnsons erster<br />
Rede am Mittwoch blieb ihr<br />
Platz allerdings leer –sie verfolgte<br />
im TV ein Cricketspiel.<br />
Dem Aufstand gegen Johnson<br />
schloss sie sich nicht an.<br />
Foto: Aaron Chown/PAWire/dpa<br />
Brexit-Boris steuert<br />
Briten in dieSackgasse<br />
London – Ein brutaler Macht-<br />
De-<br />
kampf, wie ihn dieälteste<br />
mokratie der Welt noch nicht<br />
erlebt hat: Das Brexit-Drama<br />
steuert am Mittwochabend<br />
auf einen neuenn Höhepunkt<br />
zu. Der britische<br />
Premier<br />
und EU-Gegner Boris Johnin<br />
eine Sack-<br />
son scheint sich<br />
gasse manövriert<br />
zu haben –<br />
doch noch ist er nicht ge-<br />
scheitert.<br />
Gleich seine erstee Abstim-<br />
mung im britischenUnter-<br />
haus war eine schallende<br />
Ohrfeige für Brexit-Bo-<br />
ris. Die Abgeordneten<br />
setzten Dienstagnacht<br />
eine alternative Ta-<br />
gesordnung für den<br />
kommenden Tag<br />
durch. Gestern<br />
Abend dann die<br />
herbe Schlappe<br />
für Johnson: Das<br />
Unterhaus<br />
stimmte für ein<br />
Gesetz gegen<br />
einen ungeregelten<br />
EU-Austritt am<br />
31. Oktober. Auch 21<br />
Abgeordnete aus<br />
Johnsons Tory-Par-<br />
tei stellten sich<br />
gegen ihren Partei-<br />
chef – darunter insge-<br />
samt zehn ehemalige Minister.<br />
Schon am Dienstagabend<br />
hatte der Premier versucht,<br />
hart durchzugreifen: Die ab-<br />
trünnigen Abgeordneten<br />
er-<br />
hielten eine SMS, in der ihnen<br />
mitgeteilt wurde, dass sie aus<br />
der konservativen<br />
Fraktion<br />
ausgeschlossen werden. Ihre<br />
politische Karrierewäre damit<br />
bei den Torys im Fall von Neu-<br />
Ab-<br />
wahlen vorbei. Betroffene<br />
geordnete werfen<br />
Johnson<br />
„Säuberungen“ vor.<br />
Johnson<br />
selbst hatte mehrfach gegen<br />
seine Vorgängerin<br />
Theresa<br />
May gestimmt.<br />
Neuwahlen sindwomöglich<br />
das Einzige, was Johnson das<br />
Schicksal ersparenwürde, als<br />
der am kürzesten<br />
amtierende<br />
Premierminister in die Ge-<br />
ein-<br />
schichte Großbritanniens<br />
zugehen. Der 55-Jährige will<br />
Foto: RND-Montage, Leon Neal/Getty Images<br />
nun Neuwahlen anstreben. Am<br />
Mittwochvormittag sprach er<br />
bereits vom 15. Oktober als<br />
möglichen Termin –ein Dienstag,<br />
obwohl eigentlich immer<br />
am Donnerstag gewählt wird.<br />
Am Mittwochabend stellte er<br />
dann im Unterhaus einen entsprechenden<br />
Antrag. Politische<br />
Beobachter vermuten, Johnson<br />
hatte es von Beginn an nur auf<br />
Neuwahlen abgesehen. Und<br />
wieder gab es für Johnson eine<br />
Schlappe: Gegen 22.35 Uhr fiel<br />
sein Antrag durch.<br />
Doch so einfach ist die Sache<br />
nicht. Denn für Neuwahlen<br />
braucht Johnson eine<br />
Zweidrittelmehrheit im<br />
Unterhaus. Seine Regierungsmehrheit<br />
von einer<br />
Stimme hatte Johnson<br />
bereits am Dienstag verloren:<br />
Während der Debatte<br />
war der Tory-Abgeordnete<br />
Phillip Lee<br />
zur Opposition, den<br />
proeuropäischen Liberaldemokraten,<br />
übergelaufen.<br />
Oppositionsführer<br />
Jeremy Corbyn (Labour),<br />
der in der Brexit-Frage<br />
selbst<br />
schwankt, will Neuwahlen<br />
aber nicht zustimmen<br />
–jedenfalls<br />
nicht, bevor das Gesetz,<br />
das einen No-<br />
Deal-Brexit verhindern<br />
soll, in trockenen<br />
Tüchern ist. Die<br />
Mehrheit im Unterhaus<br />
ist gefunden, jetzt muss ihm<br />
aber noch das Oberhaus zustimmen.<br />
Dafür bliebe aber nur<br />
wenig Zeit, denn die beiden<br />
Kammern werden am Montag<br />
auf Johnsons Betreiben hin erst<br />
einmal in den Zwangsurlaub<br />
geschickt. Außerdem fürchtet<br />
die Opposition, Johnson könnte<br />
nach einer Auflösung des<br />
Parlaments die Neuwahlen verschieben<br />
–auf einenZeitpunkt<br />
nach dem 31. Oktober. Das ist<br />
das Recht des Premiers. So hätte<br />
er das Parlament doch noch<br />
ausmanövriert. Ob diese Pattsituation<br />
aufgelöst wird –zum<br />
Redaktionsschluss war das<br />
noch nicht abzusehen.<br />
Hat sich mit seiner „Kopf durch die<br />
Wand“-Strategie in eine Sackgasse<br />
manövriert: Der britische<br />
Premierminister Boris Johnson.