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Urlaubsmagazin Weinland Pfalz "Ursprung"

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zu können. Eben Wein oder gar Essig. Und<br />

nun ist es gesellschaftlich hochakzeptiert,<br />

Wein als Genussmittel hochleben zu lassen,<br />

ihn zu beschreiben, eine Meinung<br />

dazu zu haben. Ein Schritt, der erst schleichend<br />

kam und dann eine unglaubliche<br />

Eigendynamik entwickelte. Winzer, die<br />

in der <strong>Pfalz</strong> in vorderster Linie eigentlich<br />

immer erst Bauern waren mit Feldern,<br />

Vieh und eben auch ein paar Wingerten,<br />

entschieden sich plötzlich in den 1960er<br />

Jahren und danach dazu, sich ganz auf<br />

Weinbau zu fokussieren. Und damit kamen<br />

neue oder bislang eher stiefmütterlich<br />

nebenher laufende Sorten zu größerer<br />

Geltung. Es war die große Zeit des Müller-<br />

Thurgau, aber auch Scheurebe, Morio-<br />

Muskat und Kerner. Ja, Aroma- und Bukettsorten<br />

waren gefragt. Viel Geschmack,<br />

reichlich Restzucker, dicker Schädel am<br />

nächsten Tag. Letzteres schob man zwar<br />

immer auf „zu viel Schwefel“, in Wahrheit<br />

aber war es noch eine alte, lange nicht so<br />

wie heute super saubere Kellertechnik in<br />

Verbindung mit der Doppelspitze Alkohol<br />

und Süße.<br />

Auch der Riesling setzte jetzt unweigerlich<br />

zu einem Höhenflug an. Obwohl<br />

Die Herausforderung<br />

Stolzes Alter<br />

Der älteste Weinberg<br />

der Welt liegt in Rhodt<br />

mit einer 400 Jahre alten<br />

Bestockung aus<br />

Gewürztraminer-Reben<br />

Pilze, insbesondere der echte und der falsche<br />

Mehltau, sind die eigentliche Gefahr. Sie fühlen<br />

sich besonders wohl in der Kombination von<br />

Wärme und Feuchtigkeit.<br />

die Gesamtanbaufläche erweitert wurde,<br />

legte er mächtig zu und erreichte ab den<br />

späten 1980ern seinen Spitzenwert von 25<br />

Prozent Anteil. Das hat sich bis heute fast<br />

so gehalten, womit die <strong>Pfalz</strong> das größte<br />

zusammenhängende Rieslinganbaugebiet<br />

der Welt darstellt.<br />

Doch wie kam der Wandel zustande?<br />

War es nicht gerade der Riesling, der früher<br />

nie richtig ausreifte und deshalb gerne<br />

mit Gewürztraminer vermischt wurde,<br />

um die Säuernis zu übertünchen? Der<br />

wichtigste Faktor der Weiterentwicklung<br />

war sicherlich die verbesserte Berufsausbildung.<br />

Man lernte nicht mehr zu Hause<br />

beim Vater, Opa oder Onkel und machte<br />

auf der Schule seinen Küfermeister –<br />

nun ging es auf Weingüter mit Ruf! Eine<br />

Keimzelle der Qualitätsausbildung war<br />

Müller-Catoir auf der Haardt, wo ab 1971<br />

bis 2002 der Kellermeister Hans-Günther<br />

Schwarz etwa fünfzig junge Frauen und<br />

Männer unter seine Fittiche nahm. Und<br />

ihnen seine Liebe zum Rieslaner mitgab,<br />

einer Kreuzung aus Riesling × Silvaner;<br />

noch heute kultivieren nicht wenige der<br />

ehemaligen Schwarz-Schüler diese selten<br />

gewordene Rebsorte in ihren eigenen<br />

Betrieben. Nach der eigentlichen Ausbildung<br />

folgten die Fortbildung zum Weinbautechniker<br />

oder das Oenologiestudium<br />

in Geisenheim. Mit all diesem Wissen und<br />

der Kenntnis um die praktische Umsetzung<br />

im Rücken, drehte man gewaltig an<br />

der Modernisierung von An- und Ausbau.<br />

Und man orientierte sich international.<br />

Reiste nach Kalifornien, Chile, Südafrika<br />

oder Neuseeland und stieß in völlig<br />

neue Geschmackswelten vor. Machte<br />

Bekanntschaft mit wieder neuen Sorten.<br />

So mancher Winzer schleuste als „Dekopflanzen<br />

für die Weinstube“ deklarierte<br />

Chardonnay-Rebstöcke aus dem Ausland<br />

ein und vermehrte sie heimlich. Das mag<br />

interessant gewesen sein, konnte aber<br />

auch gefährlich enden. Ein Winzer aus<br />

Ellerstadt pflanzte in der Hoffnung auf baldige<br />

Zulassung 1984 Cabernet Sauvignon<br />

an. 1986 wurde er deswegen angezeigt – ein<br />

Jahr später endete der Prozess in zweiter<br />

Instanz gegen Zahlung einer Geldstrafe.<br />

Und mit der im Eilverfahren beschlossenen<br />

Zulassung dieser Rebsorte. 1991 erfolgte<br />

das für Chardonnay, 1997 für Merlot.<br />

Die Rebsorten der <strong>Pfalz</strong><br />

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