10.11.2019 Aufrufe

Festschrift - 50 Jahre Sinfonieorchester am EBG

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Lieber Robert, wenn ich über das Orchester nachdenke,<br />

fallen mir so viele Dinge ein, da weiß ich gar nicht, wo anfangen!<br />

18<br />

Am besten <strong>am</strong> Anfang: Ich bin 1978 mit 14<br />

<strong>Jahre</strong>n ins Orchester gekommen, ans letzte<br />

Pult der zweiten Geigen, und wurde von<br />

Christine Hass begrüßt: „In diesem Orchester<br />

kommt es nicht so darauf an, wie gut man<br />

spielt, sondern darauf, wie man so ist!“ Das<br />

hat mich die ersten <strong>Jahre</strong> zuversichtlich gestimmt.<br />

Erstes Highlight für mich: die Herbstbälle,<br />

beginnend mit Bastian und Bastienne, der<br />

Musikmeister. Über <strong>Jahre</strong> konnte ich mir<br />

für die Herbstferien nichts anderes vorstellen,<br />

als mit Inga Jaekel, Dixie, Jens-Uwe Müller<br />

und vielen anderen Kulissen zu bauen,<br />

mit Köhne zum Frühlingsrollen-Testessen<br />

zu fahren, zu planen, zu schmücken, Vorfreude<br />

zu haben, und dann die tollen Bälle!<br />

Mein schönstes Thema war Italien, als wir<br />

die Eltern mit der Gondel vom Eingang zur<br />

Aula gefahren haben. Die Tanzmusik fand<br />

ich auch immer super, da denke ich jedes Mal<br />

daran, wenn ich Hans Joachim Horns treffe.<br />

Die Orchesterreisen: Meine erste war 1979<br />

nach Venedig-Florenz-Rom-Mailand. Dort<br />

spielten wir Bach 3. Suite, Pachelbel Kanon,<br />

3. Brandenburgisches und Albinoni Adagio.<br />

Wir haben in San Marco gespielt, während<br />

des Konzertes k<strong>am</strong> Aqua Alta und dann<br />

haben uns Mönche mit Fackeln durch das<br />

Hochwasser zurück zu unserem Hotel geleitet.<br />

Es war eine sehr romantische Reise, auch<br />

wenn wir z. T. nicht viel Publikum hatten.<br />

Erste Schwedenreise: Am 1. April spielten<br />

wir ein Konzert mit Unvollendeter, du gabst<br />

den Celli den Einsatz, man spielte, du drehtest<br />

dich für den Geigeneinsatz zu uns und…<br />

die Celli spielten „Hänschen Klein“ im Konzert.<br />

Das Publikum hat gelacht über unsere<br />

Streiche.<br />

Eine große Reise nach Finnland, Russland<br />

usw. Da habe ich in St. Petersburg, das d<strong>am</strong>als<br />

noch Leningrad hieß, Uli Dehn (heute Direktor<br />

der Ostseeschule) im Verlies der Peter<br />

und Pauls Festung eingesperrt. Wir hörten<br />

dort den Bolero im Konzert, spielten in Moskau<br />

unter einem Riesenbild von Leonid Breschnew<br />

und wunderten uns, wie viele Leute<br />

Deutsch konnten. Wir tauschten Jeans und<br />

Turnschuhe gegen S<strong>am</strong>oware. Musik war unter<br />

anderem Tchaikowskis Ouvertüre 1812.<br />

Eine Reise nach Bonn zur Verabschiedung<br />

von Henning Schwarz mit Debussy auf<br />

dem Godesberg. Anschließend nahmen wir<br />

Herrn Schwarz im Bus mit zurück. Herr<br />

Barschel war gestorben, aus dem Ruhestand<br />

wurde nichts, er musste als Ministerpräsident<br />

einspringen.<br />

Die Spanienreisen: ganz viel tolle Musik, begeistertes<br />

Publikum, witziges Beiprogr<strong>am</strong>m:<br />

Besichtigung einer Schuhfabrik: Christine<br />

kaufte fünf Paare! Ein Konzertmanager, der darüber<br />

spekulierte, wie gut wir spielen könnten,<br />

wenn wir weniger Wein trinken würden. Sehr<br />

tolerante Hotels: die Schlagzeuger spielten bis<br />

tief in die Nacht auf den Kongas und Bongos.<br />

In einem Hotelzimmer wurden um 2 Uhr in<br />

der Nacht die Cellosuiten von Bach aufgeführt.<br />

Alles tolle Reisen!<br />

Die Musik: Du hast im Laufe der <strong>Jahre</strong> fast<br />

alle unserer Wünsche erfüllt: Wir haben<br />

den Bolero gespielt, den Feuervogel, Scheherazade,<br />

viel Wagner, Berlioz Sinfonie<br />

fantastique, Bruckner-Sinfonien, Mahler,<br />

Tchaikowsky, Strauss, einfach alles, was<br />

man mal gespielt, mal erlebt haben sollte.<br />

Dazu unzählige Solokonzerte, in denen wir<br />

lernten, wirklich auf den Solisten zu hören!<br />

Einmal sind wir fast gescheitert: Ginastera<br />

Harfenkonzert, da haben wir völlig den Faden<br />

verloren, nur unser Pauker, Herbert von<br />

Reibnitz, wusste noch, wo wir waren und hat<br />

uns durch einen beherzten Schlag wieder auf<br />

den rechten Weg geführt.<br />

Abschließen möchte ich mit unserem<br />

„Orchester-Vater-unser“ von der ersten Reise:<br />

„Dirigent unser, der du bist unser König, geheiligt<br />

werde dein Taktstock! Dein Diätbier komme,<br />

dein Wille geschehe, wie auf der Bühne, so auch<br />

im Orchestergraben. Unsere täglichen Übungen<br />

gib uns heute und vergib uns unsere falschen<br />

Töne, wie auch wir vergeben Dir Deinen Gesang!<br />

Führe uns nicht in kalte Kirchen, sondern erlöse<br />

uns von der Konzertkleidung, denn Dein ist der<br />

Rhythmus und die Intonation und die Musik in<br />

Ewigkeit, Amen!“<br />

So, das muss reichen.<br />

Liebe Grüße<br />

Dr. med. Frauke Tappmeyer

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!