Festschrift - 50 Jahre Sinfonieorchester am EBG
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Robert König<br />
K<strong>am</strong>mermusiker, Orchesterleiter, Dirigent, Lehrer, Ansprechpartner, Leitfigur, Freund<br />
20<br />
So hat Robert König nicht nur<br />
fast sein ganzes Leben der Musik<br />
gewidmet, sondern sich darüber<br />
hinaus über gut fünf Jahrzehnte<br />
hinweg der Idee verpflichtet, unzählbar<br />
vielen Menschen das gemeins<strong>am</strong>e<br />
Musizieren zu ermöglichen,<br />
und das auf immer wieder<br />
sehr beachtlichem Niveau.<br />
In diesem Zus<strong>am</strong>menhang erscheint<br />
zunächst seine Liebe zur<br />
Musik die Grundlage zu bilden,<br />
die ihn zum K<strong>am</strong>mermusiker<br />
der Stadt Kiel und darüber hinaus<br />
zum Mitglied des Bayreuther<br />
Festspielorchesters befähigte.<br />
Eine Karriere, von der viele junge<br />
Musiker träumen. Eine Karriere<br />
aber, die bei weitem nicht<br />
jedem Talent vergönnt ist. Denn<br />
es benötigt nicht nur Talent und<br />
vielleicht etwas Glück, im richtigen<br />
Moment <strong>am</strong> richtigen Ort zu<br />
sein, es gehört immer wieder eine<br />
gehörige Portion Ausdauer und<br />
Fleiß dazu, die zum Erfolg führt.<br />
Was Robert König nun von der<br />
begrenzten Anzahl derjenigen,<br />
die über diese Fähigkeiten verfügen,<br />
abhebt und ihn in den<br />
Augen so vieler seiner Schüler als<br />
wirklich einzigartig erscheinen<br />
lässt, ist die Tatsache, dass er über<br />
ein halbes Jahrhundert hinweg<br />
seine ganze Person mit schier<br />
endloser Energie einbrachte, um<br />
vornehmlich jungen Menschen<br />
seine Vorstellungen von Musik<br />
näher zu bringen, mit ihnen quasi<br />
gemeins<strong>am</strong> in dieser Musik<br />
aufzugehen.<br />
Das begann zunächst im Kleinen<br />
mit dem Erteilen von privatem<br />
Violinunterricht. Es setzte sich<br />
fort mit dem Aufbau eines zunächst<br />
kleinen Streichorchesters<br />
und mündete schließlich in der<br />
Organisation und musikalischen<br />
Leitung des <strong>Sinfonieorchester</strong>s<br />
<strong>am</strong> Ernst-Barlach-Gymnasium<br />
mit bis zu vier Sinfoniekonzerten<br />
pro Spielzeit, mit Opernaufführungen<br />
und Konzertreisen durch<br />
fast ganz Europa.<br />
Vor unserer Zeit ging es 1972<br />
nach Bad Hersfeld – Wetzlar<br />
– Koblenz, 1973 Sonderburg –<br />
Apenrade – Tinglev, 1974 Uppsala<br />
– Göteborg, 1975 Oslo.<br />
1976 spielten wir in Salzburg und<br />
Wien. Dort spazierten wir bei 30°<br />
in der Sonne durch die Parkanlagen<br />
von Schloss Belvedere und<br />
löschten unseren Durst anschließend<br />
ausgiebig im bekannten<br />
Weindorf Grinzing. 1977 traten<br />
wir in Paris in „Notre D<strong>am</strong>e“ auf.<br />
Der „Rienzi“ weckt Erinnerungen<br />
an eine wundervolle Reise<br />
durch Italien, wir spielten open<br />
air vor dem Anleger der Vaporettos<br />
<strong>am</strong> Markusplatz in Venedig<br />
und im Markusdom bei Hochwasser,<br />
so dass wir nach dem Konzert<br />
mit unseren Instrumenten<br />
über Stege balancieren mussten.<br />
In Rom versagte die Kupplung<br />
unseres doppelstöckigen Busses<br />
direkt vor dem Colosseum, Robert<br />
entschied „Anschieben!“, <strong>50</strong><br />
Köpfe, Arme und Beine bewegten<br />
den Bus aus dem Verkehr an den<br />
Straßenrand. Spanien war eine<br />
Konzertreise mit sehr vielen gut<br />
besuchten Konzerten (Madrid,<br />
Valladolid, Burgos, Valencia,<br />
Barcelona).<br />
Zu alledem sorgte Robert in freien<br />
Momenten stets dafür, dass<br />
uns neben unserer Musik auch<br />
immer mal Geschichte und Kultur<br />
des jeweiligen Landes nähergebracht<br />
wurden, indem er Reiseführer<br />
vorlesen ließ. 1981 zu<br />
Zeiten des „Eisernen Vorhangs“<br />
Finnland und Rußland 110 Instrumentalisten,<br />
zwei Busse, ein<br />
Instrumenten-Laster ausgeliehen<br />
vom Theater, mit Finnjet donnernd<br />
durch die vereiste Ostsee,<br />
unter Deck eine unheimliche Geräuschkulisse.<br />
Busdurchsuchung<br />
mit Kalaschnikows <strong>am</strong> Grenzübergang<br />
des finnischen Meerbusens,<br />
von da an immer eine<br />
russische Aufpasserin mit im<br />
Bus, in (d<strong>am</strong>als noch) Leningrad,<br />
das Konzert sehr gut besucht, die<br />
Stadt d<strong>am</strong>als grau, noch grauer<br />
als Moskau, im Konzertsaal des<br />
Kremls hörten wir „Krieg und<br />
Frieden“ von Prokofjew, 4000<br />
Zuhörer, viele verließen die Oper<br />
vor dem Ende, die Metro wartet<br />
nicht. Das Essen eher grenzwertig,<br />
deshalb Abschlusskonzert<br />
in Tallinn mit vielen Abgängen<br />
hinter die Bühne, da gefühlt das<br />
halbe Orchester unter einem Magendarminfekt<br />
litt.<br />
Für alle Beteiligten waren das Erlebnisse<br />
und Erfahrungen, die sie<br />
bis heute wohl großenteils lieber<br />
und auch besser erinnern als<br />
all ihre Mathe-, Deutsch- und<br />
Englischstunden zus<strong>am</strong>men. Das<br />
allerdings geschah nicht per se,<br />
sondern konnte nur gelingen,<br />
indem Robert König als Mensch<br />
authentisch war.<br />
Er gab nicht einfach sein musikalisches<br />
Know-how an uns weiter.<br />
Er lebte mit uns für die Musik. Er<br />
führte uns durch die Musik wie<br />
auch durchs Leben. Er gab musikalische<br />
Ratschläge und welche<br />
für Gegenwart und Zukunft. Er<br />
musizierte mit uns, er feierte<br />
mit uns, er steckte uns Grenzen<br />
und wies uns Richtungen. Er war<br />
und ist uns von Herzen Orchesterleiter,<br />
Dirigent, Lehrer, Ansprechpartner,<br />
Leitfigur, Freund<br />
– DANKE, Robert.<br />
Sabine Leuschner<br />
&<br />
Christian Schuh