Der_CreditManager_4-2019-HQ
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PRAXIS KOLUMNE DES PRÄSIDENTEN
Liebe Leserin, lieber Leser,
Gewinnwarnung! Ein seltsames Wort,
das ja bedeuten könnte, dass ein Unternehmen
davor warnt, Gewinne zu
erzielen. Wir wissen aber alle, dass
börsennotierten Unternehmen damit
über den Umstand informieren, dass
ein geplantes Ergebnis wohl nicht erreicht
werden wird.
Wegen dieser inhaltlichen „Falschaussage“
wurde Gewinnwarnung vor gut
zehn Jahren schon zum Börsenunwort
des Jahres gewählt (und in Österreich
zum Unwort des Jahres).
Warum befasse ich mich dann heute
mit diesem Begriff?
Ganz einfach: In den letzten Wochen
hat uns dieses Wort wieder häufiger
erreicht und u.a. in Handelsblatt und
FAZ für Schlagzeilen gesorgt, wie „Zahl
der Gewinnwarnungen auf Zehnjahreshoch“
oder „So viele Gewinnwarnungen
gab es zuletzt vor der Finanzkrise“.
Die Meldungen kamen dabei
von Unternehmen aus unterschiedlichsten
Branchen und von durchaus
bekannten Firmen.
Gleichzeitig lesen wir Meldungen wie
„Zahlungsausfälle verdreifachen sich
innerhalb eines Jahres“ (Atradius) oder
„Zeitenwende für die deutsche Wirtschaft“
(coface). Die Wünsche nach
längeren Zahlungszielen nehmen offenbar
zu, insbesondere in den Branchen
Chemie und Maschinenbau. Die
Unsicherheit im Automobilsektor mit
30
allen Zulieferbereichen ist ja schon
sprichwörtlich. Audis Ankündigung
eines massiven Stellenabbaus und
BMWs Kürzung der Boni für die Mitarbeiter
wurden erst vor ein paar Tagen
veröffentlicht.
Andererseits prosperiert die Baubranche
weiterhin, der Konsum der Bürger
nimmt immer noch zu; für beide Entwicklungen
ist vermutlich das nach
wie vor niedrige („Null“) Zinsniveau
ursächlich. Wenn Banken inzwischen
auch bei kleineren Guthaben Minuszinsen
verlangen, bleibt ja kaum eine
andere Wahl, als Geld auszugeben
oder in Immobilien zu investieren. Liquidität
stellt also eigentlich nicht das
Problem dar?
Ich meine doch, denn es gibt inzwischen
wegen der billigen Zinsen Unternehmen,
die bei einer „normalen“
Zinssituation längst den Gang zum
Insolvenzgericht hätten antreten
müssen. Stattdessen wursteln sie als
„Zombieunternehmen“ weiter, bremsen
die Produktivität und verhindern
die natürliche Bereinigung in der Wirtschaft.
Für die exportorientierte deutsche
Wirtschaft spielt zudem der weltweite
Konjunkturrückgang eine bedeutsame
Rolle. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut
prognostiziert, dass der
Weg gerade „from omnipotenz 2012
to ineffectivness 2019“ führt und wir
am „beginning global donwturn“ stehen.
Diese Themen führen wohl auch
dazu, dass der vbw-Konjunkturindex
„auf dem tiefstem Stand seit neuneinhalb
Jahren“ liegt.
Auch wenn sich die Insolvenzen in
Deutschland weiter auf einem niedrigen
Niveau bewegen und die Zufriedenheit
mit der Zahlungsweise
der Kunden noch weit verbreitet ist,
müssen wir uns als Credit Manager
deshalb jetzt (!) mit den negativen
Tendenzen befassen und uns Strategien
für die weitere Vorgehensweise
überlegen, bevor unsere Unternehmen
womöglich massiv betroffen sein
werden. Wir haben dazu viele Möglichkeiten
mit und bei den Dienstleistungsunternehmen
rund ums Credit
Management und weit bessere technische
Voraussetzungen als noch vor
zehn Jahren.
Außerdem bietet Ihnen unser BvCM
jederzeit Unterstützung bei allen Fragen,
die sich bei Ihnen ggf. stellen, sowie
den Informationsaustausch über
das große Netzwerk des Verbandes.
Werden Sie aktiv, auch wenn die Zahlen
in Ihrem Bereich vielleicht noch
„super“ sind – zeigen Sie, dass Credit
Manager unternehmerisch vorausdenken
und wichtige Impulse zur Werterhaltung
der Unternehmen geben.
Herzliche Grüße, ein frohes Weihnachtsfest
und einen guten Start in
ein erfolgreiches Jahr 2020.
Ihr Rudolf Keßler CCM