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Fachmagazin für den Spielwaren- und Buchhandel

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WIR SIND

„VERRÜCKT“!

Nicht, dass ich nicht an Fortschritt

glaube. Ich finde mein Smartphone

ganz prima. Das ändert allerdings wenig

daran, dass die Mehrheit der Deutschen

fortschrittsskeptisch und wenig

risikofreudig ist. Dabei steht Fortschritt

doch eigentlich für einen Weg zum Besseren

hin. Warum wir Deutschen also

besonders gerne daran zweifeln, was

die Zukunft bringt, obwohl wir doch

ein Hochtechnologieland sind, darüber

kann man nur Vermutungen anstellen.

An Greta und dem Klimawandel

wird es nicht allein liegen. Nur an der

Globalisierung auch nicht, dafür haben

wir Deutschen zu sehr davon profitiert.

Womöglich haben wir einfach

zu viel „Bammel“ vor Veränderungen,

denn jeder Fortschritt bedeutet auch,

dass wir etwas zu verlieren haben. Wir

nutzen die Plattformökonomie, aber

unsere Innenstädte sollen am besten

so bleiben, wie sie sind; wir wollen

schnucklige Spielwarengeschäfte

mit Feel-good-Charakter, finden aber

nichts dabei, wenn uns Billiglöhner aus

Mittel- und Osteuropa den Rutscher vor

die Haustür karren. Wir klagen über

das, was durch den Fortschritt zu verschwinden

droht, helfen aber dabei,

das nichts so bleibt, wie es war, um im

selben Atemzug in allgemeinen Fortschrittsskeptizismus

zu verfallen. Wir

sind „verrückt“, leben damit aber problemlos.

Die Ambivalenz hat Folgen. Wir überlassen

den Fortschritt gerne anderen,

die weniger zweifeln. Schenkt man

dem führenden E-Commerce-Experten

Deutschlands, Leiter des eWeb

Research Centers der Hochschule Niederrhein,

Prof. Dr. Gerrit Heinemann,

Glauben, steht es fünf vor zwölf mit

uns. Überall hinke Deutschland hinterher:

im Handel, in der Infrastruktur,

in der Digitalisierung, bei der wir,

so Heinemann, nur noch einen Schuss

frei hätten. Das Paradoxe: Wir empfangen

Amazon oder Alibaba mit offenen

Armen, kriegen aber selbst nichts auf

die Kette, außer Copycats. Der Mann

ist kein reiner Theoretiker, sondern

jemand, der über langjährige Praxiserfahrungen

in Konzernen verfügt. Seine

Diagnose über den Zustand Deutschlands

gleicht einer feuilletonistischen

Kulturkritik. Und den „Davids“ im Handel

attestiert er Larmoyanz und zu wenig

Lust auf „Attacke“. Lesen Sie auf

Seite 20 warum Deutschlands Köpfe

dennoch begehrt sind, deutsche Milliardäre

versagen, was man vor Jahren

im VEDES- und Media/Saturn-Vorstand

erleben konnte und warum sich traditionelle

Verbundgruppen warm anziehen

sollten.

The same procedure as every year oder

die Wiederkehr des ewig Gleichen, solche

Gedanken schießen einem durch

den Kopf, wenn man an die aktuelle

Ausgabe der Spielwarenmesse oder an

die ARENA der planet toys Ausgabe zur

letzten Messe denkt. Schon vor einem

Jahr standen die Chancen und Gefahren

von Online-Marktplätzen im Fokus; das

Thema hat weiter an Brisanz gewonnen.

Spielzeughändler wie Rofu fordern

bereits mehr Kontrolle für Plattformen,

was man in Berlin beim bevh kategorisch

zurückweist. Als Laie wundert

und als Experte fragt man sich, wer bei

diesen Kampfpreisen tatsächlich Qualität

erwartet. Wir sind auch hier verrückt

(S. 12). Die Spielwarenmesse griff

vor neun Jahren „Green Toys“ in einer

Sonderschau auf. Jetzt, unter einem

neuen Begriff, steht Nachhaltigkeit erneut

im Fokus. Wir sind gespannt, was

wir in Nürnberg erleben. Vorab haben

wir uns aber schon umgehört, was einige

Nachhaltigkeits-Experten dazu meinen

(S. 24). Tenor: Spielzeughersteller

dürfen leuchten, sollten sich aber im

Klaren darüber sein, dass sie ohne das

Universum nichts sind. Schauen wir

mal, wie Nürnberg leuchtet.

Ihr Ulrich Texter

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