ME2BE CAMPUS 2019/02
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Text Lina Kerzmann
Fotos Alexander Probst,
Salvatore Ferragamo,
Julien Boudet
Mussolini-Ära waren im Italien der vierziger
Jahre die Ressourcen zur Herstellung von
Schuhen begrenzt. Das Leder wurde vorwiegend
für die Produktion von Soldatenstiefeln
verwendet, und so musste Ferragamo zwangsläufig
mit anderen Materialien wie Kork, Filz,
Bast und sogar alten Angelschnüren experimentieren.
Im unternehmenseigenen Museum
in Florenz lassen sich die frühen Kreationen
noch bis März 2020 im Rahmen der Ausstellung
„Sustainable Thinking“ bewundern.
Ferragamos Schöpfungen beweisen, dass die
Herausforderungen einer umweltbewussten
Produktion keinen Nachteil bedeuten müssen.
Ganz im Gegenteil, sie können auch als
Antrieb für Innovationen fungieren. Denn um
nachhaltig produzieren zu können, ist eine
ganz neue Auseinandersetzung mit Materialien
und Herstellungsweisen nötig. Das fördert
neue Ideen, und davon lebt die Modewelt. Mit
einem Preis von 2.500 € ist der „Rainbow
Future“ allerdings nur für ein sehr zahlungskräftiges
Publikum erschwinglich. Was dabei
aber nicht unterschätzt werden darf, ist die
Signalwirkung, wenn ein Luxus-Unternehmen
mit Nachhaltigkeit wirbt.
Die Schattenseiten der
Modewelt: Fast Fashion
Wenn man sich schon in der Position befindet
Trends zu setzen, warum dann nicht Nachhaltigkeit
zum Trend machen? So einfach ist es
dann leider doch nicht. Denn Nachhaltigkeit
verlangt einen bewussten Konsum und setzt
voraus, dass die Produktion von Kleidung die
bestehenden ökologischen Ressourcen schont
und nicht verschwendet. Allein für die Herstellung
eines T-Shirts werden aber mehr als
2000 Liter Wasser benötigt. Außerdem hat
sich die Bekleidungsproduktion in den letzten
15 Jahren mehr als verdoppelt. Selbst wenn
alle Unternehmen sofort auf Bio-Baumwolle
umsteigen würden und sich bemühten, die
Umwelt nicht durch giftige Chemikalien zu
belasten, allein die reine Masse an benötigten
Materialien brächte das Ökosystem an seine
Grenzen. Die Modeindustrie ist ein auf schnelles
Wachstum ausgelegter Wirtschaftszweig.
Sie will in erster Linie verkaufen – und zwar
immer mehr. Um die Nachfrage zu erhöhen,
gibt es stetig neue Kollektionen in immer kürzeren
Zeitspannen. Bis zu zwanzig Kollektionen
im Jahr diktieren neue Modetrends. Wer
da mithalten will, greift oft zur sogenannten
Fast Fashion.
Fast Fashion ist die Bezeichnung für modegewordene
Cheeseburger: Schnell konsumierte
Massenware, billig produziert, die kaum getragen
schon wieder out ist. Rund 50% der Fast
Fashion Kleidungsstücke werden innerhalb
eines Jahres weggeworfen.
Doch warum machen wir da überhaupt mit?
Stichwort Konsumverzicht. Aus Liebe zur
Umwelt könnte man doch einfach ganz auf
Mode verzichten! Den eigenen Modekonsum
radikal einzuschränken, ist durchaus
lobenswert, verkennt jedoch, dass die Bedeutung
von Kleidung über die Funktion hinausgeht,
uns vor Nässe und Kälte zu schützen.
Durch Mode werden ebenfalls unterschiedliche
Lebensstile sicht- und kommunizierbar.
Second-Hand-Kleidung bietet zwar eine kostengünstige
und umweltverträgliche Alternative.
Nachhaltigkeit und Abwechslung im
Kleiderschrank versprechen aber auch andere
Konzepte, die angetreten sind die Modebranche
langfristig zu verändern. Und die – im
Gegensatz zu Ferragamos Öko Haute Couture
– für jedermann auch bezahlbar sind.
Mode neu gedacht:
leihen statt kaufen
Mode leihen statt kaufen, ist ein Konzept,
das in Deutschland Unternehmen wie „Stay
Awhile“ oder oder „RE-NT“ anbieten. Neue
Mode als monatliches Abo, die bequem von zu
Hause aus online bestellt wird. Das Geschäftsmodell
von Stay Awhile bietet zwei Leihoptionen
an. Vier Teile können sich die Kundinnen
und Kunden monatlich entweder selbst aussuchen
oder von der Gründerin Thekla Wilkening
zusammenstellen lassen. Nach einem
Monat wird die Kleidung zurückgeschickt und
die Auswahl beginnt von neuem. Ganz ähnlich
funktioniert auch das Modell von RE-NT.
Es gibt ein Punktesystem, wobei ein Punkt
den Wert von zehn Euro hat. Abhängig vom
Einkaufswert der Kleidung können die Kunden
dann ihre Punkte einlösen – und diese beliebig
oft im Monat umtauschen. Als zusätzlichen
Anreiz bietet RE-NT eine App an, die
nachzeichnet, wie viel CO2 man im Vergleich
zu gekaufter Kleidung bereits eingespart hat.
Ein ähnliches Konzept praktiziert die niederländische
Jeansmarke „MUD Jeans“. Sie bietet
Jeans zum Leasen an, eher bekannt aus der
Automobilbranche. Für einen festen monatlichen
Betrag zahlt man quasi für die Nutzung
der Jeans. Nach zwölf Monaten steht dann die
Entscheidung an: Behalten oder austauschen
gegen ein neueres Modell. In letzterem Fall
„Rainbow Future“ von
Salvatore Ferragamo.
wird die getragene Jeans entweder upgecycelt
und als Vintage Modell angeboten oder recycelt
und für die Herstellung einer neuen Jeans
genutzt. Kreislaufwirtschaft nennt sich das.
Digitale Mode für
eine digitale Welt
Das junge Amsterdamer Label „The Fabricant“
verfolgt dagegen einen revolutionären
Ansatz. Die futuristischen Haute Couture
Entwürfe existieren ausschließlich als digitale
Dateien. Nach dem Kauf werden sie als digitale
Maßanfertigung auf ein Foto des Kunden
montiert. Das Bild können die Besitzerinnen
und Besitzer nun etwa auf sozialen Netzwerken
wie Instagram posten. Damit würde das
Bedürfnis sich selbst durch Mode auszudrücken
und darzustellen gänzlich ins Digitale
verlagert. Das wiederum eröffnet eine völlig
neue Perspektive auf das Thema Nachhaltigkeit.
Kleidung, die in stofflicher Hinsicht
gar nicht existiert, verbraucht bis auf den
Strom, der für die digitalen Entwürfe benötigt
RENT WHAT YOU LIKE,
BUY WHAT YOU REALLY LOVE
ist das Motto von STAY AWHILE.
wird, keinerlei Materialien oder Ressourcen.
Bedenken wegen Umweltverschmutzung oder
prekärer Arbeitsbedingungen wären überflüssig.
Ein weiterer Vorteil gegenüber ‚analoger‘
Mode: Die Entwürfe sehen zwar echt aus, sind
aber nicht an die Grenzen der realen Welt
gebunden. Die Optik von Materialien, die es
gar nicht gibt oder futuristische Schnitte –
der Fantasie wären kaum Grenzen gesetzt. Ob
sich diese Zukunftsvision wirklich durchsetzen
wird, bleibt offen. Spannend ist sie allemal!
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