Bericht_361_Leseprobe
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Top-Führungskräfte [4] gilt Digitalisierung und Industrie 4.0 (D+I4.0) als der entscheidende Hebel für die Wende von<br />
der operativen Defensive hin zur strategischen Offensive.<br />
Für die Schweißtechnik ist der Anlagenbau ein wirklich wichtiger Kunde. Beide Branchen sind nahezu auf symbiotische<br />
Art und Weise miteinander verbunden. Dieser Umstand wird nicht überall in der notwendigen Konsequenz<br />
verstanden.<br />
Die Schweißtechnik als komplementäre Fachdisziplin hat das Problem, sich im Rahmen von D+I4.0 den ändernden<br />
technologischen Forderungen ihrer vielfältigen Kunden anpassen zu müssen. Darüber hinaus muss sie den Transformationsprozess<br />
ihrer Kunden- und Lieferantenbranchen verstehen und nachvollziehen können. Für die wichtige,<br />
aber zugleich eher kleine Fachcommunity der Schweißtechnik ist es unerlässlich, sich in diesem komplexen Umfeld<br />
orientieren zu können. Gleichzeitig stellt sich die Frage, woher das notendige empirische Wissen und Know-how für<br />
eine erfolgreiche Anpassung an die digitale Wirtschaft kommen soll. Diese Frage ist bis heute noch nicht hinreichend<br />
beantwortet. Möglicherweise ist das der Grund für die gegenwärtig zu beobachtende, eher vorsichtige Follower-<br />
Strategie in der Schweißtechnik-Branche. Leider ist die theoretische und empirische Basis für die digitale Transformation<br />
der Schweißtechnik nicht genügend entwickelt. Aktuell stellen sich folgende Fragen:<br />
• Wie ist der heutige Entwicklungsstand von D+I4.0 in der Schweißtechnik?<br />
• Wie kann man diesen Entwicklungsstand messen?<br />
• Wie gestaltet sich die Transformation im Übergang von I3.0 zu I4.0 für die Schweißtechnik und ihre Kunden?<br />
• Welchen digitalen Reifegrad hat die Schweißtechnik erreicht und welche priorisierten Handlungsfelder können<br />
die Entwicklung digitaler Reife beschleunigen?<br />
• Welche Änderungen und Herausforderungen sind für die Schweißtechnik und deren Schnittstellen zu erwarten?<br />
• Welche Chancen und Risiken ergeben sich, wie können erwartete Nutzenpotentiale gehoben werden?<br />
In Bezug auf die digitale Transformation und die erfolgreiche Applikation von D+I4.0 in der Schweißtechnik halten,<br />
sich gegenwärtig nach Ansicht der Autoren, Chancen und Risiken die Waage.<br />
Der Artikel wird belegen, dass die Schweißtechnik in Bezug auf die wettbewerbsfähige Anwendung von Digitalisierung<br />
und I4.0 gute Chancen hat – wenn sie bereit ist, sich den Herausforderungen der digitalen Transformation jetzt<br />
zu stellen.<br />
2 Allgemeine Überlegungen zur digitalen Transformation<br />
Der Übergang vom Start der 3. Industriellen Revolution bis zum Digitalen Zeitalter hat etwa ein Vierteljahrhundert<br />
gedauert. Bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe befinden wir uns gegenwärtig in einer frühen Phase des Übergangs<br />
zu I4.0. Alle Vorstellungen von Industrie 4.0 können noch nicht ausgereift sein und haben sehr stark den Charakter<br />
von Theorien, Visionen und Konzepten.<br />
Für die Schweißtechnik kommt es darauf an, einen Einstieg in den Übergang zur Transformation zu finden. Dieser<br />
Übergang muss für jedes Unternehmen individuell gestaltet werden. Es ist heute nicht möglich, ein annähernd zutreffendes<br />
Konzept für die konsolidierte Phase des Übergangs zu formulieren. Um Popper zu zitieren, „Die Zukunft<br />
lässt sich nicht voraussagen, weil wir nicht wissen, was wir wissen werden“. Für die Analyse derart komplexer Situationen<br />
hat sich die Nutzung kollektiver Intelligenz bewährt. Leider findet die Mobilisierung kollektiver Intelligenz,<br />
auch in der Schweißtechnik, nur in unzureichendem Maß statt. In der vorliegenden Expertenbefragung gaben ca.<br />
zwei Drittel der Probanden aus der Schweißtechnik an, nur mäßig bis nicht an der Erarbeitung von Digitalisierungsvision<br />
und -konzept beteiligt zu sein. Zum Vergleich, 2019 brachten ca. 70 % aller befragten Beschäftigten aus der<br />
deutschen Metallindustrie in einer Studie [9] zum Ausdruck, dass sie über die digitale Transformation in ihren Betrieben<br />
nicht ausreichend informiert sind.<br />
Aus Sicht der Autoren wird das Wissen und Know-how der jungen Genration aktuell in Deutschland zu wenig genutzt.<br />
Es gelingt nicht genügend, diese in entsprechende verantwortliche Schlüsselpositionen und in informellen Netzknoten<br />
zu bringen. Aber diejenige Nation wird einen vorläufig irreversiblen Wettbewerbsvorteil im Nutzbarmachen von<br />
D+I4.0 erzielen, der es als Erste gelingt, einen wirklichen Generationenwechsel in den D+I4.0-relevanten Führungsund<br />
Expertenpositionen umzusetzen.<br />
In der gegenwärtigen Übergangsphase zu I4.0 (siehe Phase 1-Vision, Abb. 2-1) herrscht steigende Unsicherheit. Die<br />
Konsolidierung in Bezug auf Technik, Technologien, Normen und Standards ist gering. Es wird vorsichtig investiert,<br />
empirische Erfahrungen akkumulieren sich langsam. Die Wissensbasis entwickelt sich getrieben von Versuch und<br />
Irrtum.<br />
2 DVS <strong>361</strong>