DER BIEBRICHER, Nr. 339, Februar 2020

ZDF-Fernsehgottesdienst live aus der Oranier-Gedächtnis-Kirche
Ein Jahr lang hatte man sich
vorbereitet, am 9. Februar
wurde es ernst: Der ZDF-Fernsehgottesdienst
wurde aus der
Oranier-Gedächtnis-Kirche,
die gleichzeitig die
Evangelische Jugendkirche
des Dekanats
ist, live übertragen.
Es gibt alle 14 Tage
einen Gottesdienst im
ZDF, die Konfessionen
wechseln sich dabei ab. Meist
spricht der Sender die in Frage
kommenden Gemeinden an –
so auch beim Stadtjugendpfarramt
Wiesbaden. Pfarrerin
Astrid Stephan, Gemeindepädagoge
Johannes Winkler und
das Team Elias Dankoff, Amelie
Roggenkämper, Lara Hausy
und Hannah Michaelis wurden
ein ganzes Jahr lang mit Schauspiel-
und Sprechcoaching
auf ihren TV-Liveauftritt
vorbereitet, der in exakt 44
Minuten und 30 Sekunden
über die „Bühne“ ging.
Mit sechs Kameras und
zahlreichen großen Übertragungswagen
war das ZDF
angerückt. Aus den Reihen
der Jugendlichen des Stadtjugendpfarramts
wurden viele
Helfer rekrutiert, die unter
anderem als Kabelträger
fungierten. Aber auch eine
telefonische Hotline musste
bis 19 Uhr besetzt werden;
hier saßen 20 Freiwillige am
Telefon, um auf die Fragen
der Zuschauer einzugehen.
Jugendkirche
Wiesbaden
ANJA BAUMGART-PIETSCH
Der Gottesdienst hatte das Thema
„Liebe gewinnt“. Dies sollte
sich hauptsächlich auf Hassbotschaften
im Internet beziehen.
Beim Konfirmanden-Camp im
vergangenen Jahr war das
bereits zum Thema gemacht
worden, daher
gab es auch noch ein
großes „Smartphone“
als Kulisse, in dem Johannes
Winkler zur Zielscheibe
von Hate- wie Love-Speech
wurde. Anschaulich stellten die
Jugendlichen dar, wie man jemanden
zum „Opfer“ machen
kann – aber auch, wie das „Opfer“
wirkungsvoll kontern kann.
Biblische Analogie dazu war
die Wandlung des Saulus zum
Paulus – auch er wurde „vom
Hater zum Lover“, nachdem
Jesus ihm ein entsprechendes
Zeichen gegeben hatte, und
verbreitete ab dann nur noch
positive Botschaften. Hass könne
süchtig machen, sagten die
Jugendlichen. Das gelte es zu
erkennen und bewusst gegenzusteuern.
Pfarrerin Astrid Stephan (Mitte) während der Liveübertragung des ZDF-
Fernsehgottesdienstes der Evangelischen Jugendkirche Wiesbaden aus der
Oranier-Gedächtnis-Kirche am Biebricher Rheinufer.
Musikalisch prägte den Gottesdienst
der Gospelchor des Stadtjugendpfarramts,
„Xang“ mit
Chorleiter Gerhard Müller und
Pianist Mark Schwarzmayr. Mit
exzellenten Solistinnen und viel
authentischem Gospel-Feeling
sangen sie diverse Stücke, auch
gemeinsam mit der Gemeinde,
was kurz geprobt wurde, bevor
man auf Sendung ging. Auch
der Song „Thank you for knockin‘
me down“ der Sängerin
Lena Mayer-Landrut war dabei.
Die junge Musikerin wurde Opfer
zahlreicher Hassbotschaften
in den sozialen Netzwerken
und wehrte sich auf ihre eigene
Art mit dem Lied, in dem sie
bekennt, dass sie dadurch nur
stärker geworden sei und den
Entschluss gefasst habe, sich
nicht zu verstecken, sondern
dem Hass mit einem Lächeln
entgegenzutreten.
Auch ein Glaubensbekenntnis
von Dietrich Bonhoeffer brachte
dies zum Ausdruck: „Ich glaube,
dass Gott in jeder Notlage
so viel Widerstandskraft geben
will, wie wir brauchen. Aber er
gibt sie nicht im Voraus, damit
wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müsste alle
Angst vor der Zukunft überwunden
sein.“
In exakt der vorgesehenen
Zeit war der Gottesdienst in
der bunt beleuchteten Kirche
vorüber – herzlicher Applaus
war der Lohn für das Team,
und Pfarrerin Astrid Stephan
lobte: „Ich bin so was von
stolz auf euch!“ bevor sie alle
Besucher und Besucherinnen
noch zum Glühwein in ein
Zelt hinter der Kirche einlud.
Der Gottesdienst kann in der
ZDF-Mediathek noch einige
Monate angesehen werden,
es ist auch möglich, eine
DVD zu bestellen.
(art)
4 DER BIEBRICHER / FEBRUAR 2020