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doktorinwien 03/2020

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INTERN NEWS<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

Scharfe Kritik an Versorgungslücke<br />

Als „verantwortungslos“ bezeichnet Kurienobmann Johannes Steinhart die Entscheidung<br />

der ÖGK, in Wien die Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht aufzustocken.<br />

Kurienobmann Wolfgang Weismüller bemängelt indes die unattraktiven Arbeitsbedingungen<br />

für Kinder- und Jugendpsychiater in Wiens Spitälern.<br />

► Wien hat knapp zwei Millionen<br />

Einwohner und davon in etwa<br />

350.000 Kinder und Jugendliche im<br />

Alter bis 18 Jahre. Für diese Gruppe<br />

stehen aber nur sechs Kinder- und Jugendpsychiater<br />

mit Kassenvertrag zur<br />

Verfügung. „Das ist für eine Stadt mit<br />

einem grundsätzlich hervorragenden<br />

Gesundheitssystem, auf das wir auch<br />

stolz sind, aber viel zu wenig, eigentlich<br />

ein nicht tragbarer Zustand – nötig<br />

wären gemäß unabhängiger Gesundheitsexperten<br />

bis zu 30 entsprechende<br />

Kassenordinationen“, sagt Johannes<br />

Steinhart, Obmann der Kurie niedergelassene<br />

Ärzte und Vizepräsident der<br />

Ärztekammer für Wien.<br />

„Eine Katastrophe ist diesbezüglich die<br />

Entscheidung der Generaldirektion der<br />

Österreichischen Gesundheitskasse“, so<br />

Steinhart weiter, „die eine dringend nötige<br />

Aufstockung der Kassenordinationen<br />

für Kinder- und Jugendpsychiater<br />

um zumindest fünf weitere Standorte,<br />

wie von uns gefordert, einfach ablehnte.<br />

Das ist verantwortungslos!“<br />

ÖGK-Struktur überdenken<br />

Die derzeitige Struktur der ÖGK müsse<br />

dringend überdacht und geändert<br />

werden, denn: „In den entscheidenden<br />

Gremien sitzen seit 1. Jänner <strong>2020</strong> leider<br />

Personen, die die lokalen Gegebenheiten,<br />

den Bedarf an kinderpsychiatrischen<br />

Versorgungsangeboten sowie<br />

die Bedürfnisse der Patientinnen und<br />

Patienten in Wien nicht kennen“, so<br />

Steinhart.<br />

Seit Jahren weist die Ärztekammer auf<br />

die Unterversorgung der Wiener Kinder<br />

und Jugendlichen in diesem medizinischen<br />

Fachgebiet hin. Bestätigt<br />

wird der Warnruf sowohl von Gesundheitsexperten<br />

als auch vom Stadtrechnungshof,<br />

vom Leiter des Psychosozialen<br />

Diensts der Stadt Wien und auch<br />

vom Gesundheitsstadtrat selbst.<br />

„Nötig wären<br />

gemäß<br />

unabhängiger<br />

Gesundheitsexperten<br />

bis<br />

zu 30 entsprechende<br />

Kassenordinationen.“<br />

Ausbau dringend notwendig<br />

„Wien benötigt den schnellstmöglichen<br />

Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie-Versorgung.<br />

Was die Wiener<br />

Patientinnen und Patienten hingegen<br />

nicht brauchen können, ist eine Leitungsebene<br />

in der Österreichischen<br />

Gesundheitskasse, die aus nicht nachvollziehbaren<br />

Gründen auf der Bremse<br />

steht, ihrem Versorgungsauftrag nicht<br />

nachkommen will und letztendlich auf<br />

Kosten der jüngsten und ärmsten Patientinnen<br />

und Patienten, der Kinder<br />

und Jugendlichen, versucht, das durch<br />

die Kassenfusion verursachte Defizit<br />

mit Einsparungen bei der Gesundheitsversorgung<br />

zu reduzieren.“ Die Politik<br />

müsse hier dringend aktiv werden und<br />

nachjustieren, so Steinhart.<br />

Spitäler attraktiver machen<br />

Zwölf aktuelle Bewerbungen für zwei<br />

Kassenplanstellen im Fach Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie liegen der Ärztekammer<br />

in Wien derzeit vor. Gleichzeitig<br />

findet sich für Wiens Gemeindespitäler<br />

kein einziger Interessent, wenn man<br />

die derzeitige Lage in den Häusern des<br />

Wiener Krankenanstaltenverbunds<br />

(KAV) betrachtet.<br />

Für Wolfgang Weismüller,<br />

Vizepräsident und Obmann<br />

der Kurie angestellte Ärzte<br />

der Ärztekammer für Wien,<br />

ist das ein „mehr als paradoxer<br />

Zustand“.<br />

„Die Stadt Wien muss endlich<br />

reflektieren und sich<br />

ernsthaft fragen, warum<br />

sich niemand für die KAV-<br />

Spitäler bewirbt, wenn sich<br />

gleichzeitig deutlich mehr<br />

als ausreichend Bewerber<br />

im niedergelassenen Bereich<br />

finden“, fordert Weismüller<br />

ein Umdenken seitens der<br />

Politik. Die derzeitige Nachfrage<br />

nach Kassenplanstellen lasse „kein<br />

anderes Resümee zur aktuellen Lage“<br />

zu.<br />

Für Weismüller kann die Lösung nur in<br />

der Attraktivierung der Spitäler liegen:<br />

„Extreme Überbelastung, keine Zeit für<br />

Aus- und Fortbildung sowie überbordende<br />

Bürokratie schrecken offenbar<br />

die Kolleginnen und Kollegen ab, sich<br />

im KAV zu bewerben.“ Deswegen müsse<br />

seitens der Politik raschest gegengesteuert<br />

werden.<br />

„Nicht unwesentlich für den Umstand,<br />

sich nicht zu bewerben, wird auch die<br />

aktuelle Entlohnung im KAV sein“, vermutet<br />

Weismüller. Aus den der Ärztekammer<br />

vorliegenden Daten sei klar<br />

ersichtlich, dass man im niedergelassenen<br />

Bereich in Wien deutlich mehr<br />

verdienen kann, als dies einem angestellten<br />

Spitalsarzt möglich sei. „Schon<br />

seit Langem fordern wir eine marktkonforme<br />

Anpassung der Gehälter, als<br />

ersten Schritt zumindest ein Drittel<br />

mehr für den angestellten Bereich“, so<br />

Weismüller in Richtung Politik, die<br />

nach wie vor die Finanzhoheit im KAV<br />

innehat. <br />

Foto: Kateryna Kovarzh/lGetty/Images<br />

16 doktor in wien <strong>03</strong>_<strong>2020</strong>

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