doktorinwien 03/2020
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SERVICE MEDINLIVE<br />
Studie zu Medizinern aus Drittstaaten<br />
„Nostrifikanten rascher einbinden“<br />
Vor welchen Herausforderungen Medizinerinnen und Mediziner aus Drittstaaten<br />
hierzulande stehen, war bisher wenig bekannt. Licht ins Dunkel hat kürzlich eine Studie<br />
gebracht. Studienautorin Milica Tomić-Schwingenschlögl über die wichtigsten Erkenntnisse<br />
zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen bei Ärztinnen und Ärzten.<br />
Von Claudia Tschabuschnig<br />
medinlive: Frau Tomić -Schwingenschlögl,<br />
Ihre Studie zum Nostrifizierungsverfahren<br />
von Ärztinnen und Ärzten war<br />
die erste zu diesem Thema in Österreich.<br />
Welchen Anlass gab es, diesen Bereich zu<br />
erforschen?<br />
Tomić-Schwingenschlögl: Während<br />
meiner Arbeit als Beraterin im Beratungszentrum<br />
für Migranten und Migrantinnen<br />
haben wir beobachtet, dass<br />
die Zahl der Ärztinnen und Ärzte aus<br />
Drittstaaten steigt. Wir haben erkannt,<br />
dass diese Gruppe besondere Unterstützung<br />
braucht, da das Nostrifizierungsverfahren<br />
komplex ist und dabei<br />
viele Akteure mitspielen. Die Antragsteller<br />
sind überfordert angesichts der<br />
vielen zuständigen Stellen. Begonnen<br />
hat die Betreuung mit Zahnärzten aus<br />
dem ehemaligen Jugoslawien, für die<br />
wir Vernetzungsgruppen gegründet<br />
haben, wo über Lernunterlagen und Literatur<br />
gesprochen wird. Seit 2015 sind<br />
viele syrische Ärztinnen und Ärzte nach<br />
Österreich gekommen und schließlich<br />
zu uns in die Beratung. So ist auch<br />
„Check in Plus“, ein Beratungszentrum<br />
im Auftrag des AMS für Migranten<br />
mit ausländischen Berufsqualifikationen,<br />
entstanden. Seit 2015 haben<br />
wir die Betreuung von Ärztinnen und<br />
Ärzten übernommen. Mit Februar des<br />
Vorjahres waren 54 von uns betreute<br />
Ärztinnen und Ärzte beschäftigt. Insgesamt<br />
haben wir 177 Humanmediziner<br />
und 72 Zahnmediziner betreut. Es gibt<br />
also enormes Potenzial.<br />
Milica Tomić-<br />
Schwingenschlögl:<br />
„Unser Appell an die<br />
Arbeitgeberseite ist,<br />
mehr Arbeitstrainings<br />
zu ermöglichen.“<br />
schiede geprüft, unabhängig von der<br />
Herkunft der Qualifikation. Im Vordergrund<br />
stehen die Grundsätze der<br />
europäischen Berufsanerkennungsrichtlinie.<br />
Werden keine wesentlichen<br />
Unterschiede festgestellt und ein möglicher<br />
Arbeitsplatz besteht, wird dem<br />
Antragsteller mit ausländischer Ausbildung<br />
eine befristete Berufserlaubnis<br />
erteilt. Während er Theorie und Praxis<br />
nachholt, darf er unter Aufsicht arbeiten,<br />
verkürzt dargestellt. Voraussetzung<br />
hierfür ist das Sprachniveau B2. Die<br />
Approbation kann in Deutschland nach<br />
zwei Jahren erlangt werden.<br />
medinlive: Welche Vorteile hat dieses<br />
Modell aus Ihrer Sicht?<br />
Tomić-Schwingenschlögl: Es erspart<br />
viel Zeit und Mühe, es entstehen keine<br />
Lücken. Mit einer Berufserlaubnis kann<br />
man Deutsch lernen und gleichzeitig in<br />
die Praxis einsteigen. Auch während<br />
der Arbeit kann man sich Qualifikationen<br />
aneignen. Das ist der graduelle<br />
Unterschied zwischen Österreich und<br />
Deutschland. Wir hatten einige Fälle<br />
aus der Beratung, die keinen Erfolg bei<br />
der Nostrifizierung in Österreich hatten<br />
und weiter nach Deutschland gezogen<br />
medinlive: In Ihrer Studie haben Sie ein<br />
Nostrifizierungsmodell, das in Deutschland<br />
angewandt wird, als Empfehlung<br />
angeführt. Könnten Sie dieses bitte genauer<br />
erläutern?<br />
Tomić -Schwingenschlögl: In unserem<br />
Nachbarland werden Drittstaatenausbildungen<br />
auf wesentliche Untersind.<br />
Natürlich gibt es eine Harmonisierung<br />
der Ausbildung zwischen europäischen<br />
Ländern, aber es kann mir<br />
keiner sagen, dass eine finnische oder<br />
lettische Ausbildung ident sein soll mit<br />
der österreichischen, wenn man die<br />
Lehrpläne vergleicht. Das<br />
„deutsche Modell“ ist ein<br />
Modell, für das wir grundsätzlich<br />
bei der Anerkennung<br />
ausländischer Qualifikation<br />
plädieren. Damit<br />
dieses Modell möglich ist,<br />
wäre eine Gesetzesänderung<br />
notwendig. In Österreich<br />
entscheidet die Universität<br />
auf Basis eines Curriculum-<br />
Vergleichs und eines Stichprobentests.<br />
Dieser Test ist<br />
derzeit das zentrale Überprüfungsinstrument<br />
bei der<br />
Nostrifizierung.<br />
medinlive: Stichwort Stichprobentest.<br />
Wie läuft dieser ab und wie kann sich ein<br />
Antragsteller darauf vorbereiten?<br />
Tomić-Schwingenschlögl: Bei dem<br />
Stichprobentest wird überprüft, wo die<br />
Schwächen der Antragsteller liegen. Er<br />
besteht aus zehn Bereichen. Wenn du<br />
ein Fach nicht positiv absolviert hast,<br />
wird es dir als Prüfung vorgeschrieben.<br />
Für den Stichprobentest gibt es keine<br />
Vorbereitungsunterlagen. Das ist wirklich<br />
ein großes Thema. Die Botschaft<br />
der medizinischen Universitäten war<br />
stets, dass keine Vorbereitung notwendig<br />
sei. Ich habe Klienten betreut, die<br />
ohne Vorbereitung bei diesem Test angetreten<br />
sind und sehr schlechte Ergebnisse<br />
erzielt haben. Vor einigen Jahren<br />
haben auch in Österreich ausgebildete<br />
Ärztinnen und Ärzte des AKH diesen<br />
Test gemacht und attestiert, dass er<br />
für einen Mediziner machbar ist. Die<br />
MedUni gibt zwar Literaturempfeh-<br />
Fotos Drago Palavra<br />
32 doktor in wien <strong>03</strong>_<strong>2020</strong>