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doktorinwien 03/2020

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BRIEF DES KURIENOBMANNS IN EIGENER SACHE<br />

Sehr geehrte Kollegin! Sehr geehrter Kollege!<br />

ÖGK-Fehlstart<br />

Foto: AEK Wien<br />

„Die ÖGK hat Millionen<br />

Euro für ein neues Logo<br />

und Fusionsberater<br />

ausgegeben, will aber<br />

jetzt in der Versorgung<br />

sparen – da stimmt<br />

doch etwas nicht.“<br />

Weitere standespolitische Themen ab Seite 11.<br />

► Die Signale, die derzeit von der Spitze der Österreichischen Gesundheitskasse<br />

ausgesendet werden, stimmen alles andere als zuversichtlich, dass in der Gesundheitsversorgung<br />

Professionalität und Verantwortungsbewusstsein den Ton angeben<br />

werden. Wenn zum Beispiel ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer in Zeiten der zunehmenden<br />

Schwierigkeit, Kassenarztpraxen zu besetzen, mit der Wortschöpfung „Konsolidierungspfad“<br />

meint, dass künftig Abstriche bei den Ärztehonoraren die Mehrkosten der<br />

Kassenfusion mitfinanzieren sollen. Dass er bei den Ärztinnen und Ärzten den „Gürtel<br />

enger schnallen“ möchte, ist jedenfalls ein wirksamer Weg, um die kassenärztlichen<br />

Versorgung gezielt weiter zu schwächen. Wir nehmen Herrn Wurzers Aussage zwar zur<br />

Kenntnis, aber nicht einfach hin: Das letzte Wort ist hier mit Sicherheit noch nicht<br />

gesprochen.<br />

Aus meiner Sicht ist es hoch an der Zeit, auch im Gesundheitsbereich einen echten runden<br />

Tisch einzuberufen, auf dem auch die Ärzteschaft repräsentiert ist. Denn die ÖGK-Spitze ist<br />

offenbar nicht imstande, die politischen Vorgaben einer verbesserten Gesundheitsversorgung<br />

umzusetzen. Es geht nicht an, dass ein bürokratischer Moloch entsteht und auf Kosten der<br />

Patientinnen und Patienten bei Ärztinnen, Ärzten und Leistungen gespart wird. Der Zug<br />

muss in die andere Richtung fahren: Wir brauchen bessere und moderne Leistungen, nicht<br />

Kürzungen. Die ÖGK hat Millionen Euro für ein neues Logo und Fusionsberater ausgegeben,<br />

will aber jetzt in der Versorgung sparen – da stimmt doch etwas nicht.<br />

Vielmehr wäre es Herrn Wurzers Aufgabe als Manager, dem Bundeskanzler zu erklären,<br />

warum die von ihm versprochene Patientenmilliarde offensichtlich durch explodierende<br />

Fusionskosten nicht realisierbar ist.<br />

Vermehrte Bürokratie, verschleppte Entscheidungen<br />

Interessant wäre es auch zu wissen, wie die Landeshauptleute die Nachricht aufnehmen, dass<br />

die ÖGK offensichtlich plant, zukünftig mehr Patientinnen und Patienten in die Ambulanzen<br />

zu verschieben. Nichts Anderes wäre nämlich das praktische Ergebnis der Pläne des Generaldirektors.<br />

Es wäre angebracht, dass dieser sich damit beschäftigt, den administrativen Fehlstart<br />

der ÖGK in den Griff zu bekommen: Bei den Ärzteverträgen herrscht völliges Chaos.<br />

Allein in Wien haben neun Vertragskassenärzte mit 1. Februar ihre Tätigkeit aufgenom–<br />

men und arbeiten bis heute ohne unterschriebenen Vertrag. Vom ÖGK-Büro werden<br />

Termine abgesagt und immer wieder verschoben, weil die Zentrale überlastet ist. Die<br />

Bürokratie ufert aus. Verlegungen von Ordinationen, Abrechnungsberechtigungen,<br />

Anstellungen von Ärztinnen und Ärzten bei Kolleginnen und Kollegen, Gruppenpraxisansuchen<br />

et cetera sind in der Warteschlange und werden entweder nicht oder nur<br />

schleppend abgearbeitet.<br />

Darüber hinaus warten bis heute zig Patientinnen und Patienten auf ihre Beitragsrückerstattungen<br />

gemäß §70 aus dem Jahr 2019. Als Grund wird ihnen mitgeteilt, dass die EDV einfach<br />

nicht funktioniere und man derzeit nicht wirklich wisse, wann die Beiträge rückerstattet werden<br />

können.<br />

Bisher hat die Gesundheitspolitik jedenfalls das Gegenteil dessen erreicht, was sie erreichen<br />

wollte: Die Bürokratie hat sich vermehrt, notwendige Entscheidungen werden verschleppt,<br />

die Versorgung wird weiter zurückgefahren, Ärztinnen und Ärzten ihre Berufung verleidet.<br />

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Sinne der Erfinder der „Kassenreform“ war.<br />

Mit besten Grüßen,<br />

Johannes Steinhart<br />

<strong>03</strong>_<strong>2020</strong> doktor in wien 5

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